Heinlein: Lohn-Dumping, ein hässliches Wort in aller Munde. Es beschreibt ein Phänomen, das auf dem deutschen Arbeitsmarkt immer häufiger anzutreffen ist. Billigkonkurrenz aus Osteuropa macht deutschen Arbeitern das Leben schwer. Vor allem in den Schlachthöfen bangen viele um ihren Job, seit dort Polen oder Tschechen für weniger Euro ihre Arbeitskraft feilbieten. Doch nun scheint die Politik aufgewacht: eine große Koalition gegen Billiglöhne. Regierung und Opposition sind offenbar gewillt, das für die Baubranche geltende Entsendegesetz auch auf andere Branchen auszudehnen. Aber auch die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne ist zumindest nicht völlig vom Tisch, eine Diskussion, die vor allem von Seiten der Union überrascht, denn noch vor Jahresfrist gab es ganz andere Töne bei CDU und CSU. Deshalb möchte ich nun darüber reden mit Gerald Weiß, dem Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft CDA. Guten Morgen!
Weiß: Guten Morgen! Ich grüße Sie, Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Weiß, ist nun auch die Union aufgewacht und überzeugt, ohne neue Gesetze und Regelungen ist dem Lohn-Dumping nicht länger Herr zu werden?
Weiß: Die Frage verstehe ich deshalb nicht ganz, weil die Union, wie eben auch schon von Ihnen erwähnt, es war, die 1996 das Entsendegesetz aufgrund der europäischen Entsenderichtlinie für die Bauwirtschaft geschaffen hat, einfach aus diesen Gründen, die Sie schon dargelegt haben, eben eine schmutzige Konkurrenz bei den Arbeitsbedingungen auf dem Baumarkt zu verhindern. Dass natürlich die alarmierenden Berichte, die wir beispielsweise hören aus dem Fleischereisektor, jetzt dieser Diskussion neuen Auftrieb geben, ist völlig klar, aber im Übrigen wird die Problematik in den Parteien und Fraktionen natürlich die ganze Zeit diskutiert. Die Bundesregierung hat allerdings vor wenigen Monaten noch gesagt, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Also wenn es ein Vorwurf war, der in Ihrer Frage drin steckte, dann muss er eigentlich an alle gehen.
Heinlein: Bekommt man denn mit der Erweiterung des Entsendegesetzes das Problem der Scheinselbständigkeit von Arbeitern vor allem in der Fleischindustrie in den Griff? Ist das der richtige Weg? Sind Sie davon überzeugt?
Weiß: Es gibt ganz vielfältige Ursachen dieses Lohn-Dumpings. Entsprechend differenziert muss die Strategie sein, dieses Lohn-Dumping anzugehen. Auf dem Fleischereimarkt, den Sie erwähnen, ist es weniger ein Problem der abhängig Beschäftigten, die zu unzureichenden Arbeitsbedingungen hier beschäftigt werden, eingeschleust werden, sondern das ist einfach der illegale Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit, die hier im Grunde umgangen wird. Hier werden Scheinselbständige ins Land geschleust, die in Wahrheit Arbeitnehmer sind, die zu völlig unzumutbaren Arbeitsbedingungen hier deutschen Arbeitnehmern konkurrieren und beschäftigt werden. Also das ist im Grunde ein ganz anderes Problem und kann folglich mit dem Lösungsansatz, den Sie erwähnt haben, dem Entsendegesetz, natürlich allein nicht angegangen werden.
Heinlein: Was muss darüber hinaus gemacht werden?
Weiß: Also man muss sich schon mit den Ursachen im Einzelnen beschäftigen, hier zum Beispiel schlichtweg verhindern, dass die Dienstleistungsfreiheit, für die man leider gegenüber den neuen EU-Staaten keine Übergangszeiten vereinbart hat, missbraucht wird. Da hat die Bundesregierung und ihre Partnerregierungen in der Europäischen Union miserabel verhandelt. Man hätte, ähnlich wie man es für die Arbeitnehmer ausgehandelt hat, Übergangsfristen zu machen, auch bei der Dienstleistungsfreiheit Übergangsfristen machen müssen. Man hat dies nicht getan und dann wird diese Dienstleistungsfreiheit, die jetzt schon existiert, in Wahrheit benutzt, um Arbeitnehmer hier zu Dumping-Lohn-Bedingungen einzuschleusen. Das muss man verhindern! Dazu gibt es eigentlich die vorhandenen rechtlichen Instrumente bereits.
