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Lucys tödlicher Fall
Der berühmte Frühmensch stürzte wohl vom Baum

Das Jahr 1974 steht in der Paläoanthropologie für einen der wichtigsten Funde: Im äthiopischen Afar-Dreieck wurde Lucy ausgegraben, die zu Australopithecus afarensis gehört, rund 3,2 Millionen Jahre alt. Seit mehr als 40 Jahren streiten Forscher über deren noch vorhandene Kletterfähigkeiten oder den bereits existierenden aufrechten Gang. Jetzt stellten Forscher die mögliche Todesursache Lucys vor.

Wissenschaftsjournalist Michael Stang im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Eine Frau betrachtet am 24.06.1988 im Senckenbergmuseum in Frankfurt am Main eine Rekonstruktion des Skeletts von "Lucy", eine Frau, die vor rund 3,2 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Äthiopiens lebte und eines der berühmtesten frühmenschlichen Fossilien ist.
    Eine Frau betrachtet am 24.06.1988 im Senckenbergmuseum in Frankfurt am Main eine Rekonstruktion des Skeletts von "Lucy" (Heinz Wieseler/dpa picture alliance)
    Ralf Krauter: Die Frage an Michael Stang, Anthropologe und Wissenschaftsjournalist, der für Forschung aktuell auch schon Lucys Fossilien in Äthiopien vor Ort angeschaut hat. Lucy soll an einem Sturz vom Baum gestorben sein. Wie kommen die Experten darauf?
    Michael Stang: Naja, sie haben sich das Skelett angeschaut, beziehungsweise als Lucy 2006 in den USA auf einer Wanderausstellung war, hatte sich John Kappelman von der Universität Texas die Knochen angeschaut und gestutzt - wie er schreibt: Er kam zu der Einschätzung, dass es so aussieht, als ob da eine große Stauchung in den Knochen gewesen ist. Und er hat die Knochen analysiert und hat gesehen - das Skelett ist ja relativ vollständig, zu 40 Prozent, erhalten - am Oberarm, an der Hüfte, am Langknochen des Oberschenkels sieht man Stauchungen, die darauf hinweisen, dass das Frühmenschenskelett tatsächlich vom Baum gefallen ist und - dass kann man rekonstruieren - dieser Sturz soll wohl aus zwölf Metern Höhe gewesen sein. Und dieser Sturz war so groß, dass Lucy tatsächlich an ihren inneren Verletzungen gestorben ist, denn das Skelett ist danach nicht mehr bewegt worden. Daher soll man das, so die Forscher, jetzt wohl nachvollziehen können.
    Krauter: Nun ist Lucys tödlicher Fall jetzt schon über drei Millionen Jahre her. Wie schlüssig ist denn diese forensische Analyse jetzt?
    Stang: Also gucken wir uns mal die Daten an, die heute in Nature vorgestellt werden: Das sind Vergleichsdaten auch von Schimpansen, die aus Schlafnestern gefallen sind, wo man diese Stauchungen, diese Brüche tatsächlich sehen kann. Es gibt auch Vergleichsdaten von Menschen, die gefallen sind, wo man Ähnlichkeiten sehen kann.
    Wenn es denn tatsächlich so gewesen ist, dass Lucy vom Baum gefallen ist, mit den Füßen aufgekommen ist und dann noch versucht hat, sich auf die Seite abzurollen. Sie war dann wohl auch noch wach, das heißt, sie ist nicht bewusstlos oder schlafend aus großer Höhe gefallen, sondern sie war tatsächlich wach. Ob das jetzt so ist, dass müssen andere beurteilen. Aber man muss auch sagen: Nature ist ein hervorragendes Fachjournal, die Studie wurde begutachtet und das heißt, da gibt es schon einige Schlüsse, die wohl rechtens sind, also es gibt diese Daten, die darauf hinweisen, dass diese bestimmten Brüche vorhanden waren.
    Das gesamte Gespräch können Sie noch mindestens sechs Monate ab Sendungsdatum in unserer Mediathek nachhören.