Die Lokführer haben am frühen Morgen mit ihrem Streik im Personenverkehr der Deutschen Bahn begonnen. Bis Montagfrüh um 4 Uhr wird der Ausstand zum Ausfall tausender Fern- und Regionalzüge in ganz Deutschland führen. Die Bahn hatte versucht, den Streik abzuwenden - erfolglos.
Eine Schlichtung hatte die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) am Mittwoch abgelehnt. Personalvorstand Ulrich Weber hatte vorgeschlagen, dass beide Seiten jeweils einen unparteiischen Schlichter benennen. Konkurrierenden Tarifverträgen im Konzern erteilte er allerdings eine Ablehnung. Die GDL werde auf das "Scheinangebot" der Bahn nicht eingehen, sagte darauf Gewerkschaftschef Claus Weselsky.
Er begründete die Ablehnung mit der Art der Auseinandersetzung: Es gehe derzeit nicht um eine Lohnerhöhung oder eine Arbeitszeitverkürzung, sondern um "grundgesetzlich verbriefte Rechte" der Gewerkschaft. "Wir werden zu keinem Zeitpunkt unsere Grundrechte an der Garderobe abgeben, um dem Arbeitgeber Deutsche Bahn einen Gefallen zu tun", sagte er. Hauptstreitpunkt im Tarifkonflikt ist die Forderung der GDL, nicht nur für Lokführer, sondern auch für das übrige Zugpersonal Tarifverträge aushandeln zu dürfen.
Bahn stellt Ersatzfahrpläne auf
Betroffen sind der Fern- und Regionalverkehr, S-Bahnen und, schon seit Mittwochnachmittag, auch der Güterverkehr. Die Bahn reagierte mit Ersatzfahrplänen, um die wichtigsten Verbindungen aufrecht zu erhalten. Jeweils 24 Stunden im Voraus soll ein Notfallfahrplan veröffentlicht werden, der alle fahrenden Züge auflistet. "Davon werden sicherlich Millionen Reisende betroffen sein", sagte Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Er geht davon aus, dass im Fernverkehr ein Drittel der Züge nach Plan fahren kann. Im Regionalverkehr in Westdeutschland sollen es 40 bis 60 Prozent sein, im Osten Deutschlands aber nur 20 Prozent. Dort ist die GDL am besten organisiert.
Durch den Streik im Güterverkehr befürchtet die Wirtschaft Lieferengpässe in Unternehmen - und bei der Kraftstoffversorgung. Raffinerien hätten Probleme, die Tankstellen zu beliefern, sagte Gunnar Gburek vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik dem Sender MDR Info. Besonders hart werde der Ausstand die Auto-, Stahl-, und Chemiebranche treffen. Es werde Produktionsausfälle geben.
Ansturm auf Fernbusse
Wie bei den vorhergehenden Streiks der GDL - im aktuellen Tarifkonflikt ist es bereits die sechste Arbeitsniederlegung der Lokführer - setzen viele Reisende auf Fernbusse und Mitfahrzentralen. Die Anbieter verzeichnen Rekordanfragen.
Die GDL steht wegen des bisher längsten Streiks in der Geschichte der Bahn massiv in der Kritik. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warf der Gewerkschaft Missbrauch des Streikrechts vor. "Das Streikrecht wurde in den letzten 65 Jahren in Deutschland von den DGB-Gewerkschaften immer verantwortungsbewusst genutzt - und nur dann, wenn es um Arbeitnehmerinteressen ging", sagte der SPD-Politiker. Die GDL habe sich von diesem Prinzip verabschiedet. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Lösungen aufgerufen, "die auch für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben". Streiks müssten verhältnismäßig sein.
(tzi/sdö/cc)