Zweitens hat die Bundesregierung völlig unverständlich weitere Werksvertragskontingente vergeben, gerade in der Bauwirtschaft, gerade gegenüber Polen. Es sind weit über 20.000 Polen über Werksverträge zusätzlich ins Land gekommen, obwohl immer mehr deutsche Bauarbeiter arbeitslos werden. Deshalb muss die Forderung sein, keine weiteren Werksvertragskontingente mehr zu erlauben. Das ist ein zweiter Baustein.
Heinlein: Ist das also eine Regelung, die auf europäischer Ebene getroffen werden muss?
Weiß: Das, was ich eben sagte, kann alles im nationalen Rahmen gemacht werden. Das Europarecht, also die Richtlinie, die Entsenderichtlinie, kann Grundlage sein, das Entsendegesetz, das man 1996 für die Bauwirtschaft gemacht hat, auch für andere Wirtschaftszweige zu machen. Das ist prüfenswert. Das kann einen Lösungsbeitrag leisten. Allerdings ist es nicht der Zauberstab – das muss man wissen -, um alle skizzierten Probleme lösen zu können.
Heinlein: Ist denn die Union bereit, konstruktiv gemeinsam mit der Regierung diese von Ihnen skizzierten Maßnahmen festzulegen, um dieses Lohn-Dumping künftig wirksamer zu verhindern? Braucht es diese Art große Koalition?
Weiß: Dass CDU und CSU bereit sind, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, ist ja deutlich geworden durch die Äußerung von Frau Merkel und Herrn Stoiber, auch gestern Herrn Koch. Alles was hier weiterhelfen kann, werden wir ernsthaft prüfen und mitmachen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge und sie muss mal einen Überblick geben über das quantitative Ausmaß der Problematik in den verschiedenen Branchen, aber auch differenziert nach den Ursachen. Also es hilft nichts, monokausal auf eine Ursache hin das Problem abzuklopfen. Es sind ganz vielfältige Ursachen und die müssen auch vielfältig angegangen werden.
Heinlein: Sie haben den Überblick über diese Probleme nicht?
Weiß: Es gibt einzelne punktuelle alarmierende Berichte. Nehmen wir wieder das Beispiel aus der Fleischereiwirtschaft, wo 26.000 deutsche Fleischer ihren Arbeitsplatz verloren haben, die von polnischen Arbeitnehmern unter zum Teil elenden Arbeitsbedingungen eingenommen wurden. Auch aus anderen Branchen gibt es Besorgniserregendes zu hören. Aber das zuständige Ministerium muss jetzt mal einen Überblick über das Ausmaß der Problematik quer über die Wirtschaft in allen einschlägigen Branchen geben. Dann müssen wir die Folgerungen aber rasch diskutieren.
Heinlein: Braucht es auch die Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne? In dieser Frage scheint die Linie der Union ja nicht ganz einheitlich.
Weiß: Die Frage ist noch mal ganz gründlich in den Parteigremien beispielsweise bei der CDU und den Fraktionsgremien diskutiert worden und die Linie ist Nein zu gesetzlichen staatlichen Mindestlöhnen. Das ist auch wohl begründet, denn wir haben eine gute Tradition, dass Löhne und die übrigen Arbeitsbedingungen eben im Wesentlichen von den Tarifparteien entwickelt werden, ganz praxisnah, branchendifferenziert unter regionalen Gesichtspunkten, und dass der Staat sich da raushalten soll. Wenn man die internationalen Erfahrungen sieht, muss man auch sagen, dass gesetzliche Mindestlöhne schon ihre Problematik haben. Zu diesem Weg sagen wir Nein. Den Weg über die Entsenderichtlinie, über ein zu erweiterndes deutsches Entsendegesetz zu reden, diese Bereitschaft haben wir ja bereits erklärt.
Heinlein: Allerdings die Wirtschaft, wenn man Sie richtig versteht, ist ja nicht nur gegen die Festlegung von Mindestlöhnen. Sie lehnt ja auch rundweg eine Ausweitung des Entsendegesetzes ab. Warum ignoriert die Union diese Kritik aus der Wirtschaft, denn diese Stimmen sind ja traditionell Ihrer Partei sehr wichtig?
