Elif Şenel: Jörg Mährle ist Gewerkschaftssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Köln. Wir haben gerade das Beispiel von einem VWL-Studenten aus Köln gehört, der in einem Start-up-Unternehmen arbeitet, Geschäftskunden betreut, Erfahrungen sammelt und vielleicht sogar später Aussichten auf einen Job hat. Was stimmt denn daran nicht, Herr Mährle?
Jörg Mährle: Also es stimmt erst mal, dass er sicherlich Erfahrungen sammeln wird und durch sein Praktikum sicherlich später auch bessere Chancen auf einen Job hat. Was allerdings nicht stimmt, ist meiner Meinung nach der Trend, den ich die ganze Zeit schon sehe, dass Unternehmen immer verstärkt auf prekäre Beschäftigungen setzen, und das ist kein Phänomen, das jetzt nur mit der Wirtschaftskrise zusammenhängt, sondern im Prinzip schon ein Phänomen, das wir über die letzten Jahre beobachten konnten. Beispielsweise bei den Mini-Jobbern haben wir schon eine Steigerung seit 2003, wo Mini-Jobber reguläre Beschäftigung wirklich verdrängt haben, beispielsweise im Einzelhandel, beispielsweise im Gastgewerbe.
Şenel: Das Unternehmen, von dem wir jetzt gehört haben, das hat sich ja explizit an eine studentische Jobvermittlung gewendet, also die wollten spezifisch Studenten haben für diese Arbeit, weil sie eben auch keine Leute einstellen wollten. Hat denn diese Herangehensweise der Unternehmen, sich auf die Studenten zu fixieren oder die besonders herauszuholen, hat das jetzt irgendwie Hochkonjunktur, kann man das so sagen?
Mährle: Es ist im Moment schwer, da mit Zahlen irgendeine Tendenz zu belegen. Also die Zahlen, die jetzt gerade in der Presse rumgeistern, das ist eine Befragung eines Kölner Unternehmens, das ist sicherlich nicht repräsentativ. Eins ist klar: Studenten sind mehr und mehr gezwungen, Jobs neben dem Studium auszuüben, auch wegen der Studiengebühren. Die Zahl der Studenten, die arbeiten, steigt seit Einführung der Studiengebühren kontinuierlich an, in NRW, aber auch bundesweit.
Auf der anderen Seite kann ich dem Argument des Geschäftsführers da nicht folgen. Er sagt, er hat Wachstum, er braucht dringend Arbeitskräfte und schafft dann keine normalen versicherungspflichtigen Arbeitsplätze, sondern eigentlich wieder prekäre Beschäftigung. Und das halte ich nicht für korrekt, weil ich da den Eindruck habe, es geht ihm eigentlich nur um den Gewinn, und das hat der ja ganz genau beziffert, nämlich mit 20.000 bis 35.000 Euro, die er im Prinzip spart, wenn er billige Arbeitskräfte hat. Und da sehe ich einfach nicht, dass er den Wert von Arbeit richtig einschätzt. Genauso wie der zitierte Student, der eigentlich sich, meiner Meinung nach, unter Wert verkauft.
Şenel: Die arbeiten ja immerhin dort bis zu 20 Stunden, das ist ja eigentlich ein überschaubarer Rahmen, möchte man sagen?
Mährle: Es kommt drauf an, es gibt ja ganz viele Beschäftigungsformen für Studierende. Diese normale studentische Beschäftigung, da gibt es diese Befristung von 20 Stunden, da ist das Gehalt auch frei verhandelbar, sofern es keine Tarifverträge gibt. Es gibt 400-Euro-Jobs, und da ist natürlich die Gefahr, dass auch Studenten 40 Stunden arbeiten können pro Woche, aber 400 Euro im Monat bekommen. Da muss man schon unterscheiden, welche Form von Beschäftigung da gefunden wurde.
Şenel: Was bedeutet das denn für den Arbeitsmarkt?
Mährle: Ich sehe da eine Abwärtsspirale, eine Abwärtsspirale insofern, dass natürlich Menschen, die bereit sind, zu jedem Preis zu arbeiten, letztlich Druck auf alle anderen Arbeitsplätze ausüben. Und das, was der Student gerade gesagt hat, er sieht eine Win-Win-Situation und spätere gute Entlohnung in dem Unternehmen, das sehe ich eben nicht so, weil er natürlich jetzt bereit ist, für sehr wenig Geld wahrscheinlich eine qualifizierte Arbeit zu tun.
Şenel: Aber wenn er dann später nicht mehr studiert, wird er sicherlich mehr Geld verlangen.
