Doris Simon: Heute, am 10. Dezember, ist auch der Tag der Menschenrechte. Manche stellen eine Kerze der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ins Fenster, um an alle diejenigen zu erinnern, deren Menschenrechte eingeschränkt sind. Markus Löning, der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, ist nach Vietnam gereist, wo er jetzt am Telefon ist. Guten Tag!
Markus Löning: Guten Tag!
Simon: Herr Löning, was wollen Sie in Vietnam erreichen?
Löning: Zum einen mit der Regierung sprechen über genau die Fälle, die Sie gerade angesprochen haben: Meinungsfreiheit, es gibt in Vietnam politische Gefangene, es gibt Zensur, es gibt eine Unterdrückung der Religionsfreiheit. Also die klassischen politischen Rechte sind eingeschränkt, und das will ich der Regierung sagen, wo da die Position Deutschlands ist, und ich treffe auch eine Reihe von ehemaligen politischen Gefangenen, von Dissidenten, von Leuten, die sich hier mutig engagieren.
Simon: Menschenrechte sind ja meist das letzte Thema, über das Regierungen, in deren Ländern es in diesem Bereich Probleme gibt, reden wollen. Wenn Sie dort ankommen, wir hören das jetzt gerade, wie in Hanoi am Flughafen, wie muss ich mir so ein Gespräch mit Regierungsvertretern vorstellen? Deutliche Worte oder eher diplomatisch durch die Blume?
Löning: Nein, das ist immer eine Mischung. Wir haben ein Interesse daran, die Beziehungen zu Vietnam weiterzuentwickeln und weiter zu vertiefen, und da gibt es angenehme Teile und da gibt es unangenehme Teile und zu diesen unangenehmen Teilen gehört die Situation der Menschenrechte, und es ist meine Aufgabe, den vietnamesischen Partnern klarzumachen, wenn wir die Beziehungen weiter vertiefen wollen, dass wir eine Verbesserung der Menschenrechtslage erwarten, und zwar in den Bereichen, die ich genannt habe: bei der Meinungsfreiheit, bei der Demokratisierung des Landes, bei der Rechtsstaatlichkeit des Landes, aber auch zum Beispiel in Bereichen, die Deutschland sehr betreffen und die den Handel betreffen, wie Produktionsbedingungen, wie werden Arbeitnehmer hier behandelt, wie sind die Arbeitsbedingungen in Fabriken.
Simon: Läuft das denn dann so nach dem Motto ab, wenn sie dies und jenes einhalten und uns die Zusage geben, dann könnten wir im Gegenzug dies und jenes tun?
Löning: Nein. Das sind keine Wenn-dann-Gespräche, sondern es sind Gespräche, wo wir sehr klar darauf hinweisen, dass wir Fortschritte erwarten, dass wir erwarten, dass Vietnam sich an die internationalen Zusagen, die es gemacht hat - es hat ja eine ganze Reihe von UN-Konventionen ratifiziert -, dass es das auch einhält, dass wir darauf drängen, dass es eingehalten wird, dass wir bereit sind, zum Beispiel bei der Entwicklung der Justiz auch zu helfen, durch Ausbildung oder Ähnliches. Aber die politische Initiative muss von hieraus kommen. Also da wird gedrängt, es gibt hier kein "wenn, dann" und kein Drohen mit einer großen Keule, sondern es wird klar gemacht, wir können die Beziehungen nur gut weiterentwickeln, wenn sich auch im Bereich der Menschenrechte etwas verbessert.
Simon: Wie abhängig sind Ihre deutlichen Worte eigentlich davon, wie groß und wie wichtig das Land ist für Deutschland? Ich könnte mir vorstellen, da gibt es einen Unterschied zwischen, sagen wir mal, Vietnam und China.
Löning: Zunächst mal muss man sagen, dass das deutsche Wort überall gehört wird und dass wir aufgrund unserer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung überall Gehör finden mit den Dingen, die wir sagen. Es berichten mir gerade immer wieder auch chinesische Dissidenten, dass sie sagen, das, was ihr sagt, kommt an als Botschaft.
