Archiv

London
Widerstand gegen Holocaust-Mahnmal

Direkt neben den Houses of Parliament soll in London ein 60 Millionen teures Holocaust-Mahnmal entstehen. Dafür müsste allerdings ein kleiner Park umgegraben werden - eine schlechte Option, sagen Anwohner und die Stiftung "Royal Parks". Selbst von der UNESCO gibt es Einwände.

Von Friedbert Meurer | 06.03.2019
Blick auf den Victoria Tower Gardens in Westminster, London
Blick auf den Victoria Tower Gardens in Westminster, London (imago / ZUMA Press / Alberto Pezzali)
Er ist ein verhältnismäßig kleiner Park: Victoria Tower Gardens grenzt südlich an die Houses of Parliament an, längs entlang fließt die Themse. Auf der anderen Seite des Parlaments herrscht tagsüber viel Trubel. Die Touristen schlendern von Big Ben hinüber zur Westminster Abbey. Der Platz abseits davon wird als eine ruhige Oase geschätzt. Barbara Weiss ist selbst Architektin und Anwohnerin des Parks.
"Die Anlage hier ist schon besonders: Ein wenig dreieckig angelegt, mit den zwei Reihen an Platanen, die 100 Jahre alt sind. Um die Wurzeln der Platanen nicht zu zerstören, soll das Memorial mit dem unterirdischen Lernzentrum genau in der Mitte liegen und wird da schon sehr merkwürdig wirken."
Kritikpunkt Blickachse
Der Widerstand gegen das 60 Millionen Euro teure Holocaust-Mahnmal in London wächst. Es sind nicht nur Anwohner, die die Pläne kritisieren, sondern auch die Stiftung "Royal Parks", die sich um Londons Hyde Park und viele andere Anlagen kümmert. Selbst von der Unesco gibt es Einwände: Die Blickachse auf einen der prunkvollen Türme des Palasts von Westminster, in dem das Parlament untergebracht ist, werde eingeschränkt.
Weite Teile des Holocaust Memorial – ein Lernzentrum - sollen zwar unter die Erde verlegt werden, aber am hinteren Ende sollen 23 gewaltige, parallel wie in Scheiben geschnittene Bronzeplatten hoch aus dem Boden emporragen. Zwischen ihnen entstehen 22 Eingänge mit Treppen nach unten. Die Zahl steht für die 22 Länder, in denen Juden vernichtet wurden.
Symbolischer Ort
David Adjaye ist der Architekt des Holocaust Memorials. Das Denkmal solle doch gerade störend wirken und die Parkbesucher aufrütteln. "Wir müssen die Geschichte der jeweils anderen verstehen, um uns zu tolerieren. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Migration. Es geht um Humanität und etwas sehr Entscheidendes. Es ist sehr schön, dass das genau neben dem Parlament entstehen soll."
David Adjaye ist ein internationaler Star der Architektenszene. Das Design-Museum in London widmet dem ghanaischstämmigen Architekten gerade eine Ausstellung. Adjaye hat zusammen mit dem Designer Ron Arad die Ausschreibung gewonnen. Und die Entscheidung, dass das Denkmal direkt neben dem Parlament entstehen soll, hat die britische Politik getroffen. Lord Eric Pickles ist Vorsitzender der britischen Stiftung für das Holocaust Memorial. "Es liegt direkt neben Parlament und Regierung. Einige in Europa wollen die Geschichte umschreiben, wie sehr sie beim Holocaust involviert waren. Es erinnert die Menschen daran, dass das Parlament die stärkste Bastion gegen Tyrannei ist."
"Hebt sich an wie ein Teppich"
Barbara Weiss, die den Widerstand der Anwohner anführt, ist allerdings selbst Jüdin. Ihr Vater floh 1939 aus Italien nach Großbritannien. Sie ist deswegen prinzipiell auch für das Memorial, aber nicht in dieser kleinen Parkanlage. Ron Arad sieht das anders. Der in Israel geborene britische Stardesigner verteidigt die eher abstrakte Form des geplanten Mahnmals.
"England ist anders. Der Holocaust fand natürlich nicht hier statt. Deswegen geht es nicht um etwas Buchstäbliches, sondern um das Symbolische. Wir wollten etwas Sichtbares gestalten, das Sie spüren und erfahren können. Am Ende des Parks hebt sich das Memorial an wie ein Teppich, unter dem etwas zum Vorschein kommt. Unten im Lernzentrum sind Sie dann mehr oder weniger alleine damit."
Lange Zeit wurde das geplante Holocaust-Mahnmal in Westminster kaum beachtet. Es wühlt weit weniger die Emotionen auf wie seinerseits in Berlin der Bau der Holocaust-Mahnstätte. Die Debatte beginnt aber erst jetzt so richtig, reichlich spät. Nächsten Monat schon will der Bezirk Westminster entscheiden, ob er das Projekt genehmigen wird. Vielleicht wird die Verwaltung aber auch noch einmal einen zeitlichen Aufschub vorschlagen.