Ein unspektakulärer Gewerbehof zwischen Kleingärten in der Nähe des Flughafens Berlin-Tegel. Flink rangiert ein LKW-der Fahrer das "Wiesel" genannte Fahrzeug rückwärts, nimmt einen Container huckepack, setzt ihn an anderer Stelle wieder ab. Angrenzend ein unscheinbarer dreistöckiger gelber Klinkerbau – die Zentrale des Familienunternehmens Zeitfracht. Zeitfracht, das sind 935 Lkw, 8 Spezialschiffe, 26 Flugzeuge und seit kurzem die Mondlandefähre Alina.
Das alles gehört einer einzigen Frau, der 37-jährigen Jasmin Schröter. "Genau. Die Anteile liegen zu 100 Prozent bei mir."
Die Betriebswirtin - schmale Figur, kleine Perlenohrringe, schlicht und elegant gekleidet - ist die Großnichte von Firmengründer Walter Schröter. Der Metzgermeister baute 1927 in Stendal, Sachsen-Anhalt, einen Fuhrbetrieb auf. In der DDR enteignet, gründete sein Sohn das Unternehmen in West-Berlin neu, baute später mit Partnern den privaten Paket-Dienst DPD auf. Heute beschäftigt Zeitfracht 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter anderem in Berlin, Münster, Stuttgart, Erfurt, Hamburg und Leipzig. Jahresumsatz: 900 Millionen Euro.
Understatement als Stilprinzip
"Ich bin im elterlichen Familienbetrieb aufgewachsen, hab von der Pieke aus das Handwerk gelernt, und mich dann mit dem Studium weiterentwickelt, in anderen Bereichen weiterqualifiziert, hier in dem Unternehmen gearbeitet, und dann war das so der naheliegende Schritt."
Neben Jasmin Schröter sitzt ihr Ehemann. Wolfram Simon-Schröter, 39 Jahre alt, Geschäftsführer von Zeitfracht.
"Ich bin nur Angestellter, selbstverständlich. Bei meiner eigenen Frau. Und ganz ehrlich: Ich bin damit auch glücklich."
Das nimmt man ihm sofort ab. Es klingt nämlich nicht so, als ob ein PR-Profi diesen Satz mit Wolfram Simon-Schröter geübt hätte.
Understatement – dieser Begriff passt bestens zur Firma Zeitfracht und den beiden Chefs. Die Firmenzentrale kommt ohne eigenen Empfang aus, die Büros sind schlicht und zweckmäßig eingerichtet, auf einen Internetauftritt hat Zeitfracht lange verzichtet. Jasmin und Wolfram Schröter stehen ungern im Rampenlicht, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist Zeitfracht im b2b, also business to business-Geschäft, größer und größer geworden. Das Logistik-Unternehmen liefert keine Päckchen an Endkunden und verkauft auch keine Flugtickets.
Logistik zu Wasser, Land und Luft
"Für uns gibt´s letztlich nur die eine strategische Maxime: Wir kümmern uns um den Bereich Logistik, alles was wir tun, hat damit zu tun. Ad 1. Und Ad 2, dass wir ausschließlich im b2b -Geschäft unterwegs sind, und das wird sich auch künftig nicht ändern."
Logistik zu Wasser, Land und Luft - Zeitfracht vermietet über sein Tochterunternehmen "Luftfahrtgesellschaft Walther" 26 Flugzeuge plus Besatzung. Wet Lease heißt der Fachbegriff in der Branche.
"Wenn Sie zum Beispiel mit der Firma Eurowings fliegen, und Sie fliegen von Düsseldorf nach Stuttgart, dann ist das häufig so, dass dieser Flug durchgeführt wird von der Luftfahrtgesellschaft Walther aus Dortmund. Das fliegen wir dann und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."
Mit Thomas Winkelmann, letzter Air-Berlin-Chef, hat sich Wolfram Simon-Schröter Luftfahrt-Kompetenz und entsprechende Netzwerke eingekauft, um in diesem Bereich weiter wachsen zu können.
Rettung aus der Insolvenz kann sich rechnen
Zeitfracht kauft gerne Unternehmen aus der Insolvenz heraus. So geschehen mit dem großen Buchlogistiker KNV mit Standorten in Erfurt, Leipzig und Stuttgart. Ein Grund dafür: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien besonders motiviert. Geschäftsführer Simon-Schröter:
"Wir haben uns in den letzten Jahren ein Spezialwissen in den Bereichen Re-Strukturierung und Herausführen aus Sondersituationen angeeignet. Und da wir Unternehmen normalerweise kaufen, um sie zu halten, sagen wir, dass das aus substanzieller Sicht ein gutes Geschäftsmodell ist. Also, das Investment, das wir da tätigen, ist langfristiger Natur."
Bei einem weiteren Zukauf aus der Insolvenz heraus spielte auch die Leidenschaft von Geschäftsführer Wolfram Simon-Schröter für die Raumfahrt eine Rolle. PTS - Planetary Transportation Systems: Das sind 60 teils hochspezialisierte Ingenieure und Wissenschaftler in Berlin, die eine Mondlandefähre namens Alina entwickelt haben. In vier Jahren soll die Mondmission starten.
Mondmission: landen, um zu bleiben
"Wir wollen auch die Pioniere sein. Wir wollen das als Erste schaffen."
"Mein Mann ist kein Mondverrückter. Nein, nein. Das ist ein gemeinsames Projekt. Wir haben uns das gemeinsam angesehen und haben dann entschieden, das wir das machen wollen", sagt Inhaberin Jasmin Schröter. Das Projekt sei mehr als ein kostspieliges Hobby. Am Ende werde sich in die Investition in die Mondmission rechnen, ist Ehemann Simon-Schröter überzeugt.
"Wenn Sie die Nachrichtenlage zum 50-jährigen Jubiläum des ersten Menschen auf dem Mond verfolgen, dann werden Sie erkennen, dass der Mensch in den nächsten Jahren zum Mond zurückkehren wird. Mit einem Unterschied: Diesmal wird er dableiben."
Vom Metzger zur Mondmission - die Firmengeschichte von Zeitfracht ist eine höchst ungewöhnliche. Allerdings auch eine höchst erfolgreiche.