Manfred Götzke: Wie weit ist Deutschland bei der Inklusion, also beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Schüler? Die Bertelsmann-Stiftung hat dazu Montag neue Zahlen veröffentlicht, und die fallen sehr durchwachsen aus. Während in Schleswig-Holstein mehr als 50 Prozent der Förderschüler Regelschulen besuchen, sind es in NRW weniger als 20 Prozent. Gestern hat das Landeskabinett in Nordrhein-Westfalen einen Gesetzentwurf zur Inklusion beschlossen, demnach soll es ab 2014 auch auf Landesebene einen Rechtsanspruch auf Inklusion geben – allerdings mit so einigen Vorbehalten, und über die möchte ich jetzt mit Schulministerin Sylvia Löhrmann sprechen. Guten Tag, Frau Löhrmann!
Sylvia Löhrmann: Guten Tag, Herr Götzke!
Götzke: Frau Löhrmann, der größte Vorbehalt ist, Kommunen können ihre Zustimmung zur Inklusion verweigern, wenn der Aufwand für den gemeinsamen Unterricht unvertretbar ist. Warum treten Sie bei der Inklusion so hart auf die Bremse?
Löhrmann: Wir treten nicht auf die Bremse, Herr Götzke, und ich will auch zunächst sagen, dass die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung vom Jahr 2011/2012 sind, und wir haben erfreulicherweise aufgrund eines Erlasses, den ich gegeben habe im Jahr 2010, haben wir fünf Prozentpunkte zugelegt, wir sind also inzwischen auch bei 24,6 Prozent angelangt. Also ein Viertel der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt auch bei uns in Nordrhein-Westfalen inzwischen in allgemeinen Schulen, wir haben in den letzten zwei Jahren hier deutlich aufgeholt.
Götzke: Immer noch halb so viel wie Schleswig-Holstein.
Löhrmann: Ja, richtig. In Schleswig-Holstein hat es länger schon eine Kultur gegeben, das auszuweiten. Das hat damals die Große Koalition gemacht in Schleswig-Holstein, und hier in Nordrhein-Westfalen ist in den Zeiten der Rüttgers-Regierung leider sehr wenig passiert. Und wir holen aber auf, und unsere Regierung will offensiv hier fortfahren. Wir wollen aber auch die Systemumstellung behutsam machen, um die Menschen, die Beteiligten, die Schulen, die Kommunen nicht zu überfordern, weil es bei diesen Thema auch große Ängste gibt, und deswegen kann man das nicht per Knopfdruck machen, und deswegen muss man in so einem großen Land wie Nordrhein-Westfalen das berücksichtigen, wenn es etwas langsamer geht, aber dafür sorgfältig, und Schritt für Schritt in die richtige Richtung.
Götzke: Frau Löhrmann, welcher Aufwand vertretbar ist, und welcher nicht, da wird die Meinung von betroffenen Eltern und Kommunalvertretern ja auseinandergehen. Warum überlassen Sie die Inklusion damit der Entscheidung von Bürgermeistern?
Löhrmann: Das ist keine Entscheidung von Bürgermeistern, sondern wir schaffen ein Gesetz und haben es dem Landtag zugeleitet, in dem die Eltern grundsätzlich das Recht auf eine allgemeine Schule bekommen, aber nicht von vornherein auf jede allgemeine Schule, weil wir möchten die Ressourcen ja auch bündeln. Wir wollen, dass die Kommunen Schwerpunktschulen bilden können, damit mehr Kinder dann in diesen Schulen gemeinsam lernen und dort dann auch Sonderpädagogen dazukommen können, dort die Lehrerressource ausgebaut wird. Weil sonst würde sich das zu sehr gießkannenmäßig verteilen, die Ressourcen, die wir vorsehen. Und den Vorbehalt, nach dem Sie eben gefragt haben: Das ist kein unübliches Instrument, das gilt für das Land und die Kommunen, wenn nicht im vertretbaren Aufwand die Bedingungen geschaffen werden können, dann kann es eine Ausnahme geben. Wir haben aber in den letzten zwei Jahren, seit wir hier die Regierungsverantwortung haben, …
Götzke: Aber was ist denn vertretbar, Frau Löhrmann?
