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Lokführerstreik
"Ein Schlichter könnte sinnvoll sein"

Der neue Bahnstreik setzt Reisenden in Deutschland ab Dienstag zu. "Es ist ein gutes Recht von Arbeitnehmern zu streiken", sagte der SPD-Verkehrspolitiker Andreas Rimkus im Deutschlandfunk. "Allerdings muss alles nachvollziehbar sein, und hier ist die Nachvollziehbarkeit zumindest für die Menschen nicht immer gegeben." Er bringt einen Schlichter ins Spiel.

Andreas Rimkus im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Auf einer Anzeigetafel im Hauptbahnhof in Dresden (Sachsen) steht "Zug fällt aus".
    Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat den längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn angekündigt. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Der wahre Grund für diese Auseinandersetzung sei für Reisende nur schwer nachzuvollziehen, sagte Rimkus. Er sieht im Engagement eines Schlichters eine mögliche Lösung. "Es könnte mittlerweile eine Situation eingetreten sein, dass die beiden Tarifpartner sich so verhakt haben, dass es sinnvoll ist, einen Schlichter einzusetzen." Der könne ausloten, ob es überhaupt noch eine Möglichkeit zu einem Kompromiss gibt.
    "Einen Dauerstreik können wir uns nicht erlauben", sagte der SPD-Verkehrspolitiker. Er verwies darauf, dass die Bahn einst privatisiert wurde, um mehr Flexibilität zu erreichen. "Wir wollten Flexibilität haben, die Flexibilität ist da, dementsprechend muss man damit rechnen, dass auch gestreikt wird." Die Bahn sei eine kritische Infrastruktur, aber Streik sei gutes Recht der Arbeitnehmer. Es seien bei der Bahn eben nicht mehr nur Beamte im Dienst.

    Das Interview in voller Länge:

    Mario Dobovisek: Sie macht ihre Drohung wahr, die GDL, die Gewerkschaft der Lokführer. Am Nachmittag beginnt der neue Streik im Güterverkehr, Dienstagfrüh dann soll der Personenverkehr folgen und bis Sonntagmorgen andauern. Bahnreisenden steht also der bisher längste Ausstand bevor. S-Bahnen und Regionalzüge werden betroffen sein, genauso wie die Fernzüge. Wie an den vergangenen Streiktagen auch will die Bahn einen Notfahrplan anbieten, um einen stabilen Takt zumindest auf den ICE-Strecken fahren zu können. - Am Telefon begrüße ich den SPD-Verkehrspolitiker Andreas Rimkus. Guten Morgen, Herr Rimkus.
    Andreas Rimkus: Guten Morgen, Herr Dobovisek.
    Dobovisek: Müssen auch Sie jetzt umplanen, Herr Rimkus?
    Rimkus: Nein, ich bin am Düsseldorfer Flughafen. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Berlin. Ich bin heute nicht betroffen, aber auch die ganze Woche nicht, weil ich am Freitag in den Wahlkreis zurückfliegen werde mit dem Flugzeug von Berlin nach Düsseldorf.
    Dobovisek: Zum achten Mal streikt die GDL, macht ihre Drohung mit einem Mammutstreik wahr. Im Konflikt geht es ja nicht allein um mehr Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen; es geht auch um die Frage, ob die GDL für ihre Mitglieder eigene Tarifverträge aushandeln darf, zum Beispiel auch für Zugbegleiter, unabhängig von der Konkurrenzgewerkschaft EVG. Haben Sie dafür noch Verständnis, für diesen Arbeitskampf?
    Rimkus: Das macht es ja so schwierig für diejenigen, die unterwegs sind, die ihren Arbeitsplatz erreichen wollen oder auch wieder zurück zu ihrer Wohnung, nachzuvollziehen, was der wahre Grund ist für diese Auseinandersetzung, und deswegen scheint auch eine Einigung so schwierig zu sein, die die Bahn mit der GDL erreichen kann.
    "Hier ist die Nachvollziehbarkeit für die Menschen nicht immer gegeben"
    Dobovisek: Nutzt die GDL als Kleinstgewerkschaft ihre Machtposition im Unternehmen aus?
    Rimkus: Das weiß ich nicht. Ich glaube, es ist ein gutes Recht von Gewerkschaften und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sich zu organisieren. Wir haben das ja in der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz festgeschrieben. Allerdings muss alles nachvollziehbar sein, und hier ist die Nachvollziehbarkeit zumindest für die Menschen nicht immer gegeben.
