Allmählich wird es ernst: Die ersten Banken in London schmieden Umzugspläne. Denn wenn Großbritannien erst einmal aus der Europäischen Union ausgetreten ist, können sie von dort aus keine Geschäfte mehr in den restlichen 27 EU-Staaten machen.
Die britische Großbank Barclays möchte Dublin zu ihrem Hauptsitz für das EU-Geschäft machen, bestätigte ein Sprecher der Bank heute in London. Doch auch Paris und Frankfurt rechnen sich gute Chancen aus, die des Finanzplatzes am Main seien gar nicht so schlecht, glaubt jedenfalls der Bundesverband deutscher Banken. Deren Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer mahnte jedoch heute, die Bundesregierung solle dazu noch das Arbeitsrecht anpassen, vor allem den Kündigungsschutz:
"Wir glauben, dass es gut wäre den zu lockern für Mitarbeiter, Banker, aber auch Mitarbeiter anderer Firmen ab einer bestimmten Gehaltskategorie. Da sind momentan 300.000 Euro Jahresgehalt im Gespräch. Wir glauben, dass es durchaus angemessen wäre, Mitarbeiter, die so viel Geld verdienen, auch beim Kündigungsschutz etwas schlechter zu stellen oder vom Kündigungsschutz auszunehmen."
Attraktivität vom Finanzplatz am Main verbessern
Auch einige steuerliche und technische Regelungen sollte man verändern, damit der Finanzplatz am Main attraktiver werde – auch für die Europäische Bankenaufsicht EBA. Die sollte möglichst auch ihren Sitz nach Frankfurt verlagern, schließlich sind hier auch schon die EZB und deren Bankenaufsicht als auch die europäische Versicherungsaufsicht ansässig.
Den Charme von Frankfurt schmackhaft machen
Ein möglicher Zuzug aus London werde in zwei Wellen erfolgen, vermutet Kemmer:
"Ich könnte mir vorstellen, dass es zunächst mal kleinere Einheiten sind, die hier aufgebaut werden, die viele Geschäfte wie man Neudeutsch sagt, 'back to back' mit London machen werden, das heißt dass die Technik, die Abwicklung noch überwiegend in London sitzen bleibt und man eben Verträge von Deutschland aus mit London abschließt.
Ich kann mir aber vorstellen, dass es durchaus in zwei, drei Jahren auch eine zweite, etwas größere Welle geben wird, wo dann Geschäfte auch endgültig, mit der Technik herüber verlagert werden."
Wie viele Jobs dann am Main entstehen, das sei noch reine Spekulation. Klar ist jedoch, dass die Banken nicht nur Briefkastenfirmen hier aufbauen dürfen, das lässt die Aufsicht nicht zu. Denn dass zunächst tatsächlich viele Mitarbeiter aus der Weltstadt London ins doch eher kleine Frankfurt ziehen, hält Kemmer für unwahrscheinlich. Aber die Stadt am Main habe viele Vorzüge, glaubt der Bankenlobbyist:
"Wenn die Banker erst mal da sind und den Charme von Frankfurt erkannt haben und die großen Vorteile, die die Stadt auch bietet – kurze Wege, gute Infrastruktur, gute Schulen, gute Universitäten, großer internationaler Flughafen, der sehr schnell zu erreichen ist, gut ausgebildetes Personal, schöne Umgebung, hoher Freizeitwert – ich glaube, dass die dann schon Spaß an Frankfurt finden werden. Es müssen natürlich die ersten mal kommen und ein bisschen Werbung machen für Frankfurt, und dann müssen wir alle uns auch anstrengen."
Für deutsche Kunden – sowohl Privat- wie Firmenkunden – werde sich durch den Brexit jedoch nichts ändern. Die deutschen Banken könnten ihnen weiterhin die gesamte Palette an Bankdienstleistungen anbieten.