Löhrmann: … so gut wie keine Ablehnung mehr gehabt, schon ohne gesetzliche Grundlage. Eine vertretbare Ausnahme ist möglicherweise, wenn ein Kind mit einer motorischen Einschränkung in eine besondere Schule möchte, wo in vertretbarem Zeitraum etwa kein Aufzug oder sonstiges Material bereitgestellt werden kann. Das ist aber zu begründen, und das sind Ausnahmefälle, und das ist ein sogenannter Realisierungsvorbehalt, der auch für andere Gesetze gilt. Ich glaube, trotzdem werden wir einen Schub auslösen.
Götzke: Nun hätten Sie ja auch alternativ sagen können, wir statten die Kommunen finanziell stärker aus, damit sie Inklusion besser ermöglichen können und nicht nur möglicherweise in einer Schule oder auch in gar keiner.
Löhrmann: Ja, wir haben in Nordrhein-Westfalen in allen Kreisen und in allen kreisfreien Städten schon heute durchaus vorzeigbare Inklusionsquoten, manchmal nur zehn Prozent, in anderen Städten aber an die 40 Prozent – also das variiert in Nordrhein-Westfalen, nur das wollen wir natürlich nicht mehr dem Zufall überlassen. Und die Frage ist: Ist das eine neue Aufgabe für die Kommunen oder ist es das nicht? Das ist der Streit, das ist die Auseinandersetzung. Wir sind der Auffassung, es ist keine neue Aufgabe, weil wir seit 30 Jahren gemeinsam Unterricht haben in Nordrhein-Westfalen, der stetig auswächst, und wir verändern sie auch …
Götzke: Seit 30 Jahren aber nur an ganz wenigen Schulen.
Löhrmann: Natürlich, wir waren in den 80er-Jahren von vier neuen Schulen – ich war letztens beim 30. Geburtstag dieser Schule –, war in Nordrhein-Westfalen eine von vier Schulen, die damit angefangen haben, und seitdem wird es kontinuierlich ausgebaut, deswegen ist es unserer Meinung nach keine neue Aufgabe, und wir sind der Meinung, dass sie nicht ausgleichswichtig ist, weil die Kommunen ja durchaus auch Entlastungseffekte haben, weil sie bestimmte Schulgebäude nicht mehr brauchen, bestimmte Förderschulen, die auslaufen werden, das ist der Streit, aber dass wir die Aufgabe angehen, dazu haben sich auch unsere Kommunen immer bekannt und wir als Land müssen für eine gute Lehrerausstattung sorgen. So ist die Schulträgerschaft in Nordrhein-Westfalen geregelt.
Götzke: Frau Löhrmann, lassen Sie uns über einen weiteren Vorbehalt sprechen: Mit inklusivem Unterricht soll in Klassen eins bis fünf begonnen werden. Warum haben Sechstklässler noch kein Recht auf Inklusion?
Löhrmann: Weil wir nicht in bestehende Lerngruppen eingreifen wollen und Querversetzungen von Kindern aus Förderschulen in den laufenden Betrieb vorsehen wollen. Das heißt, wir setzen in Klasse eins für die Kinder, die neu in die Schulen gehen, und beim Übergang nach der Klasse vier in die weiterführenden Schulen, da lassen wir aufwachsend den Rechtsanspruch greifen, und das ist auch vernünftig, weil ja sonst Lerngruppen, die es jetzt schon gibt, auseinandergerissen werden würden. Das ist durchaus üblich, so verfahren wir in anderen Schulentwicklungsprozessen auch, etwa beim islamischen Religionsunterricht, oder aber bei Veränderung unserer Sekundar- und Gesamtschulen, die fangen dann ja auch immer in Klasse fünf an und wachsen auf, und wir bauen nicht sozusagen quer um, und dann müssten ja Kinder, Lehrer zu neuen Schuljahren komplett ihre Lerngruppe verlassen.
Götzke: Gut, das gibt es ja immer wieder, Schüler bleiben sitzen, wechseln die Schulform, man könnte auch sagen, Sie verhindern einen Aufstieg in höhere Schulformen.