Simon: Aber hat das auch Folgen?
Löning: Ai Weiwei sagt uns, es sei auch dem Druck der Deutschen zu verdanken, dass er wieder freigekommen sei, und auch andere haben mir berichtet, dass sie gesagt haben, ja, ich habe es im Gefängnis gemerkt, meine Familie wurde nicht belästigt, ich wurde besser behandelt im Gefängnis, ich bin rausgekommen, als ich rauskommen sollte, und bin nicht noch länger im Gefängnis gehalten worden. Also es hat durchaus auch Effekte, manchmal direkt sichtbare, manchmal nicht so direkt sichtbare. Aber es kommt darauf an, dass wir die Botschaft immer wieder klar und deutlich wiederholen. Wir erwarten von unseren Partnern die Einhaltung der Menschenrechte und eine Verbesserung der Menschenrechtssituation, und das tun wir und diese Botschaft senden wir auch unangesehen des Partners. Da kriegt jeder Partner die Botschaft, die auf sein Land zutrifft, und wir benennen die Defizite, die in dem jeweiligen Land zu benennen sind.
Simon: Herr Löning, heute bekommt ja die Europäische Union in Oslo den Friedensnobelpreis verliehen. Aus Sicht etwa von Amnesty International, der Menschenrechtsorganisation, ist aber insbesondere die Flüchtlings- und die Asylpolitik der 27 EU-Staaten eines Nobelpreises nicht würdig. Wir erinnern uns: Unwürdige Zustände in Aufnahmelagern in vielen EU-Staaten, wenig Möglichkeiten für legale Einreise, das Auseinanderreißen von Familien durch Teilabschiebung, das kommt ja auch in Deutschland vor. Trotzdem nobelpreiswürdig?
Löning: Ich kann die Kritik von Amnesty nachvollziehen und ich teile sie auch in Teilen. Was wir mit Flüchtlingen machen, das ist der Europäischen Union an vielen Stellen wirklich nicht würdig. Da müssen wir besser werden. Das gilt auch für Deutschland, wenn ich da an Debatten denke, die wir in den letzten Wochen und Monaten hatten wegen ein paar Tausend Leuten, die da gekommen sind. Aber auf der anderen Seite muss man eben auch sehen, dass die Europäische Union das erfolgreichste Projekt zur wirklich dauerhaften Verbesserung von Menschenrechtssituationen ist. Denken Sie an Portugal, Griechenland, Spanien, drei rechte Diktaturen, die Rechtsstaaten sind, die Demokratien sind, und denken Sie an die ganzen Länder Osteuropas, die jetzt seit vielen Jahren die Menschenrechte respektieren, die einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht haben. Gerade wenn man sich mal anschaut, wie es in Polen aussieht, und wenn man das vergleicht mit der Ukraine und Weißrussland, dann weiß man, was die Europäische Union für eine großartige Leistung bei den Menschenrechten erreicht hat.
Simon: Das heißt aber auch, dass Sie vielleicht in Zukunft öfter mal auch intern - Sie sind ja bei der Bundesregierung - darauf hinweisen, was in der deutschen Asyl-, Flüchtlingspolitik vielleicht anders gehandhabt werden könnte?
Löning: Ich habe mich zu den Flüchtlingsfragen immer sehr deutlich geäußert. Ich habe sowohl Flüchtlingslager besucht, aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wir als Deutsche aufgrund unserer Freiheit, aber auch aufgrund unseres Wohlstandes eine moralische Verpflichtung haben, Menschen zu helfen, denen es schlecht geht. Wir können das, wir sollten das machen und wir sollten nicht immer in solche hysterischen Debatten verfallen und Dinge behaupten, die einfach falsch sind. Deutschland kann ohne Probleme ein paar Hundert, ein paar Tausend Leute aufnehmen, das sollten wir auch tun.
Simon: Das war Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung (FDP). Wir haben ihn in Hanoi auf dem Flughafen erreicht, was Sie als Hörer vielleicht auch mitbekommen haben. Herr Löning, vielen Dank, dass Sie trotzdem mit uns gesprochen haben.