Weiß: Die Stimmen sind ja differenziert. Beispielsweise aus dem Handwerk, aus den betroffenen Handwerksbranchen, wo der Existenzkamp unter diesen Dumping-Lohn-Bedingungen momentan besonders hart geworden ist, da hört man ja ganz andere Stimmen als von den Spitzenverbänden der Industrie beispielsweise. Also man muss auch hier differenzieren und muss sich mit den Argumenten auseinandersetzen, die ja auch erörterungswert sind. Nur wenn ich den Weg über die Entsenderichtlinie, ein Entsendegesetz gehe, weiß ich doch, dass die Tarifvertragsparteien, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eingebunden sind. Sie haben ja einen Vertrag gemacht, der für allgemeinverbindlich erklärt werden soll für alle Innländer und Ausländer. Da steckt eben das abwägende Urteil der Arbeitgeber mit drin. Deshalb ist mir das doch lieber, als wenn der Staat den Lohn festsetzt. Insoweit verstehe ich die Kritik zum Teil nicht, denn die Löhne werden ja so festgesetzt, dass sie einerseits anständig sind, anständiges Geld für anständige Arbeit darstellen, existenzsicherndes Einkommen gewährleisten, auf der anderen Seite aber den Produktivitätsverhältnissen der Wettbewerbssituation der Wirtschaft doch angemessen sind.
Heinlein: Herr Weiß, ganz kurz noch! Bleiben wir bei dem Beispiel Schlachthöfe, das Sie jetzt mehrfach genannt haben. Da sagt die Wirtschaft, dass man einfach abwandert ins Ausland und also das deutsche Schlachtvieh nach Polen transferiert, um das dann wieder zurück nach Deutschland zu exportieren. Die Arbeitsplätze wandern also ab. Das ist die Hauptkritik am Entsendegesetz.
Weiß: Das halte ich für dramatischer dargestellt, als es dann sein würde, denn man muss die ganzen Logistikkosten dann in Rechnung stellen. Im Wesentlichen sind die Produktionen, von denen wir reden, wo die Dumping-Lohn-Problematik wirklich eine ernste heute ist, ortsgebundene Produktionen. Insoweit glaube ich, dass es sich mehr um eine Drohung handelt und dass die Produktion doch im Wesentlichen ortsgebunden bliebe. Es geht darum, gleichen Lohn, gleiche Arbeitsbedingungen am gleichen Ort durchzusetzen. Da würde das Instrument Entsenderichtlinie zumindest eine Grundlage bieten, in diesem Sinne ordnend tätig zu sein.
Heinlein: Der CDA-Vorsitzende Gerald Weiß heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!
Weiß: Ich danke Ihnen!
Weiß: Guten Morgen! Ich grüße Sie, Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Weiß, ist nun auch die Union aufgewacht und überzeugt, ohne neue Gesetze und Regelungen ist dem Lohn-Dumping nicht länger Herr zu werden?
Weiß: Die Frage verstehe ich deshalb nicht ganz, weil die Union, wie eben auch schon von Ihnen erwähnt, es war, die 1996 das Entsendegesetz aufgrund der europäischen Entsenderichtlinie für die Bauwirtschaft geschaffen hat, einfach aus diesen Gründen, die Sie schon dargelegt haben, eben eine schmutzige Konkurrenz bei den Arbeitsbedingungen auf dem Baumarkt zu verhindern. Dass natürlich die alarmierenden Berichte, die wir beispielsweise hören aus dem Fleischereisektor, jetzt dieser Diskussion neuen Auftrieb geben, ist völlig klar, aber im Übrigen wird die Problematik in den Parteien und Fraktionen natürlich die ganze Zeit diskutiert. Die Bundesregierung hat allerdings vor wenigen Monaten noch gesagt, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Also wenn es ein Vorwurf war, der in Ihrer Frage drin steckte, dann muss er eigentlich an alle gehen.
Heinlein: Bekommt man denn mit der Erweiterung des Entsendegesetzes das Problem der Scheinselbständigkeit von Arbeitern vor allem in der Fleischindustrie in den Griff? Ist das der richtige Weg? Sind Sie davon überzeugt?
