Liminski: 10 der 25 EU-Länder haben die Verfassung bereits ratifiziert. In 14 steht die Ent-scheidung noch aus. Gestern hat Frankreich entschieden und eigentlich den Prozess gestoppt, denn die Mehrheit der Franzosen entschied mit Nein. Was hat das für Folgen in Frankreich und für Europa, insbesondere die deutsch-französische Freundschaft? Zu diesen Fragen begrüße ich den französischen Handelsminister François Loos. Guten Morgen Herr Loos!
Loos: Guten Morgen!
Liminski: Herr Loos, Ihre Regierung hat für das Ja gekämpft. Es hat nicht gereicht. Ist damit die Basis für die Legitimation dieser Regierung entfallen? Wird die Regierung zurücktreten müssen?
Loos: Ja. Also in Frankreich ist dieser politische Prozess ganz außergewöhnlich gewesen. Wir hatten rechts unserer Partei eine fast hundertprozentige Mehrheit für das Ja, aber andere rechts waren dagegen und links war es halb und halb. Die sozialistische Partei hat eine interne Wahl gemacht. Da waren sie dafür, aber trotzdem hat die Hälfte der Sozialisten oder noch mehr für nein gewählt. Heute ist also alles ein bisschen zersplittert. Man kann nicht mehr sa-gen, diese Politik bedeutet ja oder nein. Jetzt müssen wir aber diese Situation ansehen und natürlich ist dann die Rede einer Reorganisation unserer Regierung. Der Präsident hat gestern Abend und schon zwei Tage vorher gesagt, dass er einen neuen Anstoß an die Politik geben will. Das heißt generell gesprochen, dass das eine Änderung der Regierung bedeutet.
Liminski: Wird denn eine neue Regierung auch einen neuen Europa-Kurs einschlagen? Gis-card d’Estaing, der Präsident des Verfassungskonvents, hat ja vor ein paar Tagen dazu gera-ten, erst einmal die anderen Staaten abstimmen zu lassen und dann das Referendum Ende 2006 zu wiederholen. Wäre das eine Lösung?
Loos: Für uns ist jetzt sehr wichtig, den anderen Ländern zu sagen, dass wir absolut mit ihnen weiter arbeiten wollen und können. Wir sind natürlich in einer Lage, wo wir jeden Tag wieder europäische Treffen haben und wir wollen natürlich mitmachen, mithandeln, mit-bestimmen. Das ist das Wichtigste heute. Das zweite ist natürlich, dass die anderen Länder ihren Wahlprozess auch weiter machen. Nur am Ende kann man sich dann die Frage stellen, ob etwas zu machen ist. Aber dass die anderen 14 das weiter machen, das ist natürlich notwen-dig.
Liminski: War denn die Erweiterung der EU eine Überdehnung? Hat man in Brüssel den Menschen zu viel zugemutet, so dass die Franzosen jetzt auch vielleicht vor einer noch größe-ren Erweiterung Angst hatten?
Loos: Die Erweiterung an sich ist wahrscheinlich schlecht von den Leuten angesehen wor-den, weil die Arbeitsplätze verschwinden, weil sie nach Osten gehen und auch natürlich nach China oder Indien, aber diese Angst vor dem Verlust der Arbeitsplätze ist natürlich mit der Er-weiterung verknüpft. Bei den Arbeitern hat man gesehen, dass die Arbeiter sehr hoch Nein ge-wählt haben. Wahrscheinlich ist das damit zu erklären.
Liminski: Wird es denn eine neue Erweiterungsrunde geben können? Zum Beispiel kann die Türkei unter diesen Umständen Vollmitglied werden? Können Sie sich das vorstellen?
Loos: Wir haben in unserem Grundgesetz seit jetzt zwei oder drei Monaten eingeschrieben, dass ein neues Land nur in Europa hinein kommen kann nach einem Referendum in Frankreich. Das heißt, wenn jetzt die Frage von der Türkei konkret gestellt sein sollte, dann müssten wir Franzosen, um ja zu sagen, in einem Referendum ja sagen.