Löhrmann: Nein, wieso? Wir fangen an den Schnittstellen der Schulentwicklung der Kinder und der Bildungsbiografien der Kinder, fangen wir an und setzen wir ein. Das ist auch ein durchaus nachvollziehbares Prinzip, und daran ist auch meines Wissens jetzt in dem Sinne nicht Kritik geäußert worden.
Götzke: Frau Löhrmann, der Betroffenenverein, der Elternverein von Kindern mit Behinderung mittendrin e. V., sagt, würden die staatlichen Förderschulen für die zentralen Förderschwerpunkte aufgelöst und das Personal an Regelschulen versetzt, dann könnten in relativ schneller Zeit rund zwei Drittel der behinderten Kinder an Allgemeinschulen lernen. Warum sind Sie nicht so mutig gewesen, diesen Schritt zu gehen?
Löhrmann: Wir haben in Nordrhein-Westfalen sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass der Elternwille zählt. So hat es auch das Parlament in großer Mehrheit entschieden, zu sagen, die allgemeine Schule ist der Regelförderort, aber die Eltern behalten auch das Recht, für ihre Kinder die Förderschule zu wählen, wenn sie das für richtig halten. Dieses Prinzip – wie gesagt, ich halte das für richtig, aber es ist auch ein Parlamentsauftrag, dem ich natürlich gerne folge in dieser Weise, und dem ich auch verpflichtet bin zu folgen, und wir müssen anerkennen, dass manche Eltern die Förderschule wählen, und dann müssen wir das respektieren, weil wir die Eltern nicht bevormunden wollen. Wir werden trotzdem einen Prozess haben, dass Förderschulen, die schon jetzt zum Teil unter der Mindestgröße sind, auslaufen, und wir dann natürlich in dem Zuge, in dem die Kinder in den allgemeinen Schulen sind, dort mehr Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinen Pädagogik haben werden und mehr Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen. Wir haben uns aber guten Gewissens und aus Überzeugung für einen sanfteren Weg entschieden als für einen abrupten, weil ich auch Rückmeldung bekomme aus Bremen oder aus Hamburg, dass das dort zu radikal angelegt wäre, und jetzt sich die Beteiligten beklagen, dass das System nicht nachkommt mit Veränderung. Schulentwicklung braucht Zeit, sie muss Fortbildungen haben, weil wir sonst hinterher Schaden anrichten.
Götzke: Frau Löhrmann, unsere Zeit ist leider auch vorbei.
Löhrmann: Ja?
Götzke: Vielen Dank für dieses Interview!
Löhrmann: Gerne!
Götzke: Das NRW-Kabinett hat einen Gesetzentwurf zur Inklusion beschlossen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sylvia Löhrmann: Guten Tag, Herr Götzke!
Götzke: Frau Löhrmann, der größte Vorbehalt ist, Kommunen können ihre Zustimmung zur Inklusion verweigern, wenn der Aufwand für den gemeinsamen Unterricht unvertretbar ist. Warum treten Sie bei der Inklusion so hart auf die Bremse?
Löhrmann: Wir treten nicht auf die Bremse, Herr Götzke, und ich will auch zunächst sagen, dass die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung vom Jahr 2011/2012 sind, und wir haben erfreulicherweise aufgrund eines Erlasses, den ich gegeben habe im Jahr 2010, haben wir fünf Prozentpunkte zugelegt, wir sind also inzwischen auch bei 24,6 Prozent angelangt. Also ein Viertel der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt auch bei uns in Nordrhein-Westfalen inzwischen in allgemeinen Schulen, wir haben in den letzten zwei Jahren hier deutlich aufgeholt.
Götzke: Immer noch halb so viel wie Schleswig-Holstein.
Löhrmann: Ja, richtig. In Schleswig-Holstein hat es länger schon eine Kultur gegeben, das auszuweiten. Das hat damals die Große Koalition gemacht in Schleswig-Holstein, und hier in Nordrhein-Westfalen ist in den Zeiten der Rüttgers-Regierung leider sehr wenig passiert. Und wir holen aber auf, und unsere Regierung will offensiv hier fortfahren. Wir wollen aber auch die Systemumstellung behutsam machen, um die Menschen, die Beteiligten, die Schulen, die Kommunen nicht zu überfordern, weil es bei diesen Thema auch große Ängste gibt, und deswegen kann man das nicht per Knopfdruck machen, und deswegen muss man in so einem großen Land wie Nordrhein-Westfalen das berücksichtigen, wenn es etwas langsamer geht, aber dafür sorgfältig, und Schritt für Schritt in die richtige Richtung.
