Der Frontline Presseclub in der Nähe des Londoner Bahnhofs Paddington am 19. Oktober 2006. Wenige Tage zuvor wurde die Journalistin Anna Politkowskaja im Treppenhaus vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Der russische Regimekritiker Alexander Litwinenko beschuldigt gegenüber den Journalisten, wer seiner Meinung nach Drahtzieher des Mordes ist. Litwinenko lebt seit sechs Jahren in London, bittet aber darum, russisch zu reden.
Litwinenko, der abtrünnige KGB-Mann, beschuldigt den amtierenden russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, hinter dem Mord an der Reporterin und Aktivistin Anna Politkowskaja zu stecken. Nur gut einen Monat später wird auch der Regimekritiker Litwinenko ermordet – vergiftet mit Polonium 210 wie in einem Spionagethriller. Er hatte sich am 1. November mit zwei anderen ehemaligen KGB-Leuten im Millennium Hotel im noblen Londoner Stadtteil Mayfair getroffen. In der "Pine Bar" empfingen ihn die beiden mit einer Tasse grünen Tees.
Peter Clarke von der Antiterror-Abteilung der Londoner Polizei, erinnert sich daran, dass da in einem Krankenhaus in Nord-London ein Mann eine ziemlich unglaubliche Geschichte erzähle. Er sei ein ehemaliger russischer Spion. Und er glaube, dass er von einigen seiner früheren Kollegen vergiftet wurde.
Litwinenkos Gesundheitszustand verschlechterte sich rasend, seine Haare fielen aus. In einer Urinprobe fanden Nuklearspezialisten schließlich Spuren von Polonium 210, wie es zum Bau von Atombomben benötigt wird.
"Polonium ist zu 100 Prozent tödlich, erklärt Ian Shipsey, Professor für Atomphysik an der Universität Oxford. Es zerstört die Zellen, das Immunsystem und führt zu Organversagen im ganzen Körper."
Moskau lehnte eine Auslieferung der beiden Verdächtigen ab
Noch auf seinem Sterbebett beschuldigte Alexander Litwinenko, dass der Kreml hinter dem Anschlag stecke. Am 23. November 2006 starb Litwinenko im University College Hospital in London. Die Londoner Sicherheitsbehörden waren 2006 in heller Aufregung. Das Polonium stellte eine große Gefahr für die Öffentlichkeit dar, zu Schaden kam aber niemand - außer dem Mordopfer.
Moskau lehnte eine Auslieferung der beiden Verdächtigen ab. Deswegen kam es nie zu einem Strafverfahren, wohl aber zu einer unabhängigen Untersuchung, deren Ergebnis heute Vormittag im Parlament verlesen wird. Wenn der Kreml als Drahtzieher beschuldigt wird, droht eine noch kältere diplomatische Eiszeit als jetzt schon. Litwinenkos Witwe Marina aber hofft nur eins, dass endlich die Wahrheit ans Tageslicht kommt:
"Unglücklicherweise erfahren die Menschen in Russland nicht das, was hier in London geschieht. Ich bin stolz darauf, was die Londoner Polizei getan und gewissenhaft untersucht hat. Es ist leider kein Strafverfahren, nur eine öffentliche Untersuchung. Aber die Leute werden erfahren, was genau damals in London geschehen ist."
Anmerkung der Redaktion: Das Manuskript wurde an einer Stelle geändert, um einen Fehler des Autors zu korrigieren, der ihm im Nachhinein aufgefallen ist.