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Locker, leicht und mit unwiderstehlich naivem Charme

"Vows", zu Deutsch "Gelübde", heißt das Debüt von Kimbra Johnson. Die Neuseeländerin ist die Stimme Gotye-Hit ist, nämlich "Somebody That I Used To Know". Jetzt versucht sie es alleine.

Von Marcel Anders |
    "Es ist wie ein Virus. Eben Total verrückt. Dabei konnte ich das eine Zeit lang gar nicht nachvollziehen. Einfach, weil ich direkt involviert war und rein analytisch dachte. Aber dann gab es ein paar Momente, als ich in Amerika auf die Bühne ging, und erkannte: Wow, die Leute singen jede Strophe mit. Und einige weinen sogar. Denn es hat sie wirklich bewegt. Und es ist eine richtige Hymne. Ich bin so stolz, dass ich ein Teil davon bin – und von einer aufregenden Zeit in Sachen Popmusik."

    Zu der Kimbra ihren ureigenen Beitrag leistet. Als junge Künstlerin, die Interviews gibt, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan. Die eine umwerfende optische Präsenz besitzt und sich auf ihrem Debüt als ausgereifte, versierte Musikerin präsentiert. Was nicht von ungefähr kommt: Manager und Mentor Mark Richardson, Entdecker von Travis, verordnete ihr ein vierjähriges Bootcamp bestehend aus Unterricht und Live-Konzerten, um sie schrittweise an das Musikgeschäft heranzuführen.

    "Es hat lange gedauert. Aber man braucht nun mal Zeit, um sich auf die Intensität einer solchen Karriere einzustellen. Denn wenn du plötzlich mit einer Single wie der Gotye-Nummer an der Spitze der Charts stehst, aber nichts hast, um den Ball am Rollen zu halten, kann das verdammt schwierig werden. Insofern fühle ich mich gesegnet, dass ich dem Song ein ganzes Album entgegenstellen kann. Und dass ich mir die Zeit genommen habe, um ein paar Lektionen zu lernen und mich entsprechend vorzubreiten."

    Weshalb Kimbra der Konkurrenz einiges voraushat: Sie steht noch ganz am Anfang, hat aber bereits eine künstlerische Identität. Und einen Sound, der gerne mit Björk, Florence & The Machine, Nina Simone oder Dusty Springfield verglichen wird. Im Grunde aber so eigenständig ist, dass er in keine Schublade passt. Denn die zwölf Songs ihres Debüts pendeln zwischen Electronica, Orchesterpop, Jazz, Funk, TripHop und einem kräftigen Schuss Soul. Alles locker, leicht und mit unwiderstehlich naivem Charme.

    "Manchmal bezeichne ich es als ProgPop. In dem Sinne, dass ich eine Menge Einflüsse habe, die durchaus progressiv sind. Als ich noch zur High School ging, war meine Lieblingsband "The Mars Volta". Außerdem liebe ich Miles Davis und "The Dirty Projectors", die eher experimentelle Musik machen. Aber auch Prince und Michael Jackson. Genau wie 60e-Pop und eine Fusion aus beidem. Und natürlich Soul. Was schwer in Worte zu fassen ist. Ganz abgesehen davon, dass es auch etwas Cineastisches hat. Vielleicht wäre es einfacher, es bildlich als klanglich zu beschreiben."

    Ein musikalisches Sammelsurium, mit dem Kimbra offene Türen einrennt. In "down under" wurde "Vows" mit Platin ausgezeichnet, in den USA knackte es die Top 15 und in Europa erscheint es mit Bonus-Tracks, an denen John Legend, Mars Volta und Altmeister Van Dyke Parks beteiligt sind. Laut Kimbra erst der Auftakt zu mehr. Denn die ehrgeizige Schönheit hat bereits neue Songs geschrieben – und verfügt über eine lange Liste an potenziellen Kollaborateuren.

    "Natürlich ist Prince dabei. Aber wahrscheinlich würde ich mich nicht trauen, mit ihm zu arbeiten. Dann ist da noch Rufus Wainwright, ein unglaublicher Songwriter, mit dem ich gerne etwas machen würde. Genau wie mit St. Vincent, einer tollen Gitarristin. Ich meine, da gibt es so viele Leute. Und ich würde mich gerne an der Welt des Orchestrierens, also der Streicherarrangements, versuchen. Ich habe definitiv eine lange Wunschliste."

    Bis Kimbra das nächste Album in Angriff nimmt, muss sie aber erst einmal ihren aktuellen Live-Verpflichtungen nachkommen. Was nach zahlreichen Auftritten mit Gotye und einer US-Tour mit Foster The People auch erste Solo-Shows auf deutschem Boden umfasst. In kleinen Clubs, denen sie eigentlich längst entwachsen ist. Und mit einer Garderobe, die aus atemberaubenden Kleidern in grellen Farben und mit gewagten Designs besteht. Laut Kimbra eigene Kreationen – und genau so bunt und überdreht, wie ihre Musik.

    "Sie kosten nur 20 Dollar. Und ich finde sie in Städten wie Los Angeles. Es sind Kleider in Übergrößen, die etwas Skurriles, etwas Fantasy- oder Disneyartiges haben. Ich nehme sie mit nach Hause, kombiniere sie mit anderen Stoffen und nähe sie um. Einfach, weil ich meinen Konzerten dadurch etwas Theatralisches verleihen kann. Ich schaffe da eine Art Gegenwelt, in die die Leute eintauchen können. Also nicht nur, um Musik zu hören, sondern auch um einen richtigen Mikrokosmos zu erleben. Das macht es für sie zu einem nachhaltigen Erlebnis."