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Loriots Schattengewächse kommen ans Licht

Seine Möpse und das grüne Sofa sind legendär: Der Künstler Loriot beherrschte mit seinen Zeichnungen der Knollennasenmännchen die Medienlandschaft der Nachkriegszeit. In seinen frühen Jahren wurden seine Werke aber oft von den Verlagen abgelehnt. Die zeigt das Münchner Literaturhaus jetzt in der Ausstellung "Loriot. Die Spätlese".

Von Susanne Lettenbauer | 19.09.2013
    Man muss schon genau hinschauen in dieser Ausstellung. Loriot, der derbe Kritiker, der Humorist mit oftmals bitterbösen Plattitüden, der Satiriker, der der deutschen Gesellschaft bis zum Schluss den Spiegel vorhielt, dieser Loriot war ein Meister der leisen Töne. Mit winzigen Pinsel- oder Bleistiftstrichen malte er seine Möpse im Kleinformat, verpasste deutschen Geistesgrößen wie Albrecht Dürer, Wolfgang von Goethe oder Friedrich Schiller die berühmte Knollennase. Er lehnte sich an die kubistischen Stilistik eines Georges Braque an, ließ sich vom Realismus eines Edward Hopper inspirieren. Loriot, von dem fast nur Schwarz-Weiß-Zeichnungen veröffentlicht wurden, war außerdem ein Meister der Farbe, das zeigt jetzt die Ausstellung im Münchner Literaturhaus.

    In vier sorgfältig zusammengestellten Kabinetten mit Werken von 1952 bis 2010 präsentiert Kurator Peter Geyer wie aus dem Kunstabsolventen Vicco von Bülow der Loriot wurde, wie wir ihn kennen.:

    "Die Leute denken immer, na den Loriot den mögen ja alle. Wenn man sich anguckt, wie lange er kämpfen musste mit Absagen von seinen Verlagen, für die er regelmäßig gezeichnet hat und dass da eine Zeichnung ist, die klar eindeutig, witzig und verständlich ist und wo man ihm schreibt, man habe den Witz nicht verstanden. Da sieht man schon, wie sehr er seiner Zeit voraus war und dass er gottseidank sich den Versuchen des Verlags ihn anzupassen an andere Zeichner widersetzt hat."

    Tatsächlich musste aber auch ein Loriot fürs tägliche Brot arbeiten, das zeigen drei Monitore mit Trickfilmchen von 1959, 1968 und 1993: Loriots Weg durch die Werbelandschaft. So besserte Vicco von Bülow seine Bezüge durch Werbeclips auf: für die Soziale Marktwirtschaft, für die deutsche Post und – für Pfeifentabak:

    Man befinde sich inmitten eines Forschungsversuches, so Geyer, der 18 Jahre lang mit Loriot zusammenarbeitete. Noch nie wurden die kleinformatigen Aquarelle oder Entwurfszeichnungen für die Verlage so gesammelt präsentiert wie jetzt in München. Natürlich sind auch Gebrauchswerke der täglichen Arbeit darunter, Karikaturen, die den Irrsinn der deutschen Bürokratie aufs Korn nehmen.

    Genauso unkonventionell wie sein Blick auf die Gesellschaft war auch Loriots Blick auf sein Privatleben und Hausgäste, was ihn anfangs überraschte, sagt Kurator Geyer.

    "Was uns wirklich überrascht hat, war, dass Loriot über Jahre seine Besucher nicht in ein Gästebuch schreiben ließ, sondern sie immer in der gleichen Kulisse nämlich mit Säule und Vorhang abgelichtet hat."

    So steht der Schauspieler Horst Buchholz ebenso an der Säule wie kurvenreiche Models der 1950er-Jahre. Dass bei einer dieser Hauspartys ein schwarz-weisser Ministummfilm á la Hitchcock entstand, verwundert da gar nicht mehr: die toten Augen von Gauting – mit Plastikfisch in der Badewanne und Psychoschrei in der Dusche. Ein erster Versuch des späteren Regisseurs von Pappa ante Portas und Ödipussi.

    Als Herzstück der Ausstellung aber dürfte man die Nachtschattengewächse nennen, ein dunkel abgesetztes Kabinett mit erstaunlich farbigen Nachtarbeiten des unter Schlafmangel leidenden Vicco von Bülow. Dort ist auf winzigen Leinwänden der eigentliche Künstler Bülow zu sehen: feinnervig, verletzlich, überpenibel. Allein dafür lohnt die Ausstellung in München, die danach noch in Stuttgart und Hannover zu sehen ist.

    Also kommen Sie nicht in die Ausstellung, wenn Sie ein Sofa erwarten, die Herren im Bade sehen wollen oder die Nudel, nein München verweigert sich den Plattitüden. Hier sieht man den Künstler Loriot, der nach der Maxime lebte: "Die eigene Fantasie ist doch gar nicht einzuholen."

    Loriot: 1923 in Brandenburg an der Havel geboren studierte Vicco von Bülow Malerei und Grafik an der Kunstakademie Hamburg. Seine ersten Zeichnungen für den Stern riefen massive Leserproteste hervor.