Zwar habe der Lobbyismus ein großes Ausmaß in Deutschland angenommen, bestätigte von Winter im Deutschlandfunk; so zeige eine Liste des Bundestages, dass sich die Zahl der dort verkehrenden Lobbyisten seit den 1970er-Jahren von rund 700 auf mehr als 2.000 heute verdreifacht habe. Doch der Umgang der Politik mit dem Lobbyismus sei so, "dass man nicht von einer Fernsteuerung sprechen kann".
Zudem seien die Aktivitäten der Interessensvertreter nicht gleich-, sondern zum Teil entgegengerichtet. "Ebenso wichtig wie Transparenz ist Pluralität." Als Beispiel nannte der Politologe die Gesundheitspolitik, in der auch Patientenverbände in den politischen Entscheidungsprozess mit einbezogen werden sollten. Bei Lobbyisten handle es sich nicht um einen "einheitlichen Akteur, der die Politik vor sich hertreibt".
"Innerer Lobbyismus kann ein Problem sein"
"Politiker wollen wiedergewählt werden und überlegen sich gut, mit welchen Interessensgruppen sie sich zu welchem Zeitpunkt unterhalten", so von Winter. Der "innere Lobbyismus" von Abgeordneten mit Verbandszugehörigkeit könne ein Problem sein, aber auch er habe abgenommen. Zudem sei es schon immer so gewesen, dass "die Macht der Fraktion größer ist als die des Verbandes, dem ein Abgeordneter angehört".
Aus wissenschaftlicher Sicht sei die Messung des Einflusses auf politische Entscheidungen "das Schwierigste". Die wenigen Untersuchungen, die es gebe, hätten "keine Dominanz von starken Interessen" ergeben, die Realität sei viel pluralistischer. Von Winter verglicht die Logik hinter Lobbyismus mit der bei Werbung: "In ihrer Wirkung sind beide beschränkt, aber wenn ich mich zurückziehe, werde ich auf jeden Fall verlieren."
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