Weiß: Es gibt ganz vielfältige Ursachen dieses Lohn-Dumpings. Entsprechend differenziert muss die Strategie sein, dieses Lohn-Dumping anzugehen. Auf dem Fleischereimarkt, den Sie erwähnen, ist es weniger ein Problem der abhängig Beschäftigten, die zu unzureichenden Arbeitsbedingungen hier beschäftigt werden, eingeschleust werden, sondern das ist einfach der illegale Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit, die hier im Grunde umgangen wird. Hier werden Scheinselbständige ins Land geschleust, die in Wahrheit Arbeitnehmer sind, die zu völlig unzumutbaren Arbeitsbedingungen hier deutschen Arbeitnehmern konkurrieren und beschäftigt werden. Also das ist im Grunde ein ganz anderes Problem und kann folglich mit dem Lösungsansatz, den Sie erwähnt haben, dem Entsendegesetz, natürlich allein nicht angegangen werden.
Heinlein: Was muss darüber hinaus gemacht werden?
Weiß: Also man muss sich schon mit den Ursachen im Einzelnen beschäftigen, hier zum Beispiel schlichtweg verhindern, dass die Dienstleistungsfreiheit, für die man leider gegenüber den neuen EU-Staaten keine Übergangszeiten vereinbart hat, missbraucht wird. Da hat die Bundesregierung und ihre Partnerregierungen in der Europäischen Union miserabel verhandelt. Man hätte, ähnlich wie man es für die Arbeitnehmer ausgehandelt hat, Übergangsfristen zu machen, auch bei der Dienstleistungsfreiheit Übergangsfristen machen müssen. Man hat dies nicht getan und dann wird diese Dienstleistungsfreiheit, die jetzt schon existiert, in Wahrheit benutzt, um Arbeitnehmer hier zu Dumping-Lohn-Bedingungen einzuschleusen. Das muss man verhindern! Dazu gibt es eigentlich die vorhandenen rechtlichen Instrumente bereits.
Zweitens hat die Bundesregierung völlig unverständlich weitere Werksvertragskontingente vergeben, gerade in der Bauwirtschaft, gerade gegenüber Polen. Es sind weit über 20.000 Polen über Werksverträge zusätzlich ins Land gekommen, obwohl immer mehr deutsche Bauarbeiter arbeitslos werden. Deshalb muss die Forderung sein, keine weiteren Werksvertragskontingente mehr zu erlauben. Das ist ein zweiter Baustein.
Heinlein: Ist das also eine Regelung, die auf europäischer Ebene getroffen werden muss?
Weiß: Das, was ich eben sagte, kann alles im nationalen Rahmen gemacht werden. Das Europarecht, also die Richtlinie, die Entsenderichtlinie, kann Grundlage sein, das Entsendegesetz, das man 1996 für die Bauwirtschaft gemacht hat, auch für andere Wirtschaftszweige zu machen. Das ist prüfenswert. Das kann einen Lösungsbeitrag leisten. Allerdings ist es nicht der Zauberstab – das muss man wissen -, um alle skizzierten Probleme lösen zu können.
Heinlein: Ist denn die Union bereit, konstruktiv gemeinsam mit der Regierung diese von Ihnen skizzierten Maßnahmen festzulegen, um dieses Lohn-Dumping künftig wirksamer zu verhindern? Braucht es diese Art große Koalition?
Weiß: Dass CDU und CSU bereit sind, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, ist ja deutlich geworden durch die Äußerung von Frau Merkel und Herrn Stoiber, auch gestern Herrn Koch. Alles was hier weiterhelfen kann, werden wir ernsthaft prüfen und mitmachen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge und sie muss mal einen Überblick geben über das quantitative Ausmaß der Problematik in den verschiedenen Branchen, aber auch differenziert nach den Ursachen. Also es hilft nichts, monokausal auf eine Ursache hin das Problem abzuklopfen. Es sind ganz vielfältige Ursachen und die müssen auch vielfältig angegangen werden.
Heinlein: Sie haben den Überblick über diese Probleme nicht?
Weiß: Es gibt einzelne punktuelle alarmierende Berichte. Nehmen wir wieder das Beispiel aus der Fleischereiwirtschaft, wo 26.000 deutsche Fleischer ihren Arbeitsplatz verloren haben, die von polnischen Arbeitnehmern unter zum Teil elenden Arbeitsbedingungen eingenommen wurden. Auch aus anderen Branchen gibt es Besorgniserregendes zu hören. Aber das zuständige Ministerium muss jetzt mal einen Überblick über das Ausmaß der Problematik quer über die Wirtschaft in allen einschlägigen Branchen geben. Dann müssen wir die Folgerungen aber rasch diskutieren.