    Dobovisek: Muss die Nachvollziehbarkeit verbessert werden oder der Streik sogar beendet?
    Rimkus: Es könnte mittlerweile eine Situation eingetreten sein, dass die beiden Tarifpartner sich so verhakt haben, dass es sinnvoll ist, einen Schlichter einzusetzen, eine externe Möglichkeit zu nutzen, um auszuloten, ob es überhaupt noch die Möglichkeit eines Kompromisses gibt, denn es soll ja ein Tarifvertrag abgeschlossen werden, und ich glaube, hier ist es notwendig, noch mal neu nachzudenken.
    "Einen Dauerstreik können wir uns insgesamt nicht erlauben"
    Dobovisek: Wer könnte diese Fronten aufbrechen, wenn die GDL zuletzt am Wochenende eine Schlichtung ablehnt?
    Rimkus: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, erst mal kommt es jetzt darauf an, dass entsprechende Gespräche geführt werden, um zu schauen, ob überhaupt in der Form eine Schlichtung möglich erscheint. Ich halte es aber für sinnvoll, darüber nachzudenken. Ich glaube, einen Dauerstreik können wir uns insgesamt nicht erlauben, wäre auch nicht tragfähig für die Gesamtsituation.
    Dobovisek: Ist die Bahn sozusagen eine kritische Infrastruktur, die am Ende nicht dauerhaft bestreikt werden darf?
    Rimkus: Na ja, sie ist eine kritische Infrastruktur. Aber dennoch darf sie natürlich bestreikt werden. Das ist auch ein gutes Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie ist ein privates Unternehmen. Wir wollten Flexibilität haben, die Flexibilität ist da, dementsprechend muss man damit rechnen, dass auch gestreikt wird. Es sind nun mal nicht mehr nur Beamte bei der Bahn.
    Dobovisek: Im Arbeitsausschuss des Bundestages wird heute der Plan der Bundesregierung für ein Gesetz zur Tarifeinheit diskutiert. Könnte ein solches Gesetz Kleinstgewerkschaften wie die GDL stoppen?
    Rimkus: Ich werde heute bei der öffentlichen Anhörung mit dabei sein, werde mir das anhören, was die Fachleute dazu sagen. Es ist so: Wenn wir aus Reihen von der Union beispielsweise hören, dass es notwendig ist, ein solches Gesetz zu machen, um den Streik zu reduzieren, da sage ich nein. Es ist eindeutig nicht der Fall, dass das Tarifeinheitsgesetz, was vorgelegt wird, daran etwas ändern möchte. Ganz im Gegenteil: Es soll die Möglichkeit geben, dass am Ende ein Tarifvertrag gilt für alle, die darunter fallen, und das ist der Weg, der gesetzt werden muss.
    "Das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht gut ist"
    Dobovisek: Das heißt, Herr Rimkus, verstehe ich Sie richtig, dass nicht für zwei Arbeitnehmer, die die gleiche Arbeit verrichten, zwei unterschiedliche Tarifverträge gelten?
    Rimkus: Na schauen Sie mal. Wir haben die Situation im Moment, dass bei der GDL die Lokführer ein höheres Monatsentgelt haben und bei der EVG ein höheres Weihnachtsentgelt. Dementsprechend gibt es wohl Kolleginnen und Kollegen, die hüpfen von dem einen Tarifvertrag in den nächsten Tarifvertrag. Ich glaube, das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht gut ist, der dann auch die Solidarität im Betrieb unterminiert.
    Dobovisek: Als wir Sie gestern Nachmittag anriefen, Herr Rimkus, wollten wir eigentlich heute über die Elektromobilität sprechen. Anlass der Gipfel von Politik und Wirtschaft heute in Berlin. Jetzt könnten Elektroautos sozusagen eine gute Alternative zur bestreikten Bahn sein. Eine Million sollten es bis 2020 werden, sagte die Bundesregierung vor fünf Jahren. Gerade einmal 24.000 sind es im Moment. Warum haben die Deutschen keine Lust auf ein Stromauto?
