Louise Gerken ist viel rumgekommen. Fünf Jahre hat sie mit ihrem schwedischen Freund und den zwei Kindern im Ausland gelebt. Seit 2016 wohnt die Familie in einer Kleinstadt nahe Neumünster. Die 44-Jährige hat vor allem einen Wunsch:
"Ich arbeite gerne, ich möchte nicht auf eine Mutterpersönlichkeit reduziert – also, ich liebe meine Kinder, ich mach‘ das gerne aber ich bin auch noch was anderes. Und ich bin gut ausgebildet und ich würde das auch gerne anwenden."
Die Wohnortwahl war eine bewusste Entscheidung, sagt Gerken, die in Wirklichkeit anders heißt. Die Mieten seien hier niedriger zudem habe sie mehrere Verwandte und Freunde in der Nähe. Ein Netzwerk ist wichtig auf dem Land weiß sie. Doch die gebürtige Schleswig-Holsteinerin merkt auch: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in Deutschland kompliziert. Erst recht auf dem Land. Alle Bewerbungen für eine feste Stelle waren bisher erfolglos.
"Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen ist relativ anstrengend und es erfordert ein riesiges Maß an Organisation. Das sind teilweise zwei Vollzeitjobs, die man dann macht."
Für eine Ganztagsbetreuung fehlt das Geld
Sieben Jahre lang hat Gerken als Lehrerin an einer Berufsschule gearbeitet. Doch die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen setzte ihr immer stärker zu. Am Ende kündigte sie ihre verbeamtete Stelle und zog zu ihrem Freund nach Schweden. Das Land ist äußerst familienfreundlich, merkte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes.
Doch als IT-Berater war ihr Lebenspartner oft auf Dienstreise. Das sei bis heute ein Streitthema, sagt Louise Gerken. Der Dienstradius ihres Freundes erstrecke sich "vom Nordkap bis Stuttgart" wie Gerken sagt.
"Also, selbst als emanzipierter Schwede ist ein Mann immer noch ein Mann, der die Sachen ganz anders erlebt. Und wenn wir Frauen uns vorarbeiten, müssen die Männer auch ein Stück ihr Leben umstellen. Und das fällt dem einen leichter und dem anderen eben nicht." (ab 12:55)
Zwei Wochen pro Monat bleibe sie im Schnitt alleine mit den Kindern. Zehn Stunden die Woche arbeitet sie als freie Übersetzerin, doch das Gehalt ist nicht regelmäßig. Und niedrig…
"Der Vorteil am Freiberuflichen ist ja, dass man keine Sozialabgaben zahlt. Also, alles was Altersversorgung angeht, das habe ich von mir geschoben. Da denke ich gar nicht drüber nach. Ich brauch‘ das Geld, was ich jetzt verdiene, das verbrauch’ ich jetzt auch. Gut, die Krankenkasse zahle ich davon. Aber alles andere…"
"Würden Sie sagen, Sie verdrängen es?"
"Ja."
Immerhin: In der Nähe gibt es einen Kindergarten, der eine Ganztagsbetreuung von 8 bis 17 Uhr anbieten. Das ist auf dem Land alles andere als selbstverständlich. Doch nicht nur ihr, sondern auch das Einkommen ihres Freundes schwanke. In manchen Monaten müsse die Familie sparen, um alle Rechnungen bezahlen zu können. Für eine Ganztagsbetreuung fehlt das Geld. Doch das wäre Voraussetzung dafür, dass die 44-Jährige endlich wieder ernsthaft Zeit für die Jobsuche hätte. Und in Zukunft 30 Stunden die Woche arbeiten könnte. Das wäre ihr Traum.
In der Stadtbücherei von Heide sitzen rund 20 Frauen und ein Mann in mehreren Stuhlreihen. Und hören Freya Matthießen zu.
Equal Pay Beraterinnen sind ein Projekt des Deutschen Landfrauenverbands
"Und was man auch wissen muss: Hier in Deutschland gilt man nach vier Jahren, die man vom Arbeitsmarkt weg ist als ungelernte Kraft. Ungelernt! Das heißt: Als wenn ich überhaupt keine Ausbildung hab‘!"
Die 57-Jährige arbeitet hauptberuflich bei der Industrie- und Handelskammer in Kiel. Seit mehreren Jahren ist sie daneben aber auch immer wieder im Land unterwegs als Equal Pay Beraterin. Ihr Ziel: Die Frauen wachrütteln. Davor, dass sie schnell in eine finanzielle Falle tappen können und durch Arbeit in Teilzeit oder Minijobs die Altersarmut sehr wahrscheinlich wird…
"Wenn das so ganz brav erzählt wird, ich glaube, das bringt gar nichts. Man muss auch `n bisschen aufgeschreckt werden mit einem Gefühl, ja, ich muss aufpassen, ich muss was tun, Und ich kann auch was tun – das ist schon mein Ansinnen."
Die Equal Pay Beraterinnen sind ein Projekt des Deutschen Landfrauenverbands. Der vertritt bundesweit die Interessen von rund 500.000 Frauen im ländlichen Raum. Clara Billen ist beim Landfrauenverband für die Ausbildung der Equal Pay Beraterinnen zuständig. 21 Frauen aus ganz Deutschland seien inzwischen im Rahmen des Projekts zu Multiplikatorinnen geschult worden, sagt Billen.
"Weil es Frauen ja sehr direkt betrifft. Also, wenn ich in meinem Lebensverlauf immer weniger verdiene bedeutet das für mich im Alter, dass ich mit sehr viel weniger Geld zurechtkommen kann."
"Das ist einfach ein super anstrengendes Leben"
Gerade im ländlichen Raum sei diese Gefahr noch einmal deutlich höher als in der Stadt. Denn am Ende seien es oft die Frauen, die sich um die Kinder kümmern. Doch die Wege zur nächsten Kita sind oft weit. Genauso wie zum Arbeitsplatz. Viele landeten schließlich in Teilzeit oder im Minijob. Auch die rückständige Digitalisierung auf dem Land sei ein Problem:
"Also, wenn Frauen zum Beispiel wieder einsteigen wollen und sich dann überlegen, vielleicht könnte ich Teilzeit oder auch noch Homeoffice machen – wenn ich keinen Breitbandanschluss zu Hause habe, dann kann ich auch kein Homeoffice machen."
Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern blieb 2017 unverändert bei 21 Prozent, wie gerade das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Auf dem Land sei der Unterschied deutlich höher, so der Landfrauenverband. Das Problem konzentriere sich dabei vor allem auf die westdeutschen Flächenländer.
Damit die Lohnlücke kleiner wird, müsse vor allem eine andere Kultur her sagt Louise Gerken. Ich will den Steuerzahlern nicht auf der Tasche liegen, sagt sie:
"Das ist einfach ein super anstrengendes Leben. Wenn man Kinder kriegt, dann läuft für den Mann irgendwie alles ganz normal weiter. Und als Frau verändert sich das Leben grundsätzlich. Also, ich hatte das Gefühl, als würde ich mit `nem Auto unterwegs sein mit 100 oder noch schneller und einfach gegen `ne Wand fahren."