Archiv

Londons neuer Bürgermeister
Aus dem Sozialbau ins Rathaus

Ein bisschen klingt die Lebensgeschichte des neuen Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan wie das Märchen vom Tellerwäscher, der Millionär wurde. Khan kommt aus kleinen Verhältnissen und ist der erste Muslim, der eine europäische Metropole regiert.

Von Gabi Biesinger |
    Sadiq Kahn mit seiner Frau Saadiya vor einem Wahllokal in London
    Sadiq Khan wurde zum neuen Londoner Bürgermeister gewählt. (picture alliance / dpa / Hannah Mckay)
    Als Sadiq Khan vor acht Monaten nach einer innerparteilichen Stichwahl erfuhr, dass er als Kandidat der Labour-Party ins Rennen ums Londoner Rathaus geschickt würde, war er demütig – und sehr gerührt: Er hätte sich nie träumen lassen, so weit zu kommen. Wie viele andere Londoner auch verdanke er der Stadt einfach alles.
    1970 kam Khan in London zur Welt, seine Eltern waren erst kurz vorher aus Pakistan eingewandert. Mit sieben Geschwistern wuchs Khan in einer Sozialwohnung im Multikulti-Stadtteil Tooting auf, trat mit 15 Jahren in die Labour-Party ein. Sein Vater arbeitete als Busfahrer, seine Mutter als Näherin. Als Schüler wollte Khan eigentlich Zahnarzt werden. Ein Lehrer entdeckte aber, wie gut er argumentieren und reden konnte, und überzeugte ihn von einem Jura-Studium. Ein Aufstieg wie im Bilderbuch:
    "Diese Stadt hat meiner Familie, meinen Geschwistern und mir so viele Chancen eröffnet. Eine erschwingliche Wohnung, gute öffentliche Schulbildung, und den Unibesuch gemäß unserer Fähigkeiten und nicht gemäß unserer finanziellen Mittel."
    Vertreter eines modernen Islams
    Nach dem Studium arbeitete Khan als Rechtsanwalt für die britische Menschenrechtsgruppe Liberty, bevor er Politiker wurde. 2008 wurde er in der Regierung Blair erster musilimischer Minister in Großbritannien. Seine Frau Saadiya ist ebenfalls Anwältin, die beiden haben zwei Töchtern im Teenageralter. Khan vertritt einen modernen, aufgeschlossenen Islam. Es freue sich sehr, dass seine Mädchen in einer aufgeschlossenen Gesellschaft aufwachsen dürfen und anziehen können, was sie wollen, erzählte Khan kürzlich in einem Zeitungsinterview. Er unterstützte die Gleichstellung der Homoehe und erinnert sich, dass er 2005 vor seiner eigenen Moschee bedroht wurde, als er erstmals ins britische Unterhaus einzog:
    "Extremisten warfen mir vor, das göttliche Recht zu missachten, indem ich mich menschengemachten Gesetzen unterwarf."
    Schmutzkampagne gegen Khan ging nach hinten los
    Umso erstaunlicher, dass die konservative Konkurrenz in den letzten Tagen des Wahlkampfs ums Londoner Rathaus versuchte, Khan mit einer Schmutzkampagne in die Nähe von Extremisten zu rücken. Der Wahlausgang zeigt, dass das nicht geklappt hat. Im Gegenteil, was für ein große politischer Triumph freut sich Khans Parteifreund, der Abgeordnete David Lamy:
    "Das ist das erste Mal, dass ein Vertreter einer ethnischen Minderheit aus dem Parlament von Millionen Wählern, in einer der wichtigsten Hauptstädte der Welt, ein solches Mandat erhält. Er ist Muslim in einer Zeit, in der immer die Gefahr des Fundamentalismus heraufbeschworen wird. Was für eine eindrucksvoller Sieg, das Ergebnis macht mich froh, Brite zu sein."
    Die die ihn gewählt haben wünschen sich nun, dass er die Probleme auf dem überteuerten Wohnungsmarkt in den Griff kriegt, den öffentlichen Nahverkehr verbessert und den Umweltschutz in London verstärkt.
    "Guter Typ. Ich hoffe er sorgt für mehr Gerechtigkeit und schaut auf die kleinen Leute und nicht nur die Reichen."
    Genau das verspricht Khan: Er möchte Bürgermeister für alle Londoner sein und die Stadt wieder einen. Und noch ein Versprechen gibt er: Er wolle immer ordentlich gekämmt auftreten. Ein kleiner Seitenhieb gegen seinen Vorgänger Boris Johnson von den Konservativen, dessen Markenzeichen sein verwuschelter Blondschopf war.