Hochtechnologie steht weit oben auf der politischen Agenda im Kampf gegen die Klimakrise und um den steigenden Bedarf an Rohstoffen und Energie zu decken. Viele der technischen Lösungen erfordern jedoch extreme Anstrengungen oder aber unrealistisch schnelle Entwicklungen - von der Wasserstoffwirtschaft über die Kernfusion bis zur Rückgewinnung von Treibhausgasen aus der Luft.
Die Lowtech-Bewegung setzt hingegen auf einfache Technik, die jeder bedienen und sogar reparieren kann, in Verfahren, die kaum Ressourcen verbrauchen und teilweise Jahrhunderte alt sind. Lowtech-Apologeten glauben, dass einfache Technik heute schon alle Bedürfnisse befriedigen könnte, ohne den Planeten über Gebühr zu belasten.
Welche Lowtech-Lösungen gibt es bereits?
Die Biogasanlagen im Rucksack der deutschen Agraringenieurin Katrin Pütz sind für Bauern in Afrika gedacht, die damit Gas zum Kochen produzieren und das produzierte Gas verkaufen können. Die vergorene Masse lässt sich zudem als Dünger verwenden. Seit der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise sind die Anlagen auch in Deutschland zunehmend gefragt.
Mit dem Hohnenheimer Tunneltrockner des deutschen Ingenieurs Werner Mühlbauer lassen sich Früchte, Getreide, Fleisch oder Fisch haltbar machen, ohne elektrischen Strom. Für den nötigen Luftdurchzug kann ein mit Solarenergie betriebener Ventilator verwendet werden. Die Trockner sind nach Auskunft der Universität Kassel in über 60 Ländern in den Tropen und Subtropen im Einsatz.
Auch für den Kühlschrank gibt es Alternativen: Klemens Jakob lebt in Isingen am Fuß der Schwäbischen Alb und ist sowohl bei Energie, Wasser als auch Abwasser, er verwendet einen Naturkühlschrank ohne Strom. Er besteht aus gebrannten Ton, der die Feuchtigkeit aufnimmt, die dann nach außen verdunstet und nach innen Kälte abgibt, erklärt er.
Die niederländische Firma Groundfridge produziert Erdkeller. Dabei wird eine rund acht Kubikmeter große, begehbare Kapsel aus Plastik einen Meter unter in die Erde eingelassen, ein bisschen wie früher in Bauernhäusern. Damit lässt sich die Temperatur ganzjährig halten.
Aus Sicht von Kris de Dekker, dem Herausgeber des Low Tech Magazine, ist das Konzept, ganze Räume zu heizen, Energieverschwendung. Stattdessen geht es darum, Personen zu wärmen. Darum benutzt er Wärmflaschen, an kalten Tagen auch mehrere.
Direkte Solarenergie, die ohne Zwischenspeicher direkt zum Betreiben von Haushaltsgeräten verwendet wird, kommt auch in westlichen Ländern zum Einsatz, berichtet das Low Tech Magazine.
Mithilfe von Fermentation können Lebensmittel haltbar gemacht werden, ohne dass sie energieintensiv gekühlt werden müssen.
Und die etablierte Lowtech-Lösung für Mobilität: Das Fahrrad. "Es braucht nicht viele Materialien, es ist sauber. Es kann hundert Jahre halten, so lange man ein paar Teile ersetzt", sagt Philippe Biouix, der ein Buch über Lowtech geschrieben hat.
Welche Vorteile bietet Lowtech zu Hightech?
Backöfen, Sauna, Trockner – betrieben mit Sonnenenergie. Naturkühlschränke, Biogasanlagen oder massive Ziegelsteinwände bei sogenannten Lowtech-Gebäuden statt Styropor-Dämmung. Es gibt bereits eine ganze Menge von Lösungen für den Alltag, nicht nur für die ärmeren Länder, sondern auch in Europa.
Für Konsumenten und Verbraucherinnen ist Lowtech mit größerer Autonomie verbunden, die Produkte oder Methoden sind günstiger in der Anschaffung und Wartung.