Mährle: Ja, aber letztlich hat natürlich sein Verhalten auch Auswirkungen darauf, wie das Lohnniveau in diesem Unternehmen ist, weil der Unternehmer natürlich immer wieder drohen kann, wenn du für das Geld nicht arbeitest, hole ich mir Studenten.
Şenel: Es ist ja aber auch immer wieder eine Zwickmühle. Man kann ja natürlich nicht von Anfang an sagen, jedes Unternehmen, was Studenten beschäftigt, ist per se darauf aus, die Leute auszubeuten. Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass die Studenten gerne arbeiten möchten, wie in diesem Falle.
Was kann man als Student tun, wenn man in so einer Situation ist, arbeitet und merkt, die Situation beginnt zu kippen, also es bleibt jetzt nicht mehr bei diesen 20 Stunden die Woche, sondern es wird vielleicht auch mehr?
Mährle: Die Frage ist natürlich, ob jetzt Unternehmen - und da muss man sich wirklich jeden Einzelfall anschauen - billige Arbeitskräfte suchen, obwohl sie sich vernünftige Vollzeitbeschäftigte leisten könnten oder auch Studenten vernünftig bezahlen könnten.
Şenel: Was können denn Studenten in so einer Situation tun, um das abzuwägen?
Mährle: Also eins ist natürlich klar: Wenn es im Betrieb Mitbestimmung gibt, Betriebsräte gibt, dann sind die natürlich guter Ansprechpartner. Die sorgen natürlich in der Regel auch dafür, dass das nicht überhand nimmt, dass Studenten vernünftig beschäftigt werden, dass die Arbeitskonditionen einfach stimmen.
Wo wir einfach Probleme haben, ist in den Branchen beziehungsweise in den Betrieben - und das sind ja meistens kleinere Betriebe, das ist auch häufig diese EDV-Branche -, wo es keine Mitbestimmung gibt und wo es einfach nicht dieses Korrektiv gibt. Da kann ich dann eben nur sagen, es gibt beispielsweise beim DGB ein Internetportal "students at work", an das können sich Studierende wenden. Wenn sie Probleme im Unternehmen haben, wenn sie Probleme mit ihrem Arbeitgeber haben, wenn sie Fragen, rechtliche Fragen haben zur Beschäftigung insgesamt, dann werden die dort in einem Onlineforum beantwortet.
Şenel: In vielen Betrieben werden Studierende als Ersatz für reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund aus Köln war das Jörg Mährle. Danke für das Gespräch!
Mährle: Ja, bitte!
Jörg Mährle: Also es stimmt erst mal, dass er sicherlich Erfahrungen sammeln wird und durch sein Praktikum sicherlich später auch bessere Chancen auf einen Job hat. Was allerdings nicht stimmt, ist meiner Meinung nach der Trend, den ich die ganze Zeit schon sehe, dass Unternehmen immer verstärkt auf prekäre Beschäftigungen setzen, und das ist kein Phänomen, das jetzt nur mit der Wirtschaftskrise zusammenhängt, sondern im Prinzip schon ein Phänomen, das wir über die letzten Jahre beobachten konnten. Beispielsweise bei den Mini-Jobbern haben wir schon eine Steigerung seit 2003, wo Mini-Jobber reguläre Beschäftigung wirklich verdrängt haben, beispielsweise im Einzelhandel, beispielsweise im Gastgewerbe.
Şenel: Das Unternehmen, von dem wir jetzt gehört haben, das hat sich ja explizit an eine studentische Jobvermittlung gewendet, also die wollten spezifisch Studenten haben für diese Arbeit, weil sie eben auch keine Leute einstellen wollten. Hat denn diese Herangehensweise der Unternehmen, sich auf die Studenten zu fixieren oder die besonders herauszuholen, hat das jetzt irgendwie Hochkonjunktur, kann man das so sagen?
Mährle: Es ist im Moment schwer, da mit Zahlen irgendeine Tendenz zu belegen. Also die Zahlen, die jetzt gerade in der Presse rumgeistern, das ist eine Befragung eines Kölner Unternehmens, das ist sicherlich nicht repräsentativ. Eins ist klar: Studenten sind mehr und mehr gezwungen, Jobs neben dem Studium auszuüben, auch wegen der Studiengebühren. Die Zahl der Studenten, die arbeiten, steigt seit Einführung der Studiengebühren kontinuierlich an, in NRW, aber auch bundesweit.
