"My name is John Sebastian and I am a guitar player from Greenwich Village."
John Sebastians Karriere als Popmusiker beginnt vor genau 50 Jahren im Herzen des Big Apple. Damals gründet er seine Band The Lovin' Spoonful. Für sie schreibt er Hits wie "Summer in the City" und "Daydream". Als gebürtiger New Yorker erlebt er hautnah, wie Bob Dylan in seinem Viertel Greenwich Village zur Ikone wird und das Wagnis eingeht, Folk und Rock miteinander zu vermischen. "Bob Dylan war natürlich enorm wichtig für uns – als Poet und Musikforscher. Die Leute zollen ihm nicht genug Anerkennung dafür, was er schon gelernt hatte, bevor er anfing, diese hymnenhaften Songs zu schreiben, die für uns so wichtig wurden", sagt Sebastian.
In Dylans Fahrwasser wird Sebastian selbst zur Legende. Auf dem Woodstock-Festival 1969 begeistert er 400.000 Zuhörer mit zarten Gitarrenklängen. New York, so erzählt er, bot die Infrastruktur: Schallplattenfirmen, Studios, Produzenten. Dylan sei so dominant gewesen, dass man sich von ihm habe abgrenzen müssen. Und von London aus schwappten zu dieser Zeit gerade die in Liverpool gegründeten Beatles über den Atlantik. Die Stadt New York ist seit jeher eine Inspiration für den Musiker. In seinem bekanntesten Hit verarbeitet er seine Eindrücke von einer Stadt, die wie wenige andere ein Schmelztiegel der Kulturen ist. "Natürlich war der grandiose Refrain meines Bruders für Summer in the City eine Art Liebeslied für New York im Sommer. Er gab mir seinen Part und ich vervollständigte ihn schnell mit den Strophen. Die Stadt war dabei wirklich in mir – in dem Sinn, dass ich beeinflusst war von allem, was ich um mich herum hörte. Und das passierte alles in Greenwich Village", sagt Sebastian.
London und New York - Zentren charismatischer Musiker
"I am Billy Bragg, I am a singer songwriter and activist. And I come from London, from the Eastern industrial suburbs of London."
Auch Billy Bragg hat ein inniges Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Hier wird er Ende der Siebziger Jahre vom Punk wachgeküsst, verdingt sich lange weitgehend unbeachtet auf den Bühnen im vernachlässigten Osten der Stadt – bis schließlich ein Tape des Songwriters beim legendären Londoner Radio-DJ John Peel landet. London sei der Ort, an dem so etwas passieren könne, erklärt er. Gemeinsam mit New York – noch vor Los Angeles oder Stockholm – ist die britische Hauptstadt ein innovatives Zentrum. Hier gehen oft die charismatischsten Musiker hin, um den Erfolg zu suchen.
"Weil London die Hauptstadt ist, müssen am Ende alle da hin. London ist nicht wie Birmingham oder Liverpool. Jeder muss nach London. Und deshalb ist die Kultur auch viel reicher, aber auch viel mehr von Konkurrenz geprägt", sagt Bragg. Selbst im Vergleich mit New York nehme London eine besondere Rolle ein. Punk, die Bewegung, die auch ihn zum Musikmachen bringt, sei zwar nicht dort erfunden worden. Aber ohne London wären New Yorker Bands wie die Ramones kaum beachtet worden. London wird zum Zentrum der Bewegung. Hier, zwischen wütenden Jugendlichen und Kunsthochschulstudenten, wird Punk zur dominanten Subkultur. Als Bragg ein Konzert von The Clash hört, schließt auch er sich dieser Kultur an.
"Meine Freunde und ich gingen aus und dachten: Verdammt, das ist es. Wir müssen so etwas machen. Also verschenkten wir all unsere Eagles-Platten, schnitten uns das Haar und besorgten uns Lederjacken. Alles über Nacht. Unsere Welt war wie auf den Kopf gestellt. Und das nächste Ding war 'Rock against Racism'. 100.000 Menschen demonstrieren auf den Straßen von London gegen Faschismus. Ja, das ist die Stadt, auf die ich stolz bin", sagt Bragg.
Beide Städte haben zahllose Weltstars hervorgebracht
In New York wurden Folk Rock, Disco, Hip Hop und viele weitere Stile erfunden. In London hingegen Vorgaben aus den USA häufig verfeinert und popularisiert. Seit "Revolver" von den Beatles ist in jedem Jahr mindestens ein Pop-Meisterwerk in der Themse-Stadt aufgenommen worden. London und New York haben seit den sechziger Jahren zahllose Weltstars hervorgebracht. Das erhöht den Druck auf junge Musiker, besser zu werden – denn die Erwartungen des Publikums sind hoch, wie John Sebastian von den New Yorkern erzählen kann: "Es ist schwieriger, sich durchzusetzen. Das ist wahrscheinlich eine gute Beschreibung für New York und alle großen Städte der Welt. In anderen Städten kommt man vielleicht mit Mittelmaß durch. Aber am Ende muss man dann doch nach Berlin, wenn man es wissen will."
Als Sebastian ausführlich über seine Heimatstadt erzählt hat, greift er am Ende unseres Gesprächs in seinem Wohnzimmer zu einer Autoharp, einem Instrument, das häufig in der ländlichen Folkmusik eingesetzt wird – als versteckte Botschaft, dass alle urbanen Musikstile schließlich aber auf ländliche Ursprünge zurückzuführen sind. Bis heute sind London und New York für Popmusiker aus der Provinz die aufregendsten Popstädte der Welt. Hierhin zieht es Talente aus der ganzen Welt, denn hier können sie sich – in den Fußstapfen von Bob Dylan und John Sebastian, von den Beatles und den Rolling Stones – beweisen.