Mit ihren Biogasanlagen, die praktisch von jedem innerhalb von zwei Stunden aufgebaut werden können, will die Agraringenieurin Katrin Pütz beispielsweise afrikanische Bauern zur Selbstständigkeit ermächtigen, statt auf Entwicklungshilfe angewiesen zu sein.
Welchen Beitrag könnte Lowtech gegen die Klimakrise leisten?
Im Jahr 2022 erreichte der weltweite Energiebedarf laut einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 650 Exajoule. Das ist der höchste Wert der gesamten Menschheitsgeschichte. Obwohl Erneuerbare Energien stark ausgebaut wurden, steigt auch die Menge verbrannter Kohle und verheizten Erdöls bis heute weiter an. In den Bereichen Ernährung, Mobilität und Gebäudenutzung entstehen die höchsten CO2-Emissionen.
Menschen, die mit Lowtech maßgeblich ihren Alltag gestalten, sind im globalen Norden bisher eine winzige Minderheit. Würden viele Menschen ihren Lebensstil und ihre Konsumgewohnheiten verändern, ließen sich Treibhausgasemissionen bis 2025 um 40 bis 70 Prozent verringern, sagt der Physiker Felix Creutzig vom Mercator-Institut in Berlin. Er ist leitender Autor eines Berichts des Weltklimarates.
Treibhausgase mit Lowtech um mehr als die Hälfte verringern
In seinem Bericht 2022 schlägt der Weltklimarat vor: Fahrgemeinschaften bilden, weniger Fleisch essen, kleinere Wohnräume – damit könnten viele Emissionen eingespart werden. Durch die verstärkte Nutzung von Lowtech entstünden zudem Folgeeffekte: Die Industrie müsste sich der veränderten Nachfrage anpassen und nachhaltiger produzieren.
Warum wird Lowtech so wenig eingesetzt?
Da sind persönliche Gewohnheiten: Ein Leben mit Biogas bedeutet auch, Warmwasser dann zu nutzen, wenn Sonne oder Biogas es genug erwärmt hätten. Oder die Kläranlage zu warten oder mit Abfällen zu füllen, wenn es nötig wird. Das könnten und wollten vermutlich nicht alle, sagt Elisabeth Endres vom Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur an der Universität Braunschweig. Um Lowtech-Lösungen nutzen zu können, müssen Verbraucher oft Eigeninitiative und Arbeit investieren, während die fertigen Lösungen der Industrie zum Kauf bereit im Schaufenster stehen.
Da sind etablierte Standards beim Häuserbau: Architekten, die davon abweichen wollen, um Ressourcen zu schonen, müssen das gut begründen und deshalb genauer planen. Dabei sei es längst möglich, so Architektin Endres, Bürogebäude zu bauen, die ohne Heizungs- und Klimatechnik auskommen und deren Innenräume trotzdem behaglich warm sind.
EU-Kommission plant Recht auf Reparatur
Nicht zuletzt ist die Politik gefragt, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Mehr Radverkehr ließe sich durch mehr sichere Radwege fördern, sagt Felix Creutzig vom Mercator-Institut. Das reduziert CO2-Emissionen. EU-Regulationen begünstigten derzeit aber schwerere Fahrzeuge, obwohl diese mehr Ressourcenverbrauch und größere Batterien hätten.
Mit dem Recht auf Reparatur, bekennt sich die EU-Kommission zur Idee einer Kreislaufwirtschaft statt der einer Wegwerfgesellschaft. Die Kommission schätzt, dass jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall entstehen, weil Geräte zu früh weggeworfen statt repariert werden. Ein Recht auf Reparatur würde die Autonomie der Verbraucher im Umgang mit ihren Geräten stärken und wäre somit ein Schritt zu Lowtech. Welche Produkte unter das neue Recht fallen, ist noch unklar, bestimmte Warengruppen werden ausgenommen sein.
tha