Auf der anderen Seite kann ich dem Argument des Geschäftsführers da nicht folgen. Er sagt, er hat Wachstum, er braucht dringend Arbeitskräfte und schafft dann keine normalen versicherungspflichtigen Arbeitsplätze, sondern eigentlich wieder prekäre Beschäftigung. Und das halte ich nicht für korrekt, weil ich da den Eindruck habe, es geht ihm eigentlich nur um den Gewinn, und das hat der ja ganz genau beziffert, nämlich mit 20.000 bis 35.000 Euro, die er im Prinzip spart, wenn er billige Arbeitskräfte hat. Und da sehe ich einfach nicht, dass er den Wert von Arbeit richtig einschätzt. Genauso wie der zitierte Student, der eigentlich sich, meiner Meinung nach, unter Wert verkauft.
Şenel: Die arbeiten ja immerhin dort bis zu 20 Stunden, das ist ja eigentlich ein überschaubarer Rahmen, möchte man sagen?
Mährle: Es kommt drauf an, es gibt ja ganz viele Beschäftigungsformen für Studierende. Diese normale studentische Beschäftigung, da gibt es diese Befristung von 20 Stunden, da ist das Gehalt auch frei verhandelbar, sofern es keine Tarifverträge gibt. Es gibt 400-Euro-Jobs, und da ist natürlich die Gefahr, dass auch Studenten 40 Stunden arbeiten können pro Woche, aber 400 Euro im Monat bekommen. Da muss man schon unterscheiden, welche Form von Beschäftigung da gefunden wurde.
Şenel: Was bedeutet das denn für den Arbeitsmarkt?
Mährle: Ich sehe da eine Abwärtsspirale, eine Abwärtsspirale insofern, dass natürlich Menschen, die bereit sind, zu jedem Preis zu arbeiten, letztlich Druck auf alle anderen Arbeitsplätze ausüben. Und das, was der Student gerade gesagt hat, er sieht eine Win-Win-Situation und spätere gute Entlohnung in dem Unternehmen, das sehe ich eben nicht so, weil er natürlich jetzt bereit ist, für sehr wenig Geld wahrscheinlich eine qualifizierte Arbeit zu tun.
Şenel: Aber wenn er dann später nicht mehr studiert, wird er sicherlich mehr Geld verlangen.
Mährle: Ja, aber letztlich hat natürlich sein Verhalten auch Auswirkungen darauf, wie das Lohnniveau in diesem Unternehmen ist, weil der Unternehmer natürlich immer wieder drohen kann, wenn du für das Geld nicht arbeitest, hole ich mir Studenten.
Şenel: Es ist ja aber auch immer wieder eine Zwickmühle. Man kann ja natürlich nicht von Anfang an sagen, jedes Unternehmen, was Studenten beschäftigt, ist per se darauf aus, die Leute auszubeuten. Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass die Studenten gerne arbeiten möchten, wie in diesem Falle.
Was kann man als Student tun, wenn man in so einer Situation ist, arbeitet und merkt, die Situation beginnt zu kippen, also es bleibt jetzt nicht mehr bei diesen 20 Stunden die Woche, sondern es wird vielleicht auch mehr?
Mährle: Die Frage ist natürlich, ob jetzt Unternehmen - und da muss man sich wirklich jeden Einzelfall anschauen - billige Arbeitskräfte suchen, obwohl sie sich vernünftige Vollzeitbeschäftigte leisten könnten oder auch Studenten vernünftig bezahlen könnten.
Şenel: Was können denn Studenten in so einer Situation tun, um das abzuwägen?
Mährle: Also eins ist natürlich klar: Wenn es im Betrieb Mitbestimmung gibt, Betriebsräte gibt, dann sind die natürlich guter Ansprechpartner. Die sorgen natürlich in der Regel auch dafür, dass das nicht überhand nimmt, dass Studenten vernünftig beschäftigt werden, dass die Arbeitskonditionen einfach stimmen.
Wo wir einfach Probleme haben, ist in den Branchen beziehungsweise in den Betrieben - und das sind ja meistens kleinere Betriebe, das ist auch häufig diese EDV-Branche -, wo es keine Mitbestimmung gibt und wo es einfach nicht dieses Korrektiv gibt. Da kann ich dann eben nur sagen, es gibt beispielsweise beim DGB ein Internetportal "students at work", an das können sich Studierende wenden. Wenn sie Probleme im Unternehmen haben, wenn sie Probleme mit ihrem Arbeitgeber haben, wenn sie Fragen, rechtliche Fragen haben zur Beschäftigung insgesamt, dann werden die dort in einem Onlineforum beantwortet.
Şenel: In vielen Betrieben werden Studierende als Ersatz für reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund aus Köln war das Jörg Mährle. Danke für das Gespräch!
Mährle: Ja, bitte!