Christoph Schmitz: Hat Loriot auch die Politiker ertappt, wie immer wieder uns Bundesdeutsche mit unseren Skurrilitäten? Das habe ich Bundestagspräsident Norbert Lammert gefragt.
Norbert Lammert: Ja, ganz gewiss, wie ja überhaupt der grandiose Beitrag von Loriot darin besteht, die Deutschen ihre Mentalität, ihre Gewohnheiten, auch ihre gelegentlich skurrilen Attitüden in einer Weise im wörtlichen und übertragenen Sinne vorgeführt zu haben, dass uns gelegentlich die Augen übergegangen sind.
Schmitz: Der Kabarettist Dieter Hildebrandt sagte einmal über Loriot, dass Loriot es immer sei, auf den man sich beruft, wenn man die Frage stellt, ob es einen deutschen Humor gibt oder auch nicht. Hildebrandt dann weiter: "Nachdem es keinen zweiten Loriot gibt, ist er verantwortlich dafür, dass es den deutschen Humor wirklich gibt." Nun meine Frage: Hat Loriot etwas mit deutschem Humor zu tun? Was meinen Sie, Herr Lammert?
Lammert: Also es würde mir sehr gefallen, wenn Dieter Hildebrandt mit dieser Vermutung recht hätte. Aber für so repräsentativ halte ich Loriots Humor für die Deutschen noch immer nicht. Aber dass es ihm gelungen ist, in seiner subtilen Ironie selbstkritisch und zugleich gelassen über uns und unsere Verhaltensgewohnheiten zu reflektieren, das ist schon der ganz herausragende besondere Beitrag, den Loriot auch zum Selbstverständnis unseres Landes geleistet hat.
Schmitz: Ist er wirklich der Kabarettist, der Humorist, der Karikaturist der alten Bundesrepublik?
Lammert: Ja mit mindestens so guten Gründen könnte man ihn für den Repräsentanten der neuen Bundesrepublik erklären. Vieles was Loriot in seinen Sketchen und in seinen Filmen persifliert, sind ja Verhaltensmuster, die ich jedenfalls eher dem alten Deutschland zuordnen würde, die Neigung sozusagen zu teutonischer Gründlichkeit, alles und jedes wenn, dann in übertriebener Weise praktizieren zu wollen, also Sonderangebote gleich hundertfach beschaffen zu wollen, oder beim Bettenkauf ganze Möbelhäuser in Verzweiflung zu treiben, weil auch noch das letzte ausgestellte Bett einem Praxistest unterzogen werden muss. Also diese nicht ganz zu unrecht nachgesagte Unsitte, alles, wenn wir es überhaupt machen, gleich mit übertriebenem Eifer zu verfolgen, das hat niemand in einer brillanteren Weise begriffen und vorgeführt als Loriot.
Schmitz: Da sind wir schon bei einem konkreten Sketch. Deswegen meine Frage: Was hat Ihnen, Herr Lammert, immer am besten an Loriot gefallen, oder welche Nummer von ihm?
Lammert: Also die beste Nummer gibt es nicht. Ich kann Ihnen gerne mein Lieblingszitat von Loriot nennen, das kommt in keinem seiner Sketche vor, aber es verdeutlicht die Persönlichkeit. Für Loriot gilt ja wie für alle großen Humoristen, dass sie nicht Komiker sind, sondern sehr ernsthafte Menschen mit einem besonderen Beobachtungsvermögen und Gespür für Entwicklungen, auch für Fehlentwicklungen, und Loriot, der ja aus einer alten Offiziersfamilie stammt, hat in einem Interview auf die Frage seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg, ob er ein guter Soldat gewesen sei, geantwortet, jedenfalls nicht gut genug, sonst hätte ich zum Widerstand gehört.
Schmitz: Das ist unverkennbar Loriot. – Was verliert denn das Komiker-Genre mit dem Tod von Loriot, den sanften Humor, auch den menschenfreundlichen Humor?
Lammert: Also definitiv verlieren wir eine der ganz großen Persönlichkeiten unserer Zeit. Es wäre zu schade, wenn wir mit ihm auch dieses Vermächtnis verlieren würden, das er in seinen zahllosen Beiträgen hinterlassen hat. Ich bin aber auch da ganz zuversichtlich, dass er tatsächlich diesem Land nicht nur einen brillanten Spiegel vorgehalten hat, sondern durch seinen lebensnahen und menschenfreundlichen Umgang auch dazu beigetragen hat, uns zu einem selbstkritischeren und gleichzeitig gelasseneren Verhältnis zu uns selbst, zu unserer Geschichte, unseren Verhaltensgewohnheiten zu führen.
