Bevor ein Paketdienstfahrer seine Tour beginnt, erfasst er jede einzelne Sendung mit dem Barcodeleser. Das ist sehr aufwändig. Denn die Pakete müssen alle erst mal so hingelegt werden, dass die Etiketten sichtbar sind. Sollte sich ein Verfahren durchsetzen, das zurzeit an der Universität Duisburg-Essen entwickelt wird, dann könnte dieser Schritt in ein paar Jahren einfacher sein. Der Fahrer könnte sich mit dem Lesegerät vor seinen Paketberg stellen - und mit einem Knopfdruck wären alle Daten erfasst. Denn für die sogenannten chiplosen Funketiketten ist keine optische Verbindung nötig:
"Wir haben das Lesegerät, das eine elektromagnetische Welle aussendet und ständig nachfragt, ob ein Funketikett in der Nähe ist. Und diese Energie wird von dem Funketikett aufgenommen und dann wieder zurückgesendet an das Lesegerät. Und so funktioniert ein Funketikett ohne eine Batterie."
Erklärt der Projektleiter Professor Niels Benson. Das Verfahren heißt Radio Frequency Identification, kurz RFID. Das bedeutet Identifizierung mit elektromagnetischen Wellen. Diese Technik ist nicht neu. Die Duisburger Forscher haben aber flache und kostengünstige Funketiketten hinbekommen. Benson hält ein Etikett in der Hand. Es sieht zunächst aus wie ein ganz normaler Papierstreifen:
"Wenn Sie da jetzt zum Beispiel drüber streichen mit Ihren Fingern, dann merken Sie keine Erhöhung darin."
Erst im Gegenlicht fällt die Antenne zwischen den Papierschichten auf - ein verzweigtes Konstrukt aus hauchdünnen Leiterbahnen. Die Elektronik so herzustellen, dass sie es erlaubt, den Chip einzusparen, war eine große Herausforderung. Dazu haben die Forscher spezielle Silizium-Tinte entwickelt, die sie per Tintenstrahldrucker auf Papier bringen. Mit Lasertechnik lässt sich daraus eine funktionierende Schaltung formen. Als Datenträger dient die Antenne:
"Man würde jetzt auch technisch sagen, dass man gezielt Defekte in die Antennenform einbringt. Dass man die Funketikette dazu bekommt, bei bestimmten Tonlagen nicht zu sprechen. Und die Information, die speichern wir so, dass das Lesegerät jede Etikette bei unterschiedlichen Frequenzen abfragt. Und wenn die Etikette dann bei gewissen Frequenzen nicht antwortet, ist das ein gesetztes Bit oder eine gespeicherte Information."
Noch zu wenige Zahlenkombinationen möglich
Und damit eine eindeutige Identifikation. Der aktuelle Forschungsstand lässt eine Auflösung von zehn Bit zu, was 1024 möglichen Codes entspricht. Für den Paketversand ist das viel zu wenig. Ziel sind mindestens 30 Bit und folglich über eine Milliarde Zahlenkombinationen. Damit lassen sich dann zum Beispiel Pakete registrieren. Außerdem sollen die Funketiketten irgendwann aus bis zu zehn Metern Entfernung lesbar sein. Momentan geht es nur im Abstand von zehn Zentimetern. Und es gibt noch eine weitere Hürde: Die elektromagnetischen Wellen reflektieren nicht nur an der winzigen Antenne:
"Weil einfach die Umgebung die Reflexion der elektromagnetischen Welle zum Beispiel an einer Einkaufstüte das Signal ähnlich beeinflussen kann wie die Funketikette selbst."
Die Duisburger Forscher wollen diesem Problem mit ihrer gedruckten Schaltung und speziellen Lesegeräten begegnen. Deren Produktion übernimmt ein Industriepartner. In einer Firma, die an der Uni gegründet wurde, sollen die Etiketten weiterentwickelt werden. Die Chancen für eine Marktreife stehen gut. Denn auf Europas größter RFID-Messe in Darmstadt interessierten sich im Oktober 2019 viele Unternehmen für die Funketiketten. Paketdienste waren auch dabei. Vielleicht erklingt dort irgendwann tatsächlich dieses Geräusch, bevor die nächste Fuhre ausgeliefert wird.