Trommeln und Rasseln zur Begrüßung von Lothar Matthäus bei den Accra Lions. Gemeinsam mit zwei weiteren Investoren kaufte Deutschlands Rekordnationalspieler den Verein aus Ghanas Hauptstadt im Mai für rund zwei Millionen Euro. "Natürlich ist es auch ein Businessmodell. Denn natürlich steckt man irgendwo Geld rein, dass es auch irgendwann wieder zurück kommt durch gute Transfers", sagt Matthäus damals gegenüber "Bild".
Menschen in Ghana sehen Einstieg von Matthäus nicht kritisch
Ein Deutscher nutzt junge ghanaische Fußballer als Geschäftsmodell. Was zunächst problematisch klingen könnte, komme in Accra aber bisher gut an, sagt der ghanaische Sportjournalist Saddick Adams. "Ich finde das nicht beunruhigend. Denn das war schon immer das Konzept der Accra Lions. Es ist ein Verein, der als Geschäftsinstrument gegründet wurde, um junge Spieler zu rekrutieren und sie zu Klubs in Europa zu transferieren."
Mit 16 oder 17 Jahren spielen die Talente bei den Accra Lions bereits in der ersten Mannschaft. Mit 18 dürfen die Spieler nach Europa wechseln. „Die Haupteinnahmequellen sind bei uns wie bei jedem Verein Transfereinnahmen und auch Weiterverkaufsbeteiligungen“, sagt Fiete Kaupp, stellvertretender Leiter der Nachwuchs-Akademie bei den Accra Lions.
Das bisher prominenteste Beispiel: Osman Bukari. Mit 19 wechselte er für 50.000 Euro von den Accra Lions in die Slowakei. Inzwischen spielt Bukari für Roter Stern Belgrad in Serbien und traf bei der Weltmeisterschaft in Katar für Ghana gegen Portugal. Bukaris Marktwert heute: 6,5 Millionen Euro.
Spieler aus Afrika wechseln zunächst in kleinere europäische Ligen
"Ich denke, dass viele kleinere Ligen, wie zum Beispiel Rumänien, Moldawien oder Aserbaidschan öfter in diese afrikanischen Märkte gehen werden“, erklärt der südafrikanische Fußballexperte Lorenz Köhler. „Sie können einen Spieler für 50.000 bis 100.000 Euro unter Vertrag nehmen und ihn in der nächsten Saison für bestimmt sieben Millionen weiterverkaufen. (...) Aber man wird nicht oft sehen, dass ein AC Mailand oder Paris Saint-Germain zu einer afrikanischen Mannschaft kommt und Spieler direkt verpflichtet. Die Anforderungen sind einfach viel zu hoch geworden."
Wie und wie viel Matthäus an künftigen Spielerverkäufen verdient und welche Pläne er konkret mit den Accra Lions hat – dazu gibt sein Management auf Anfrage des Deutschlandfunks keine Rückmeldung. Fiete Kaupp aber beschreibt die Ambitionen des Vereins so: „Wir haben schon eine hohe Zielsetzung, dass wir mit zu den besten Ausbildungsvereinen in Westafrika gehören wollen.“
Accra Lions wollen in Infrastruktur und Schulbildung investieren
Dafür fließt das frische Geld zunächst in die Infrastruktur. Der Verein will eine Art Nachwuchsleistungszentrum nach europäischen Vorbild bauen. Heißt: Fußball und akademische Ausbildung unter einem Dach. Auf diese soziale Verantwortung legt der Verein laut eigener Aussage viel Wert. Denn nur wenige Spieler werden den Sprung nach Europa schaffen. „Leider ist es hier in diesem Land so, dass trotzdem eine hohe Arbeitslosigkeit auch bei jungen Menschen ist. Klar, man kann so argumentieren, dass dieser Weg sehr schwierig ist. Aber am Ende sehe ich hier leider kein Idealweg, wo man sagen kann, okay, und dann bin ich sicher in fünf Jahren angestellt“, sagt Fiete Kaupp.
Ein paar Spieler pro Jahr könnten also von Matthäus‘ Investment profitieren. Aber hilft das Geld auch dem Fußball in Ghana insgesamt? "Um ganz ehrlich zu sein: Dass Lothar Matthäus nach Ghana kommt, wird nichts an der Liga hier verändern. Wie er bereits sagte: Er ist aus geschäftlichen Gründen hier, nicht um den ghanaischen Fußball zu stärken“, sagt Sportjournalist Saddick Adams.
Köhler: „Fußball in Ghana an seinem Tiefpunkt“
Dabei wäre das bitter nötig. „Der Staat finanziert ja zum Beispiel auch die ghanaische Nationalmannschaft, das so eigentlich überhaupt nicht vorgesehen ist“, so Fiete Kaupp. Doch aktuell fehlen in Ghana allgemeine Investitionen in den Fußball, die nicht direkt gewinnorientiert sind - von Sponsoren, der FIFA und vor allem dem ghanaischen Fußballverband. "Der ghanaische Fußball ist wahrscheinlich gerade an seinem Tiefpunkt“, glaubt Fußballexperte Lorenz Köhler.
Der Einstieg von Lothar Matthäus bei den Accra Lions könnte aber zumindest ein Anfang sein. „Es geht nur um Investitionen und die richtige Verwaltung, die richtigen Strukturen. Und vielleicht wird Lothar etwas vom DFB mitbringen, vielleicht einige junge deutsche Trainer, und das kann nur gut sein für die Entwicklung des Vereins und für die Entwicklung des heimischen Fußballs in Ghana", so Köhler.
Matthäus lotste 1993 schon Samuel Kouffour zum FC Bayern
Dass es im Land seit Jahren genug talentierte Spieler gibt, weiß Matthäus aus eigener Erfahrung. 1993 überzeugte er die Verantwortlichen beim FC Bayern um Uli Hoeneß, den damals 18-Jährigen Samuel Kouffour zu verpflichten. „Wenn er zu viel kostet, dann übernehme ich die Ablöse und du das Gehalt. Und wenn wir ihn weiterverkaufen, dann teilen wir uns den Gewinn“, berichtete Matthäus gegenüber "Bild".
Kouffour entwickelte sich zum Stammspieler beim FC Bayern, gewann die Champions League und fünf Meistertitel. Nach diesem Vorbild will Matthäus nun in Ghana mit den Talenten der Accra Lions Geld verdienen.