Löning: Ja, sehr gerne. Danke!
Simon: Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Löning: Guten Tag!
Simon: Herr Löning, was wollen Sie in Vietnam erreichen?
Löning: Zum einen mit der Regierung sprechen über genau die Fälle, die Sie gerade angesprochen haben: Meinungsfreiheit, es gibt in Vietnam politische Gefangene, es gibt Zensur, es gibt eine Unterdrückung der Religionsfreiheit. Also die klassischen politischen Rechte sind eingeschränkt, und das will ich der Regierung sagen, wo da die Position Deutschlands ist, und ich treffe auch eine Reihe von ehemaligen politischen Gefangenen, von Dissidenten, von Leuten, die sich hier mutig engagieren.
Simon: Menschenrechte sind ja meist das letzte Thema, über das Regierungen, in deren Ländern es in diesem Bereich Probleme gibt, reden wollen. Wenn Sie dort ankommen, wir hören das jetzt gerade, wie in Hanoi am Flughafen, wie muss ich mir so ein Gespräch mit Regierungsvertretern vorstellen? Deutliche Worte oder eher diplomatisch durch die Blume?
Löning: Nein, das ist immer eine Mischung. Wir haben ein Interesse daran, die Beziehungen zu Vietnam weiterzuentwickeln und weiter zu vertiefen, und da gibt es angenehme Teile und da gibt es unangenehme Teile und zu diesen unangenehmen Teilen gehört die Situation der Menschenrechte, und es ist meine Aufgabe, den vietnamesischen Partnern klarzumachen, wenn wir die Beziehungen weiter vertiefen wollen, dass wir eine Verbesserung der Menschenrechtslage erwarten, und zwar in den Bereichen, die ich genannt habe: bei der Meinungsfreiheit, bei der Demokratisierung des Landes, bei der Rechtsstaatlichkeit des Landes, aber auch zum Beispiel in Bereichen, die Deutschland sehr betreffen und die den Handel betreffen, wie Produktionsbedingungen, wie werden Arbeitnehmer hier behandelt, wie sind die Arbeitsbedingungen in Fabriken.
Simon: Läuft das denn dann so nach dem Motto ab, wenn sie dies und jenes einhalten und uns die Zusage geben, dann könnten wir im Gegenzug dies und jenes tun?
Löning: Nein. Das sind keine Wenn-dann-Gespräche, sondern es sind Gespräche, wo wir sehr klar darauf hinweisen, dass wir Fortschritte erwarten, dass wir erwarten, dass Vietnam sich an die internationalen Zusagen, die es gemacht hat - es hat ja eine ganze Reihe von UN-Konventionen ratifiziert -, dass es das auch einhält, dass wir darauf drängen, dass es eingehalten wird, dass wir bereit sind, zum Beispiel bei der Entwicklung der Justiz auch zu helfen, durch Ausbildung oder Ähnliches. Aber die politische Initiative muss von hieraus kommen. Also da wird gedrängt, es gibt hier kein "wenn, dann" und kein Drohen mit einer großen Keule, sondern es wird klar gemacht, wir können die Beziehungen nur gut weiterentwickeln, wenn sich auch im Bereich der Menschenrechte etwas verbessert.
Simon: Wie abhängig sind Ihre deutlichen Worte eigentlich davon, wie groß und wie wichtig das Land ist für Deutschland? Ich könnte mir vorstellen, da gibt es einen Unterschied zwischen, sagen wir mal, Vietnam und China.
Löning: Zunächst mal muss man sagen, dass das deutsche Wort überall gehört wird und dass wir aufgrund unserer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung überall Gehör finden mit den Dingen, die wir sagen. Es berichten mir gerade immer wieder auch chinesische Dissidenten, dass sie sagen, das, was ihr sagt, kommt an als Botschaft.
Simon: Aber hat das auch Folgen?
