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Lockdown für den Profisport
Macht den Laden dicht

Die Rufe nach einem härteren Lockdown werden immer lauter, erste Bundesländer haben bereits angekündigt, Geschäfte zu schließen oder die Ferien zu verlängern. Über den Profisport wird aktuell nicht gesprochen. Höchste Zeit, kommentiert Matthias Friebe.

Ein Kommentar von Matthias Friebe |
Das verwaiste Trainingsgelände von Borussia Dortmund liegt im Nebel.
Der Profisport hat seinen Vertrauensvorschuss aufgebraucht. Zeit seiner Vorbildrolle gerecht zu werden, kommentiert Matthias Friebe. (dpa / picture alliance / Noah Wedel)
Ständig neue traurige Rekorde bei den Todeszahlen, die Pandemiesituation wird immer dramatischer, die Appelle umso eindringlicher. Und auch die Maßnahmen werden wohl noch einmal ausgeweitet. Über was kaum bis gar nicht gesprochen wird: sollte nicht auch der Profisport jetzt in eine längere Pause gehen?
Ich finde, ja und zwar ohne Wenn und Aber. Wenn nur noch Lebensmittelgeschäfte geöffnet bleiben sollen, wenn sogar die Schulpflicht aufgehoben und Kindergärten schließen sollen, warum sollten dann ausgerechnet Sportereignisse wie die Fußball-, Handball-, Basketball-Bundesliga noch weitergehen?
Brot und Spiele hat keine Chance
Im Breiten- und Freizeitbereich ist seit Anfang November ohnehin schon weitestgehend Pause, die Profis durften ohne Fans in den Arenen weitermachen. Eine Ausnahmeregelung, schon damals von vielen nicht verstanden, jetzt, sollte ein härterer Lockdown kommen, kaum noch zu verantworten.
Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger im Länderspiel gegen die Tschechische Republik in Leipzig am 11.11.2020
Sportmediziner: "Internationale Spiele sollten abgesagt werden"
Internationale Spiele und Reisen seien die Hauptursache für die gestiegene Zahl von Coronafällen im Profisport, sagte Sportmediziner Andreas Nieß im Dlf. Er forderte, die Spielfrequenz zu senken und internationale Wettkämpfe abzusagen.
Natürlich werden wir von vielen jetzt auch wieder das alte Argument à la Brot und Spiele hören. Natürlich dient es dem einen oder der anderen als Zerstreuung, wenn man in der größer werdenden Einsamkeit die Langeweile überbrücken muss. Dieses Argument hat aber in der Abwägung beispielsweise gegen die Vorbildrolle keine Chance.
Jetzt wäre Zeit für die Vorbildrolle
Welches Bild gibt es ab, wenn Sportler in diesen Zeiten ohne Maske und Abstand zu sehen sind? Welches Bild gibt es ab, wenn Mannschaften aus ganz Europa quer über den Kontinent fliegen, um im Europapokal oder zu Länderspielen anzutreten? Welches Bild gibt es ab, wenn immer noch Woche für Woche Tausende Coronatests benötigt werden, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten? Welches Bild gibt es ab, wenn im Januar in Ägypten eine Handball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird mit 32 Teams? Kein Verantwortbares.
Vorbildlich wäre es jetzt, proaktiv zu sagen: Wir im organisierten Profisport nehmen unsere selbst zugeschriebene Rolle in der Gesellschaft ernst und setzen den Spielbetrieb aus. Auch wir nehmen unsere Verantwortung in dieser außergewöhnlichen Lage wahr und beteiligen uns am konsequenten Zurückfahren des alltäglichen Lebens. Diese Vorbildrolle betont man doch von Seiten des Sports bei jeder noch so guten Gelegenheit. Jetzt wäre Zeit, dieses immer gleiche Mantra mit Leben zu füllen und nicht nur dann, wenn man es braucht, weil es wieder einmal um die millionenschwere Spitzensportförderung geht.
Fußballschuhe liegen auf dem Rasen.
Lockdown für Breitensport - "Sport verdient eine andere Wertschätzung"
"Ich bedauere sehr, dass der Amateur- und Vereinssport wieder eingestellt wird", sagte Alfons Hölzl im Dlf. Der Präsident des Deutschen Turner-Bundes betonte die besondere Rolle des Breitensports in der Gesellschaft.
Kreative Lösungen für Saisons in einer Pandemie sind nötig
Als im Mai die Maßnahmen nach dem ersten Corona-Lockdown Schritt für Schritt gelockert wurden, war es die Fußball-Bundesliga, die weit vor vielen anderen Branchen als eine der ersten wieder loslegen durfte. Vom großen Vertrauensvorschuss durch die Politik war damals voller Dankbarkeit zu hören. Den könnte man jetzt gut zurückzahlen, in dem man von sich aus Vorbild ist.
Der Spitzensport hat unbestritten Bedeutung und Wert. Er ist Inspirationsquelle für so viele, dazu kein unbedeutender Wirtschaftszweig und erfüllt eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Doch das gilt für viele andere Bereiche auch, nicht zuletzt in Kultur und Bildung. Und dort wartet man schon länger.
Klar, ein erneuter Sport-Stopp hätte wirtschaftlich womöglich massive Auswirkungen. Die können aber nicht höher eingeschätzt werden als in vielen anderen Branchen. Und vielleicht muss man einfach kreative Lösungen für Sport-Saisons in einer Pandemie finden. Deshalb der Appell an alle im organisierten Profisport: nehmt Eure Vorbildrolle ernst und macht freiwillig den Laden zu in den nächsten Wochen!
Matthias Friebe (Deutschlandfunk – Aktuelles, freier Mitarbeiter) 
Matthias Friebe, Jahrgang 1987, Journalist, studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Münster und Duisburg-Essen. Volontariat bei domradio.de und Ausbildung an der Journalistenschule ifp in München. Danach arbeitete er als Moderator und Redakteur für WDR, Deutschlandfunk und domradio.de. Heute ist er Redakteur in der Sportredaktion des Deutschlandfunks.