Heinlein: Braucht es auch die Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne? In dieser Frage scheint die Linie der Union ja nicht ganz einheitlich.
Weiß: Die Frage ist noch mal ganz gründlich in den Parteigremien beispielsweise bei der CDU und den Fraktionsgremien diskutiert worden und die Linie ist Nein zu gesetzlichen staatlichen Mindestlöhnen. Das ist auch wohl begründet, denn wir haben eine gute Tradition, dass Löhne und die übrigen Arbeitsbedingungen eben im Wesentlichen von den Tarifparteien entwickelt werden, ganz praxisnah, branchendifferenziert unter regionalen Gesichtspunkten, und dass der Staat sich da raushalten soll. Wenn man die internationalen Erfahrungen sieht, muss man auch sagen, dass gesetzliche Mindestlöhne schon ihre Problematik haben. Zu diesem Weg sagen wir Nein. Den Weg über die Entsenderichtlinie, über ein zu erweiterndes deutsches Entsendegesetz zu reden, diese Bereitschaft haben wir ja bereits erklärt.
Heinlein: Allerdings die Wirtschaft, wenn man Sie richtig versteht, ist ja nicht nur gegen die Festlegung von Mindestlöhnen. Sie lehnt ja auch rundweg eine Ausweitung des Entsendegesetzes ab. Warum ignoriert die Union diese Kritik aus der Wirtschaft, denn diese Stimmen sind ja traditionell Ihrer Partei sehr wichtig?
Weiß: Die Stimmen sind ja differenziert. Beispielsweise aus dem Handwerk, aus den betroffenen Handwerksbranchen, wo der Existenzkamp unter diesen Dumping-Lohn-Bedingungen momentan besonders hart geworden ist, da hört man ja ganz andere Stimmen als von den Spitzenverbänden der Industrie beispielsweise. Also man muss auch hier differenzieren und muss sich mit den Argumenten auseinandersetzen, die ja auch erörterungswert sind. Nur wenn ich den Weg über die Entsenderichtlinie, ein Entsendegesetz gehe, weiß ich doch, dass die Tarifvertragsparteien, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eingebunden sind. Sie haben ja einen Vertrag gemacht, der für allgemeinverbindlich erklärt werden soll für alle Innländer und Ausländer. Da steckt eben das abwägende Urteil der Arbeitgeber mit drin. Deshalb ist mir das doch lieber, als wenn der Staat den Lohn festsetzt. Insoweit verstehe ich die Kritik zum Teil nicht, denn die Löhne werden ja so festgesetzt, dass sie einerseits anständig sind, anständiges Geld für anständige Arbeit darstellen, existenzsicherndes Einkommen gewährleisten, auf der anderen Seite aber den Produktivitätsverhältnissen der Wettbewerbssituation der Wirtschaft doch angemessen sind.
Heinlein: Herr Weiß, ganz kurz noch! Bleiben wir bei dem Beispiel Schlachthöfe, das Sie jetzt mehrfach genannt haben. Da sagt die Wirtschaft, dass man einfach abwandert ins Ausland und also das deutsche Schlachtvieh nach Polen transferiert, um das dann wieder zurück nach Deutschland zu exportieren. Die Arbeitsplätze wandern also ab. Das ist die Hauptkritik am Entsendegesetz.
Weiß: Das halte ich für dramatischer dargestellt, als es dann sein würde, denn man muss die ganzen Logistikkosten dann in Rechnung stellen. Im Wesentlichen sind die Produktionen, von denen wir reden, wo die Dumping-Lohn-Problematik wirklich eine ernste heute ist, ortsgebundene Produktionen. Insoweit glaube ich, dass es sich mehr um eine Drohung handelt und dass die Produktion doch im Wesentlichen ortsgebunden bliebe. Es geht darum, gleichen Lohn, gleiche Arbeitsbedingungen am gleichen Ort durchzusetzen. Da würde das Instrument Entsenderichtlinie zumindest eine Grundlage bieten, in diesem Sinne ordnend tätig zu sein.
Heinlein: Der CDA-Vorsitzende Gerald Weiß heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!
Weiß: Ich danke Ihnen!