Götzke: Frau Löhrmann, welcher Aufwand vertretbar ist, und welcher nicht, da wird die Meinung von betroffenen Eltern und Kommunalvertretern ja auseinandergehen. Warum überlassen Sie die Inklusion damit der Entscheidung von Bürgermeistern?
Löhrmann: Das ist keine Entscheidung von Bürgermeistern, sondern wir schaffen ein Gesetz und haben es dem Landtag zugeleitet, in dem die Eltern grundsätzlich das Recht auf eine allgemeine Schule bekommen, aber nicht von vornherein auf jede allgemeine Schule, weil wir möchten die Ressourcen ja auch bündeln. Wir wollen, dass die Kommunen Schwerpunktschulen bilden können, damit mehr Kinder dann in diesen Schulen gemeinsam lernen und dort dann auch Sonderpädagogen dazukommen können, dort die Lehrerressource ausgebaut wird. Weil sonst würde sich das zu sehr gießkannenmäßig verteilen, die Ressourcen, die wir vorsehen. Und den Vorbehalt, nach dem Sie eben gefragt haben: Das ist kein unübliches Instrument, das gilt für das Land und die Kommunen, wenn nicht im vertretbaren Aufwand die Bedingungen geschaffen werden können, dann kann es eine Ausnahme geben. Wir haben aber in den letzten zwei Jahren, seit wir hier die Regierungsverantwortung haben, …
Götzke: Aber was ist denn vertretbar, Frau Löhrmann?
Löhrmann: … so gut wie keine Ablehnung mehr gehabt, schon ohne gesetzliche Grundlage. Eine vertretbare Ausnahme ist möglicherweise, wenn ein Kind mit einer motorischen Einschränkung in eine besondere Schule möchte, wo in vertretbarem Zeitraum etwa kein Aufzug oder sonstiges Material bereitgestellt werden kann. Das ist aber zu begründen, und das sind Ausnahmefälle, und das ist ein sogenannter Realisierungsvorbehalt, der auch für andere Gesetze gilt. Ich glaube, trotzdem werden wir einen Schub auslösen.
Götzke: Nun hätten Sie ja auch alternativ sagen können, wir statten die Kommunen finanziell stärker aus, damit sie Inklusion besser ermöglichen können und nicht nur möglicherweise in einer Schule oder auch in gar keiner.
Löhrmann: Ja, wir haben in Nordrhein-Westfalen in allen Kreisen und in allen kreisfreien Städten schon heute durchaus vorzeigbare Inklusionsquoten, manchmal nur zehn Prozent, in anderen Städten aber an die 40 Prozent – also das variiert in Nordrhein-Westfalen, nur das wollen wir natürlich nicht mehr dem Zufall überlassen. Und die Frage ist: Ist das eine neue Aufgabe für die Kommunen oder ist es das nicht? Das ist der Streit, das ist die Auseinandersetzung. Wir sind der Auffassung, es ist keine neue Aufgabe, weil wir seit 30 Jahren gemeinsam Unterricht haben in Nordrhein-Westfalen, der stetig auswächst, und wir verändern sie auch …
Götzke: Seit 30 Jahren aber nur an ganz wenigen Schulen.
Löhrmann: Natürlich, wir waren in den 80er-Jahren von vier neuen Schulen – ich war letztens beim 30. Geburtstag dieser Schule –, war in Nordrhein-Westfalen eine von vier Schulen, die damit angefangen haben, und seitdem wird es kontinuierlich ausgebaut, deswegen ist es unserer Meinung nach keine neue Aufgabe, und wir sind der Meinung, dass sie nicht ausgleichswichtig ist, weil die Kommunen ja durchaus auch Entlastungseffekte haben, weil sie bestimmte Schulgebäude nicht mehr brauchen, bestimmte Förderschulen, die auslaufen werden, das ist der Streit, aber dass wir die Aufgabe angehen, dazu haben sich auch unsere Kommunen immer bekannt und wir als Land müssen für eine gute Lehrerausstattung sorgen. So ist die Schulträgerschaft in Nordrhein-Westfalen geregelt.
