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Lokaljournalismus USA
Lenfest Institute for Journalism fördert Experimente

Lokalzeitungen in den USA und in Deutschland stecken schon seit Jahren in der Krise. Das Lenfest Institute for Journalism hat sich auf die Suche nach einem Ausweg gemacht, wovon auch Lokalredaktionen in Deutschland profitieren könnten.

Von Heike Wipperfürth |
    Titelseite vom Miami Herald am 27.10.2008
    Das Lenfest Institute unterstützt amerikanische Lokalzeitungen bei deren Modernisierung. (dpa)
    Hohe Bleiverseuchung im Boden vieler gentrifizierter Gegenden – diesen Skandal deckte der "Philadelphia Inquirer” im Juni auf. Das Lenfest Institute for Journalism half der Lokalzeitung, das größtmögliche Publikum in der sechstgrößten Stadt Amerikas zu erreichen, sagt Jim Friedlich, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung.
    "Das Lenfest Institute hat die Umweltprüfungen, SMS-Benachrichtigungsfunktionen und Fotos, die von Kameradrohnen aufgenommen wurden, bezahlt. Und es hat in die Publikumsentwicklung investiert, um mehr Menschen auf sozialen Medien und Facebook zu erreichen. Der Bericht hat den meisten Traffic in diesem Jahr generiert."
    Neue Formen von Lokaljournalismus zu finden, der für das Gemeinwohl wichtig ist - das ist es, was das Lenfest Institute seit seiner Gründung im Januar vorigen Jahres versucht – nicht nur, um den 188 Jahre alten "Philadelphia Inquirer" zu retten, den es von dem Mäzen Gerry Lenfest geschenkt bekam.
    Der heimische Markt als Testlabor
    Philadelphia ist uns wichtig, aber darum geht es nicht. Wir benutzen den heimischen Markt als Versuchskaninchen, um Lokalnachrichten überall zu modernisieren. Machen wir Fortschritte in Philadelphia, kommt es auch zu Erfolgen in Detroit, Minneapolis, Dallas oder Los Angeles." Sinkende Werbeerlöse. Konkurrenz aus dem Netz. Gemeinsam mit der Knight Stiftung unterstützt das Lenfest Institute seit Februar mehrere lokale Zeitungen bei der Umstellung auf ein digitales Geschäftsmodell.
    Vertreter aus Werbung, Nachrichtenredaktion und Vertrieb von klassischen Medienunternehmen wie "The Miami Herald" und "The Houston Chronicle" treffen sich vier Mal im Jahr, um sich über ihre Veränderungen auszutauschen. Dafür stellen die beiden Förderer in den nächsten drei Jahren fast fünf Millionen Dollar zur Verfügung.
    Lenfest als Treibhaus für Innovationen – das sei ausschlaggebend, sagt Sarah Bartlett, Dekanin der CUNY-Journalistenschule in New York – und Aufsichtsratmitglied bei der Stiftung. Im Juni hatte die Stiftung Fördermittel von insgesamt einer Million Dollar angeboten, um neue Informations- und Nachrichtenprodukte zu erfinden. Einige der 300 Bewerbungen könnten sich als nachhaltige Innovationen entpuppen – auch wenn keiner weiß, wohin die lokale News im digitalen Zeitalter hinstrebt.
    "Das digitale Geschäftsmodell könnte aus Mischformen bestehen, in denen öffentliche und private oder profitorientierte und gemeinnützige Lösungen miteinander verknüpft werden, aber eine Antwort, wie die Zukunft aussieht, steht noch aus."
    Forschungsprojekt untersucht Leseverhalten von Nutzern
    In Deutschland werden die Rufe nach einem Förderprogramm immer lauter. So fordert die Bundestagsfraktion der Grünen, bei der Gründung lokaler Online-Portale gezielt zu helfen. Doch erfolgreiche Plattformen wie "Merkurist" aus Mainz, die es seit zwei Jahren gibt, sind einige der wenigen, die es schaffen, ein eigenes Konzept zu entwickeln und Kapital aufzunehmen, um es zu verwirklichen.
    In den USA geht die Firmengründung flotter. Ein Medienunternehmen aufbauen und verkaufen – so wurde der Wohltäter Gerry Lenfest zum Milliardär. Sein Institut hat über 50 Millionen Dollar eingesammelt. Fast die Hälfte des Geldes stammt von dem 87-Jährigen, die andere Hälfte von Stiftungen und privaten Sponsoren.
    Einer der Mitarbeiter ist Burt Herman. Der Amerikaner war lange Journalist in Berlin und Moskau und hat als Mitbegründer der Plattform Storify Erfahrung als Online-Entrepreneur gesammelt. Seiner Ansicht nach muss jede Lokalredaktion herausfinden, ob sie das Angebot anbietet, das sich die Nutzer wünschen – und für das sie zu zahlen bereit sind. Jetzt beginnt er ein Forschungsprojekt, um das Leseverhalten der verschiedenen Bevölkerungsschichten in Philadelphia genauestens zu untersuchen.
    Neue Einnahmequellen durch Bezahlschranken
    "Was sind die Medienquellen und die vielen Arten, in denen unterschiedliche Demographien und Bevölkerungsgruppen Informationen erhalten? Wir werden sie beobachten, um herauszufinden, was wir ihnen anbieten sollen – und wie sie die Informationen am liebsten erhalten." Herman sagt, dass der "Philadephia Inquirer" demnächst eine Bezahlschranke einrichten will. Gelingt das Experiment, beweist es, dass digitale News lukrativ sein können. Und es könnte andere Lokalzeitungen inspirieren, über neue Einnahmequellen nachzudenken, die sie so dringend benötigen.