Löning: Ai Weiwei sagt uns, es sei auch dem Druck der Deutschen zu verdanken, dass er wieder freigekommen sei, und auch andere haben mir berichtet, dass sie gesagt haben, ja, ich habe es im Gefängnis gemerkt, meine Familie wurde nicht belästigt, ich wurde besser behandelt im Gefängnis, ich bin rausgekommen, als ich rauskommen sollte, und bin nicht noch länger im Gefängnis gehalten worden. Also es hat durchaus auch Effekte, manchmal direkt sichtbare, manchmal nicht so direkt sichtbare. Aber es kommt darauf an, dass wir die Botschaft immer wieder klar und deutlich wiederholen. Wir erwarten von unseren Partnern die Einhaltung der Menschenrechte und eine Verbesserung der Menschenrechtssituation, und das tun wir und diese Botschaft senden wir auch unangesehen des Partners. Da kriegt jeder Partner die Botschaft, die auf sein Land zutrifft, und wir benennen die Defizite, die in dem jeweiligen Land zu benennen sind.
Simon: Herr Löning, heute bekommt ja die Europäische Union in Oslo den Friedensnobelpreis verliehen. Aus Sicht etwa von Amnesty International, der Menschenrechtsorganisation, ist aber insbesondere die Flüchtlings- und die Asylpolitik der 27 EU-Staaten eines Nobelpreises nicht würdig. Wir erinnern uns: Unwürdige Zustände in Aufnahmelagern in vielen EU-Staaten, wenig Möglichkeiten für legale Einreise, das Auseinanderreißen von Familien durch Teilabschiebung, das kommt ja auch in Deutschland vor. Trotzdem nobelpreiswürdig?
Löning: Ich kann die Kritik von Amnesty nachvollziehen und ich teile sie auch in Teilen. Was wir mit Flüchtlingen machen, das ist der Europäischen Union an vielen Stellen wirklich nicht würdig. Da müssen wir besser werden. Das gilt auch für Deutschland, wenn ich da an Debatten denke, die wir in den letzten Wochen und Monaten hatten wegen ein paar Tausend Leuten, die da gekommen sind. Aber auf der anderen Seite muss man eben auch sehen, dass die Europäische Union das erfolgreichste Projekt zur wirklich dauerhaften Verbesserung von Menschenrechtssituationen ist. Denken Sie an Portugal, Griechenland, Spanien, drei rechte Diktaturen, die Rechtsstaaten sind, die Demokratien sind, und denken Sie an die ganzen Länder Osteuropas, die jetzt seit vielen Jahren die Menschenrechte respektieren, die einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht haben. Gerade wenn man sich mal anschaut, wie es in Polen aussieht, und wenn man das vergleicht mit der Ukraine und Weißrussland, dann weiß man, was die Europäische Union für eine großartige Leistung bei den Menschenrechten erreicht hat.
Simon: Das heißt aber auch, dass Sie vielleicht in Zukunft öfter mal auch intern - Sie sind ja bei der Bundesregierung - darauf hinweisen, was in der deutschen Asyl-, Flüchtlingspolitik vielleicht anders gehandhabt werden könnte?
Löning: Ich habe mich zu den Flüchtlingsfragen immer sehr deutlich geäußert. Ich habe sowohl Flüchtlingslager besucht, aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wir als Deutsche aufgrund unserer Freiheit, aber auch aufgrund unseres Wohlstandes eine moralische Verpflichtung haben, Menschen zu helfen, denen es schlecht geht. Wir können das, wir sollten das machen und wir sollten nicht immer in solche hysterischen Debatten verfallen und Dinge behaupten, die einfach falsch sind. Deutschland kann ohne Probleme ein paar Hundert, ein paar Tausend Leute aufnehmen, das sollten wir auch tun.
Simon: Das war Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung (FDP). Wir haben ihn in Hanoi auf dem Flughafen erreicht, was Sie als Hörer vielleicht auch mitbekommen haben. Herr Löning, vielen Dank, dass Sie trotzdem mit uns gesprochen haben.
Löning: Ja, sehr gerne. Danke!
Simon: Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.