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Luchsauswilderung im Harz

Im Harz ist der Luchs vor rund zehn Jahren ausgewildert worden, was damals nicht überall auf Gegenliebe stieß. Doch inzwischen gilt diese Maßnahme unter Wildbiologen als eines der erfolgreichsten Auswilderungsprojekte in Deutschland.

Von Eva Werler |
    Tief im Harz, am Fuße des Brockens, in Bad Harzburg, sind die Wälder dicht und lichtdurchflutet. Wie ein Märchenwald aus vergangen Tagen sehen sie aus. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In gewisser Weise ist sie das auch: Seit einigen Jahren kann der Wanderer hier wieder auf Raubkatzen treffen, die vor gut 150 Jahren in ganz Deutschland ausgerottet worden sind: auf Luchse.

    Vor rund zehn Jahren setzte Forstingenieur Ole Anders im Nationalpark Harz die ersten Luchse aus. Ein Projekt, das jahrzehntelang diskutiert wurde. Die Jäger fürchteten, dass der Luchs zu viel Wild reißen würde, die Wildbiologen fragten sich, ob die Raubkatze in dem von vielen Verkehrswegen durchzogenen Harz überhaupt überleben könnte.

    Letztendlich setzten sich die Befürworter durch. Wildbiologe Antal Festitics über die Gründe.

    "Zum einen sind wir verpflichtet eine Gutmachung dessen, was unsere Vorfahren in Unwissenheit über biologische Zusammenhänge angestellt haben: Wir haben ihn ausgerottet, nun muss er wieder her. Und dann natürlich die Biodiversität erhöhen, und einfach eine Fauna schaffen, wie sie war, bevor wir da herumgewütet haben."

    Projektleiter Anders wählte für das Wiederansiedlungsprojekt keine Wildfänge, also frei lebende Luchse aus anderen Regionen aus, sondern Tiere, die er aus Wildparks oder aus Auffangstationen für entlaufene Wildtiere in den Harz holte. Das war eine falsche Entscheidung, denn einige Luchse waren zu zahm. Immer wieder gab es Meldungen, dass Tiere nah an Wohnhäuser gekommen seien oder sich mit den Hunden von Spaziergängern anlegt hätten. Doch aus den Fehlern habe er gelernt, erklärt Projektleiter Anders.

    "Wir haben auch im Rahmen des Projektes zwei wieder einfangen müssen, weil sie in unseren Augen doch zu zahm waren, das war dann so, wenn die einer Wandergruppe begegneten, dann war es so, dass am Ende die Wandergruppe neben dem Weg stand und dem Luchs Platz gemacht hat und nicht umgekehrt."

    In der darauffolgenden Zeit wählte der Forstingenieur die Raubkatzen sorgfältiger aus. Die zu zahmen Luchse kamen in ein eingezäuntes, weitläufiges Gehege. Zweimal wöchentlich gibt es dort öffentliche Fütterungen.

    Der Harz mit einer Fläche von 2500 Quadratkilometern und dichten Wäldern bietet den frei lebenden Tieren eigentlich gute Lebensbedingungen. Einziges Manko: die vielen Straßen. Für die Wissenschaftler war überraschend, dass es in den Anfangsjahren kaum Luchse gab, die überfahren wurden. Die erste Freude darüber wich aber in den vergangenen beiden Jahren.

    "Leider hat es dann doch einige verkehrstote Tiere gegeben: Es ist eine Luchsin mit vier Jungtieren überfahren worden, zwei junge Luches sind auf der Schienenstrecke bei Langelsheim überfahren worden."

    Trotz dieser Widrigkeiten sieht der Projektleiter einen Erfolg, weil inzwischen die ausgewilderten Luchse Nachwuchs bekommen haben. 24 Tiere sind seit 1999 ausgewildert worden.

    "Davon neun Männchen und 15 Weibchen und die reproduzieren auch schon , also es gibt wieder wildgeborenen Luchsnachwuchs im Harz, das ist ein großer Erfolg und der hat sich seit dem Jahr 2002 auch seit jedem Jahr wieder eingestellt."

    Genaue Zahlen, wie viele Luchse inzwischen den Harz durchstreifen, liegen nicht vor.

    "Es ist natürlich mittlerweile sehr schwer sowohl die Verluste, die es beim Luchs gibt als auch den Nachwuchs genau zu bestimmen. Der Luchs ist eine Tierart, die ist wieder im Harz angekommen, und ähnlich wie bei Rehen oder Schwarzwild ist es unmöglich, eine exakte Zahl anzugeben."

    Genau das sehen die Wildbiologen allerdings als Manko des Projekts. Mit einem finanziellen Aufwand von 50.000 Euro jährlich war es dem Forstingenieur aus Kostengründen nicht möglich, alle Tiere von Anfang an mit Sendern auszustatten, um zum Bespiel ihre Wanderbewegungen nachzuvollziehen. Erst ein Luchs ist im vergangenen Jahr mit einem Sender am Halsband ausgestattet worden.

    "Wir hoffen also da wieder Daten zu bekommen in den nächsten Jahren, einzelne Tiere werden mit Sendern ausgestattet. Wir möchten über die Flächengröße, die diese Tiere nutzen, die Streifgebietsgrößen, die mittlere Streifgebietsgröße hochrechnen und so herausfinden, wie viele Tiere sind wohl im Harz vorhanden."

    Für die Experten ist sicher: Wenn die Luchse genügend Wandermöglichkeiten bekommen, von Wald zu Wald, eventuell über Grünbrücken und Wildkorridore, dann wäre der Luchs bald in allen deutschen Mittelgebirgen wieder zu Hause. Langfristig betrachtet könnte dann der Bestand des leisen Räubers in ganz Mitteleuropa wieder als gesichert gelten. Im benachbarten Solling scheint er bereits angekommen zu sein.

    "Allerdings fehlen uns aus dem Harzvorland noch die Reproduktionsnachweise, das heißt, es scheint dort noch keinen Nachwuchs zu geben, das wäre ein erster großer Schritt, dass wir außerhalb des Harzes Luchse nachweisen können, die Nachwuchs führen, dann wären wir der Sache noch einen großen Schritt näher gekommen."

    Besonders wichtig sei, dass der Luchs vom Menschen akzeptiert werde, sagt Wildbiologe Festitics.

    "Die Menschen fragen: Wozu brauchen wir den Luchs. Es ist eine ethisch-moralische Pflicht. Und wir dürfen keine Hausaufgaben dem Luchs setzen und nicht immer den Nutzen in den Vordergrund stellen."