Schmitz: Bundestagspräsident Norbert Lammert über Loriot. Ein ausführliches Loriot-Porträt hören sie morgen in unserer Sendung "Querköpfe" um 21.05 Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Programmtipp:
Mittwoch, 24.8.2011, 21.05 Uhr:
Querköpfe - Kabarett, Comedy & schräge Lieder
"Die Ente bleibt draußen - eine humoristische Trauerfeier für Loriot"
Norbert Lammert: Ja, ganz gewiss, wie ja überhaupt der grandiose Beitrag von Loriot darin besteht, die Deutschen ihre Mentalität, ihre Gewohnheiten, auch ihre gelegentlich skurrilen Attitüden in einer Weise im wörtlichen und übertragenen Sinne vorgeführt zu haben, dass uns gelegentlich die Augen übergegangen sind.
Schmitz: Der Kabarettist Dieter Hildebrandt sagte einmal über Loriot, dass Loriot es immer sei, auf den man sich beruft, wenn man die Frage stellt, ob es einen deutschen Humor gibt oder auch nicht. Hildebrandt dann weiter: "Nachdem es keinen zweiten Loriot gibt, ist er verantwortlich dafür, dass es den deutschen Humor wirklich gibt." Nun meine Frage: Hat Loriot etwas mit deutschem Humor zu tun? Was meinen Sie, Herr Lammert?
Lammert: Also es würde mir sehr gefallen, wenn Dieter Hildebrandt mit dieser Vermutung recht hätte. Aber für so repräsentativ halte ich Loriots Humor für die Deutschen noch immer nicht. Aber dass es ihm gelungen ist, in seiner subtilen Ironie selbstkritisch und zugleich gelassen über uns und unsere Verhaltensgewohnheiten zu reflektieren, das ist schon der ganz herausragende besondere Beitrag, den Loriot auch zum Selbstverständnis unseres Landes geleistet hat.
Schmitz: Ist er wirklich der Kabarettist, der Humorist, der Karikaturist der alten Bundesrepublik?
Lammert: Ja mit mindestens so guten Gründen könnte man ihn für den Repräsentanten der neuen Bundesrepublik erklären. Vieles was Loriot in seinen Sketchen und in seinen Filmen persifliert, sind ja Verhaltensmuster, die ich jedenfalls eher dem alten Deutschland zuordnen würde, die Neigung sozusagen zu teutonischer Gründlichkeit, alles und jedes wenn, dann in übertriebener Weise praktizieren zu wollen, also Sonderangebote gleich hundertfach beschaffen zu wollen, oder beim Bettenkauf ganze Möbelhäuser in Verzweiflung zu treiben, weil auch noch das letzte ausgestellte Bett einem Praxistest unterzogen werden muss. Also diese nicht ganz zu unrecht nachgesagte Unsitte, alles, wenn wir es überhaupt machen, gleich mit übertriebenem Eifer zu verfolgen, das hat niemand in einer brillanteren Weise begriffen und vorgeführt als Loriot.
Schmitz: Da sind wir schon bei einem konkreten Sketch. Deswegen meine Frage: Was hat Ihnen, Herr Lammert, immer am besten an Loriot gefallen, oder welche Nummer von ihm?
Lammert: Also die beste Nummer gibt es nicht. Ich kann Ihnen gerne mein Lieblingszitat von Loriot nennen, das kommt in keinem seiner Sketche vor, aber es verdeutlicht die Persönlichkeit. Für Loriot gilt ja wie für alle großen Humoristen, dass sie nicht Komiker sind, sondern sehr ernsthafte Menschen mit einem besonderen Beobachtungsvermögen und Gespür für Entwicklungen, auch für Fehlentwicklungen, und Loriot, der ja aus einer alten Offiziersfamilie stammt, hat in einem Interview auf die Frage seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg, ob er ein guter Soldat gewesen sei, geantwortet, jedenfalls nicht gut genug, sonst hätte ich zum Widerstand gehört.
Schmitz: Das ist unverkennbar Loriot. – Was verliert denn das Komiker-Genre mit dem Tod von Loriot, den sanften Humor, auch den menschenfreundlichen Humor?
Lammert: Also definitiv verlieren wir eine der ganz großen Persönlichkeiten unserer Zeit. Es wäre zu schade, wenn wir mit ihm auch dieses Vermächtnis verlieren würden, das er in seinen zahllosen Beiträgen hinterlassen hat. Ich bin aber auch da ganz zuversichtlich, dass er tatsächlich diesem Land nicht nur einen brillanten Spiegel vorgehalten hat, sondern durch seinen lebensnahen und menschenfreundlichen Umgang auch dazu beigetragen hat, uns zu einem selbstkritischeren und gleichzeitig gelasseneren Verhältnis zu uns selbst, zu unserer Geschichte, unseren Verhaltensgewohnheiten zu führen.
Schmitz: Bundestagspräsident Norbert Lammert über Loriot. Ein ausführliches Loriot-Porträt hören sie morgen in unserer Sendung "Querköpfe" um 21.05 Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Programmtipp:
Mittwoch, 24.8.2011, 21.05 Uhr:
Querköpfe - Kabarett, Comedy & schräge Lieder
"Die Ente bleibt draußen - eine humoristische Trauerfeier für Loriot"