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Loveparade-Unglück
Staatsanwaltschaft will Verfahren mit Beschwerde erreichen

Das Unglück bei der Loveparade in Duisburg im Jahr 2010 wird vorerst nicht strafrechtlich aufgeklärt. Das zuständige Gericht hat die Klage der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Medienberichten zufolge war das Gericht mit einem zentralen Gutachten unzufrieden. Ein Anwalt der Nebenklage spricht von einem Justizskandal, die Ermittler kündigten eine Beschwerde an.

    Fotos der Opfer, Kerzen und Blumen an der Loveparade-Gedenkstätte in Duisburg.
    Fotos der Opfer, Kerzen und Blumen an der Loveparade-Gedenkstätte in Duisburg. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
    Zur Begründung teilte das Landgericht Duisburg mit, gegen die zehn Angeklagten bestehe "kein hinreichender Tatverdacht". Die Vorwürfe der Anklage könnten mit den vorgelegten Beweismitteln nicht belegt werden. Eine Verurteilung der Angeklagten sei deshalb nicht zu erwarten.
    Gutachten warf Fragen auf
    Zu Fall gebracht hat die Klage das Gutachten eines Panikforschers. Es galt als zentrales Element der Anklage. Die Ermittler hatten den britischen Gutachter Keith Still beauftragt, die Ursachen für die Katastrophe zu untersuchen. Mit einer ersten Fassung war das Gericht nicht zufrieden und stellte über 70 Nachfragen. Er kam darin zu dem Schluss, dass die Behörden die Feier nie hätten genehmigen dürfen.
    Das Gericht hält das Dokument allerdings für "nicht verwertbar", weil es "gravierende inhaltliche und methodische Mängel" gebe. Inhaltlich seien zum Beispiel nicht alle denkbaren Ursachen für das Unglück in dem Gutachten behandelt worden und es gebe inhaltliche Widersprüche. Außerdem habe der Brite deutsche Rechtsbegriffe falsch verwendet und - wegen mangelnder Sprachkenntnisse - gar nicht alle Unterlagen selbst sichten können. Wie die "Süddeutsche Zeitung" seinerzeit berichtete, seien zum Beispiel Hilfskräfte des Professors nicht angegeben worden.
    Zweifel an Glaubwürdigkeit des Gutachters
    Auch die Unparteilichkeit von Still zweifelt das Gericht an - er habe sich öffentlich unsachlich zu dem Fall geäußert und sich selbst nicht als unabhängigen Gutachter gesehen. Ín dem 460-seitigen Ablehnungsbeschluss des Gerichts wird außerdem die Argumentation der Staatsanwaltschaft in Zweifel gezogen, wonach das Unglück wegen Planungs- und Genehmigungsfehlern nicht zu verhindern war.
    Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg waren in einem Gedränge 21 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzten worden. Die Staatsanwaltschaft erhob schließlich gegen sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters Anklage - wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung.
    Nebenklage-Anwalt spricht von "Justizskandal"
    Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter sagte zur der Ablehnung der Anklage: "Das ist ein Justizskandal, nach fünfeinhalb Jahren Ermittlungen zu so einem Ergebnis zu kommen". Er sprach von einer Bankrotterklärung der Justiz. Reiter vertritt etwa 100 Betroffene, darunter die Angehörigen von vier Todesopfern. Die Nebenkläger können gegen den Beschluss des Gerichts binnen einer Woche Beschwerde einlegen. Anwalt Reiter kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen.
    Die Staatsanwaltschaft legte bereits Beschwerde ein. Der Beschluss sei nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft, teilte die Anklagebehörde mit. Sie kritisierte zudem, die Kammer hätte sich bei Zweifeln an dem Gutachten "veranlasst sehen müssen, einen zweiten Gutachter zu beauftragen". Das sei gängige Praxis. Das Gericht widersprach dem. Über die Beschwerde entscheidet nun das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das kann Monate dauern.
    Neben dem strafrechtlichen Prozess sind mehrere Zivilklagen beim Landgericht Duisburg anhängig, in denen Schadenersatz vom Veranstalter, der Stadt und dem Land Nordrhein-Westfalen gefordert werden.
    (pr/jcs)