Liminski: Aber nach heutigem Kenntnisstand ist die Mehrheit der Bevölkerung in Frankreich ja eher gegen einen Türkei-Beitritt.
Loos: Ja, das kann man sagen, natürlich!
Liminski: Deutschland hat nun ratifiziert. Frankreich sagt nein zur Verfassung der EU. Scha-det das der deutsch-französischen Freundschaft?
Loos: Das hoffen wir natürlich nicht und darum müssen wir uns in den nächsten Tagen so-fort bemühen und unsere Gespräche so tief behalten, wie sie jetzt sind. Es ist notwendig nach dem Nizza-Vertrag, dass die Deutschen und die Franzosen sich vorher zusammen anhand ihrer Meinungen vergleichen, damit wir unsere Projekte durchbringen können. Wir wollen das weiter machen und wir müssen das weiter machen. Ich glaube es ist nicht nur notwendig in den Zah-len der Stimmen, sondern das ist auch notwendig, weil die zwei Kulturen verschieden sind. Wenn wir zusammen ein Projekt haben, dann haben wir die Chance, dass die anderen Länder das auch annehmen.
Liminski: Sie sagen, sofort in den nächsten Tagen müssen wir uns bemühen. Wird es denn eine neue gemeinsame Initiative Frankreichs und Deutschlands geben, um nicht in eine Euro-pa-Depression zu verfallen?
Loos: Ich glaube wir brauchen wahrscheinlich ein paar Tage und ein paar Gespräche mit unseren Partnern in der nächsten Zeit, um zu sehen was das alles bedeutet. Wenn es notwen-dig wäre, zukünftige Initiativen vorzuschlagen, ist es natürlich wichtig, das zu debattieren. Ich glaube aber das ist jetzt ein bisschen zu schnell und das ist etwas, was wir in den nächsten Tagen und Wochen machen müssen.
Liminski: Frankreichs Nein verändert die politische Landschaft in Frankreich und auch in Europa. Das war François Loos, Handelsminister in der französischen Regierung, die vermutlich noch heute am Montag zurücktreten wird. Besten Dank für das Gespräch, Herr Loos!
Loos: Vielen Dank!
Loos: Guten Morgen!
Liminski: Herr Loos, Ihre Regierung hat für das Ja gekämpft. Es hat nicht gereicht. Ist damit die Basis für die Legitimation dieser Regierung entfallen? Wird die Regierung zurücktreten müssen?
Loos: Ja. Also in Frankreich ist dieser politische Prozess ganz außergewöhnlich gewesen. Wir hatten rechts unserer Partei eine fast hundertprozentige Mehrheit für das Ja, aber andere rechts waren dagegen und links war es halb und halb. Die sozialistische Partei hat eine interne Wahl gemacht. Da waren sie dafür, aber trotzdem hat die Hälfte der Sozialisten oder noch mehr für nein gewählt. Heute ist also alles ein bisschen zersplittert. Man kann nicht mehr sa-gen, diese Politik bedeutet ja oder nein. Jetzt müssen wir aber diese Situation ansehen und natürlich ist dann die Rede einer Reorganisation unserer Regierung. Der Präsident hat gestern Abend und schon zwei Tage vorher gesagt, dass er einen neuen Anstoß an die Politik geben will. Das heißt generell gesprochen, dass das eine Änderung der Regierung bedeutet.
Liminski: Wird denn eine neue Regierung auch einen neuen Europa-Kurs einschlagen? Gis-card d’Estaing, der Präsident des Verfassungskonvents, hat ja vor ein paar Tagen dazu gera-ten, erst einmal die anderen Staaten abstimmen zu lassen und dann das Referendum Ende 2006 zu wiederholen. Wäre das eine Lösung?
