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Lokalmedien in Rheinland-Pfalz
Land setzt auf eigene Nachrichten-App

Mit der Dorffunk-App will der rheinland-pfälzische Innenminister die digitale Kommunikation auf dem Land stärken. Teil des Konzepts sind kostenlose, regionale Meldungen. Macht das Ministerium den Lokalmedien Konkurrenz?

Von Annika Schneider |
28.03.2020, Rheinland-Pfalz, Niederwerth: Ein Anwohner betrachtet auf seinem Tablet die Startseite der App "Dorffunk". Die einst im Rahmen des Projekts «Digitale Dörfer» entwickelte App kann angesichts der Kontaktbeschränkungen wegen des Coronavirus von 30.03.2020 an kostenlos in ganz Rheinland-Pfalz genutzt werden und soll den Austausch unter den Dorfbewohnern erleichtern.
Mit der Dorffunk-App können sich Bürger nicht nur miteinander austauschen, sondern auch aktuelle Meldungen aus ihrer Gemeinde lesen (picture alliance/dpa/Thomas Frey)
Wer hat Hefe übrig, wer braucht Hilfe beim Einkaufen? Für Fragen wie diese gibt es in Rheinland-Pfalz die App DorfFunk. Die Menschen in mehreren Pilotgemeinden können darin schon seit einigen Jahren Angebote und Gesuche aufgeben – in Zeiten von Corona ist die App gefragt wie nie.
Entwickelt hat sie das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern. Das Geld für das Projekt kommt vom rheinland-pfälzischen Innenministerium: Es soll die digitale Kommunikation auf dem Land stärken und eine datenschutzsichere Alternative zu Facebook und Co. bieten.
Im Hintergrund ist unscharf die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei einem Fernsehinterview zu sehen, im Vordergrund eine Unterlagenmappe der Staatskanzlei.
Politischer Mediendienst
Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz will direkter mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt kommen – vor allem über die sozialen Medien. Journalistinnen und Journalisten äußerten Kritik: Medienarbeit sei nicht die Aufgabe von Politik.
In der App veröffentlichen aber nicht nur Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen. Auch Gemeindeverwaltungen, Vereine und Bürgerreporter können Meldungen schreiben, die dann ebenfalls in der App angezeigt werden – so genannte DorfNews. Projektleiter Steffen Hess:
"Typische Inhalte in den DorfNews sind beispielsweise amtliche Bekanntmachungen, sehr klassisch. Oder dass eine Feuerwehr kurz über ihren Einsatz berichtet. So klassisches Dorfgespräch: Es war da und da ein Einsatz, das und das ist passiert. Ansonsten haben wir häufig Vereine, die über ihre Veranstaltungen einen Kurzbericht schreiben, oder eben wohltätige Organisationen, die jetzt aus aktuellem Anlass Mitstreiter suchen, um Masken zu nähen, und so weiter."
Seit Ende März übernimmt das Innenministerium die Kosten
Inhalte, mit denen auch Lokalzeitungen um Leser werben. Bis vor wenigen Wochen gab es die DorfNews nur in einigen Pilotgemeinden, die dafür einen Unkostenbeitrag zahlen mussten – in einer Größenordnung ab 50 Euro pro Monat, sagt Stefen Hess.
Jetzt aber können Gemeinden in ganz Rheinland-Pfalz den DorfFunk und die DorfNews gratis nutzen: Der rheinland-pfälzische Innenminister kündigte Ende März an, die Kosten zu übernehmen. Das Ziel: In der Corona-Krise den digitalen Austausch stärken.
Landesweites Meldungsportal
Seit der Ankündigung haben sich schon über 100 Gemeinden neu registriert. Und nicht nur das: Auf einer zentralen DorfNews-Seite erscheinen inzwischen auch Meldungen aus ganz Rheinland-Pfalz, sortiert in Rubriken wie "Veranstaltungen", "Kultur" und "Sport".
Chefredakteur Claus Liesegang steht vor einer Karte des Verbreitungsgebiets der "Märkischen Oderzeitung"
Lokaljournalismus in Brandenburg: Subventionen vom Land
Nicht erst seit der Coronakrise haben es private Lokalmedien schwer. Das Land Brandenburg will sie nun finanziell unterstützen. Kritiker sehen dabei allerdings die Unabhängigkeit der Presse in Gefahr.
Macht das Ministerium hier etwa den Lokalmedien Konkurrenz, denen in Corona-Zeiten ohnehin Einnahmen wegbrechen? Nein, sagt Projektleiter Steffen Hess: DorfNews vereinfache die Kommunikation zwischen Gemeinde und Bürgern, es gehe nicht um journalistische Berichterstattung.
"Das sind Lösungen, die explizit nicht werbefinanziert sind und auch Werbung verbieten. Das heißt, auch an dieser Stelle gibt es keine Konkurrenz. Aus unserer Sicht sind wir auch offen, um mit journalistischen Inhalten zusammenzuarbeiten und da gegebenenfalls auch Kooperationsmodelle anzubieten."
Regionalzeitung sieht keine Konkurrenz
Ein Ansprechpartner dafür könnte Uwe Renners sein. Er ist stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung "Rhein-Pfalz", in deren Verbreitungsgebiet mehrere Gemeinden DorfNews veröffentlichen. Als Konkurrenz sehe er das Projekt derzeit nicht, sagt er.
"Solange der Bürgermeister da die Öffnungszeiten des Bürgerbüros veröffentlicht, habe ich da gar kein Problem mit. In dem Moment, in dem da presseähnliche Berichterstattung stattfinden würde, fände ich es problematisch."
Enge rechtliche Grenzen
Tatsächlich stieße das Portal dann auch rechtlich an seine Grenzen. Erst vergangenes Jahr erklärte ein Gericht den Internetauftritt der Stadt Dortmund als unzulässig: Das Angebot gleiche dem eines Medienunternehmens und verletze so die Staatsferne der Presse.
Eine Ausgabe des Amtsblattes der Stadt Crailsheim wird von zwei Händen gehalten. Dahinter das Schild des Bundesgerichtshofes.
Was dürfen Amtsblätter?
Amtsblätter und städtische Webpräsenzen gehörten zur Vielfalt, dürfen jedoch keine publizistische Konkurrenz sein, sagte Christian Erhardt vom Fachmagazin "Kommunal" nach einem entsprechenden Urteil des Landgerichts Dortmund.
Das rheinland-pfälzische Innenministerium betont auf Anfrage, durch die DorfNews werde Journalismus in keiner Weise unterminiert. Ziel sei es, die Bevölkerung zu unterstützen und zu aktivieren.
Noch ist das Meldungsportal der DorfNews ein ziemliches Sammelsurium – nicht zu vergleichen mit der gut sortierten Nachrichtenseite der "Rhein-Pfalz". Womöglich liegt die Stärke des Projekts doch eher darin, digital Nachbarschaftshilfe zu organisieren als Nachrichten zu verbreiten.