Götzke: Frau Löhrmann, lassen Sie uns über einen weiteren Vorbehalt sprechen: Mit inklusivem Unterricht soll in Klassen eins bis fünf begonnen werden. Warum haben Sechstklässler noch kein Recht auf Inklusion?
Löhrmann: Weil wir nicht in bestehende Lerngruppen eingreifen wollen und Querversetzungen von Kindern aus Förderschulen in den laufenden Betrieb vorsehen wollen. Das heißt, wir setzen in Klasse eins für die Kinder, die neu in die Schulen gehen, und beim Übergang nach der Klasse vier in die weiterführenden Schulen, da lassen wir aufwachsend den Rechtsanspruch greifen, und das ist auch vernünftig, weil ja sonst Lerngruppen, die es jetzt schon gibt, auseinandergerissen werden würden. Das ist durchaus üblich, so verfahren wir in anderen Schulentwicklungsprozessen auch, etwa beim islamischen Religionsunterricht, oder aber bei Veränderung unserer Sekundar- und Gesamtschulen, die fangen dann ja auch immer in Klasse fünf an und wachsen auf, und wir bauen nicht sozusagen quer um, und dann müssten ja Kinder, Lehrer zu neuen Schuljahren komplett ihre Lerngruppe verlassen.
Götzke: Gut, das gibt es ja immer wieder, Schüler bleiben sitzen, wechseln die Schulform, man könnte auch sagen, Sie verhindern einen Aufstieg in höhere Schulformen.
Löhrmann: Nein, wieso? Wir fangen an den Schnittstellen der Schulentwicklung der Kinder und der Bildungsbiografien der Kinder, fangen wir an und setzen wir ein. Das ist auch ein durchaus nachvollziehbares Prinzip, und daran ist auch meines Wissens jetzt in dem Sinne nicht Kritik geäußert worden.
Götzke: Frau Löhrmann, der Betroffenenverein, der Elternverein von Kindern mit Behinderung mittendrin e. V., sagt, würden die staatlichen Förderschulen für die zentralen Förderschwerpunkte aufgelöst und das Personal an Regelschulen versetzt, dann könnten in relativ schneller Zeit rund zwei Drittel der behinderten Kinder an Allgemeinschulen lernen. Warum sind Sie nicht so mutig gewesen, diesen Schritt zu gehen?
Löhrmann: Wir haben in Nordrhein-Westfalen sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass der Elternwille zählt. So hat es auch das Parlament in großer Mehrheit entschieden, zu sagen, die allgemeine Schule ist der Regelförderort, aber die Eltern behalten auch das Recht, für ihre Kinder die Förderschule zu wählen, wenn sie das für richtig halten. Dieses Prinzip – wie gesagt, ich halte das für richtig, aber es ist auch ein Parlamentsauftrag, dem ich natürlich gerne folge in dieser Weise, und dem ich auch verpflichtet bin zu folgen, und wir müssen anerkennen, dass manche Eltern die Förderschule wählen, und dann müssen wir das respektieren, weil wir die Eltern nicht bevormunden wollen. Wir werden trotzdem einen Prozess haben, dass Förderschulen, die schon jetzt zum Teil unter der Mindestgröße sind, auslaufen, und wir dann natürlich in dem Zuge, in dem die Kinder in den allgemeinen Schulen sind, dort mehr Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinen Pädagogik haben werden und mehr Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen. Wir haben uns aber guten Gewissens und aus Überzeugung für einen sanfteren Weg entschieden als für einen abrupten, weil ich auch Rückmeldung bekomme aus Bremen oder aus Hamburg, dass das dort zu radikal angelegt wäre, und jetzt sich die Beteiligten beklagen, dass das System nicht nachkommt mit Veränderung. Schulentwicklung braucht Zeit, sie muss Fortbildungen haben, weil wir sonst hinterher Schaden anrichten.
Götzke: Frau Löhrmann, unsere Zeit ist leider auch vorbei.
Löhrmann: Ja?
Götzke: Vielen Dank für dieses Interview!
Löhrmann: Gerne!
Götzke: Das NRW-Kabinett hat einen Gesetzentwurf zur Inklusion beschlossen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.