    Rimkus: Interessant ist, das ist tatsächlich eine Alternative, allerdings weniger eine Alternative zur Bahn, sondern mehr eine Alternative für benzin- und dieselangetriebene Fahrzeuge, weil Elektrofahrzeuge ja ohne Emissionen unterwegs sind. Es ist deswegen so schwierig für die Kundinnen und Kunden, für die Autofahrerinnen und Autofahrer, weil die Infrastruktur noch nicht so ist, dass man große Reichweiten überbrücken kann, und die Preise sind noch relativ hoch. Deswegen erhoffe ich mir jetzt vom Gipfel, der heute und morgen stattfindet, ein paar Impulse. Das müsste in die richtige Richtung kommen. In der Tat: Eine Million Fahrzeuge 2020 ist ein hohes Ziel.
    Abschreibungen für Elektro-Autos
    Dobovisek: Aber die Impulse müssten von der Politik kommen, sagt die Wirtschaft.
    Rimkus: Ja. Wir brauchen aber Unterstützung. Ich selber bin ja als Berichterstatter für Elektromobilität tätig im Deutschen Bundestag und ich habe eine klare Haltung. Ich fände es richtig, wenn wir für die gewerblichen Flotten dafür sorgen würden, dass wir steuerliche Anreize haben, sogenannte Sonder-AFA, die man auch durchaus degressiv gestalten kann.
    Dobovisek: Also Abschreibungen.
    Rimkus: ... Abschreibungen hinzubekommen. Für die kommunalen Flotten wäre es gut, wenn an Anreizprogramme hätte, damit man diese etwas teureren Fahrzeuge noch beschaffen darf. Und für den Privatmarkt gäbe es die Möglichkeit, über die KfW-Tilgungszuschüsse zu machen.
    Dobovisek: Machen wir da doch mal ein konkretes Beispiel, damit wir das Wort „teuer" auch in Zahlen fassen können. Den Volkswagen up! Gibt es zum Beispiel in der Grundausstattung ab circa 10.000 Euro. Sein Elektrobruder, der e-up!, kostet fast das Dreifache, nämlich 27.000 Euro. Sind Stromautos generell einfach zu teuer?
    Rimkus: Nein, das glaube ich nicht, weil sie sind natürlich im Betrieb äußerst interessant und sehr günstig. Deswegen sind sie vor allen Dingen jetzt für den Markthochlauf, für das Anreizen bei den Flottenentscheidungen, glaube ich, der richtige Weg.
    "Im zweiten Schritt Anreize für den Privatmarkt"
    Dobovisek: Das bedeutet aber, Sie wollen keine finanzielle Unterstützung zum Beispiel für Privatpersonen, nämlich diesen Weg geht Norwegen seit vielen Jahren und ist damit Vorreiter in der Förderung von Elektromobilität, nämlich indem zum Beispiel die Mehrwertsteuer erlassen würde.
    Rimkus: Was wir brauchen ist in jedem Fall als erstes Anreize, damit die Flottenentscheidungen, die anstehen, dann auch die Elektromobilität unterstützen. Und im zweiten Schritt Anreize für den Privatmarkt, indem man über KfW-Tilgungszuschüsse spricht. So sind beispielsweise stationäre Stromspeicher in Kombination mit Fotovoltaik-Anlagen im Keller entsprechend unterstützungswürdig. So etwas könnte ich mir auch für den Stromspeicher auf der Achse vorstellen.
    Dobovisek: Nun wissen wir aber, wie kompliziert solche Anträge und Verfahren sind. Wäre es nicht einfacher zu sagen, wer sich ein E-Mobil kauft, muss keine Mehrwertsteuer zahlen?
    Rimkus: Wir müssen erst mal den ersten Schritt gehen und hier ist es notwendig, überhaupt einen Einstieg zu bekommen in eine steuerliche Förderung, nämlich die Abschreibungsmöglichkeiten. Das halte ich jetzt für vordringlich, weil uns auch in der Wirtschaft gesagt wird, das ist jetzt die Entscheidung, die ansteht, weil jetzt wird entschieden, ob die großen Gewerbeflotten auf Elektromobilität umsteigen, und dann gibt es auch Skalierungen im Markt. Denn je mehr Fahrzeuge gebaut werden, umso niedriger werden die Kosten.
    Dobovisek: Der SPD-Verkehrspolitiker Andreas Rimkus über den Bahnstreik und Stromautos in Deutschland. Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche einen guten Flug. Jetzt wissen wir ja, welche Flüge alle so gehen am Düsseldorfer Flughafen. Ich danke Ihnen und einen guten Flug.
    Rimkus: Danke! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.