Loos: Für uns ist jetzt sehr wichtig, den anderen Ländern zu sagen, dass wir absolut mit ihnen weiter arbeiten wollen und können. Wir sind natürlich in einer Lage, wo wir jeden Tag wieder europäische Treffen haben und wir wollen natürlich mitmachen, mithandeln, mit-bestimmen. Das ist das Wichtigste heute. Das zweite ist natürlich, dass die anderen Länder ihren Wahlprozess auch weiter machen. Nur am Ende kann man sich dann die Frage stellen, ob etwas zu machen ist. Aber dass die anderen 14 das weiter machen, das ist natürlich notwen-dig.
Liminski: War denn die Erweiterung der EU eine Überdehnung? Hat man in Brüssel den Menschen zu viel zugemutet, so dass die Franzosen jetzt auch vielleicht vor einer noch größe-ren Erweiterung Angst hatten?
Loos: Die Erweiterung an sich ist wahrscheinlich schlecht von den Leuten angesehen wor-den, weil die Arbeitsplätze verschwinden, weil sie nach Osten gehen und auch natürlich nach China oder Indien, aber diese Angst vor dem Verlust der Arbeitsplätze ist natürlich mit der Er-weiterung verknüpft. Bei den Arbeitern hat man gesehen, dass die Arbeiter sehr hoch Nein ge-wählt haben. Wahrscheinlich ist das damit zu erklären.
Liminski: Wird es denn eine neue Erweiterungsrunde geben können? Zum Beispiel kann die Türkei unter diesen Umständen Vollmitglied werden? Können Sie sich das vorstellen?
Loos: Wir haben in unserem Grundgesetz seit jetzt zwei oder drei Monaten eingeschrieben, dass ein neues Land nur in Europa hinein kommen kann nach einem Referendum in Frankreich. Das heißt, wenn jetzt die Frage von der Türkei konkret gestellt sein sollte, dann müssten wir Franzosen, um ja zu sagen, in einem Referendum ja sagen.
Liminski: Aber nach heutigem Kenntnisstand ist die Mehrheit der Bevölkerung in Frankreich ja eher gegen einen Türkei-Beitritt.
Loos: Ja, das kann man sagen, natürlich!
Liminski: Deutschland hat nun ratifiziert. Frankreich sagt nein zur Verfassung der EU. Scha-det das der deutsch-französischen Freundschaft?
Loos: Das hoffen wir natürlich nicht und darum müssen wir uns in den nächsten Tagen so-fort bemühen und unsere Gespräche so tief behalten, wie sie jetzt sind. Es ist notwendig nach dem Nizza-Vertrag, dass die Deutschen und die Franzosen sich vorher zusammen anhand ihrer Meinungen vergleichen, damit wir unsere Projekte durchbringen können. Wir wollen das weiter machen und wir müssen das weiter machen. Ich glaube es ist nicht nur notwendig in den Zah-len der Stimmen, sondern das ist auch notwendig, weil die zwei Kulturen verschieden sind. Wenn wir zusammen ein Projekt haben, dann haben wir die Chance, dass die anderen Länder das auch annehmen.
Liminski: Sie sagen, sofort in den nächsten Tagen müssen wir uns bemühen. Wird es denn eine neue gemeinsame Initiative Frankreichs und Deutschlands geben, um nicht in eine Euro-pa-Depression zu verfallen?
Loos: Ich glaube wir brauchen wahrscheinlich ein paar Tage und ein paar Gespräche mit unseren Partnern in der nächsten Zeit, um zu sehen was das alles bedeutet. Wenn es notwen-dig wäre, zukünftige Initiativen vorzuschlagen, ist es natürlich wichtig, das zu debattieren. Ich glaube aber das ist jetzt ein bisschen zu schnell und das ist etwas, was wir in den nächsten Tagen und Wochen machen müssen.
Liminski: Frankreichs Nein verändert die politische Landschaft in Frankreich und auch in Europa. Das war François Loos, Handelsminister in der französischen Regierung, die vermutlich noch heute am Montag zurücktreten wird. Besten Dank für das Gespräch, Herr Loos!
Loos: Vielen Dank!