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Lübcke-Mord
Steinbach weist Vorwurf der Hetze zurück

Die AfD-nahe Politikerin Erika Steinbach hat den Vorwurf zurückgewiesen, in den sozialen Medien Stimmung gegen den ermordeten Politiker Walter Lübcke gemacht zu haben. Zwar habe sie im Februar einen kritischen Post über ihn veröffentlicht, die Debatte aber nicht befeuert, sagte sie im Dlf.

Erika Steinbach im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
30.06.2018, Bayern, Augsburg: Erika Steinbach, Vorsitzende der Stiftung Desiderius-Erasmus, auf dem Bundesparteitag der AfD
Erika Steinbach ist Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (dpa)
"Ich habe sehr deutlich den Mord an Herrn Lübcke verurteilt und habe auch deutlich gemacht, dass es weder Rechts- noch Linksextremen gestattet sein darf, sich derartig hier im Lande zu verhalten", sagte Erika Steinbach im Dlf.
Steinbach, die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist, hatte im Februar einen Post über den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke veröffentlicht, der von Rechtsradikalen auch mit Bildern von Schusswaffen und Galgen kommentiert worden war. Sie habe darin eine Aussage von Lübcke aus dem Jahr 2015 aufgegriffen, weil sie immer wieder auf alte Aussagen von Politikern zurückgreife und Lübckes Ansichten verurteilt habe. "Ich habe die Debatte nicht befeuert."
"Nichts, was jemand sagt, rechtfertigt einen Mord"
Die zahlreichen Kommentare habe sie wegen eines persönlichen Trauerfalls nicht redigieren können, sagte Steinbach. Außerdem seien für Kommentare unter Posts immer diejenigen verantwortlich, die sie schrieben.
Sie habe Walter Lübcke in ihrer Zeit als CDU-Mitglied persönlich als freundlichen Menschen kennengelernt, erzählte Steinbach. "Allerdings seine politische Aussage, die er seinerzeit gemacht hat, dass Deutsche, denen die Migrationspolitik der Bundesregierung nicht passt, auswandern könnten, hielt und halte ich für verkehrt. Aber nichts, was jemand sagt, rechtfertigt einen Mord."
Sie könne die Facebook-Kommentare auf ihrer Seite gar nicht bearbeiten, weil es so viele seien. Einen Beileids-Post nach dem Tod von Walter Lübcke habe sie aber gelöscht, weil dort viele extreme und unsägliche Kommentare drunter gepostet worden waren.

Das Interview in voller Länge:
Jörg Münchenberg: Der mutmaßlich rechtsextreme Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird auch ein politisches Nachspiel haben. In der kommenden Woche will sich auch der Innenausschuss des Bundestages damit befassen, nicht zuletzt verbunden mit der Frage, ob der festgenommene Verdächtige alleine gehandelt hat oder ob es Mittäter gab.
Gleichzeitig gerät aber auch die AfD verstärkt unter Druck, die – so hat es etwa die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer formuliert – für ein Klima von Hass und Hetze mitverantwortlich sei, weil Hemmschwellen abgesenkt worden seien. Dieser Vorwurf trifft auch die ehemalige CDU-Politikerin und jetzige Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung Erika Steinbach, die noch im Februar dieses Jahres eine Nachricht in den sozialen Medien zu Lübcke veröffentlicht hatte, die wiederum von Rechtsradikalen auch mit Bildern von Schusswaffen und Galgen kommentiert worden ist, ohne dass die Hasskommentare, so berichtet es das Nachrichtenportal "T-Online" zumindest auf der Facebook-Seite von ihr gelöscht worden sind. Einen schönen guten Morgen, Frau Steinbach!
Erika Steinbach: Einen schönen guten Morgen!
Münchenberg: Frau Steinbach, die Antworten auf die Postings von Ihnen in den sozialen Medien waren eindeutig, da war von Landesverrat die Rede, eine Pistole war zu sehen, ein Galgen. Tragen Sie also eine Mitverantwortung für die rechte Hetze hier im Land?
Steinbach: Ich habe sehr deutlich den Mord an Herrn Lübcke verurteilt und habe auch deutlich gemacht, dass es weder Rechts- noch Linksextremen gestattet sein darf, sich derartig hier im Lande zu verhalten. Sie zitieren jetzt einen Post von mir aus dem Februar. Das ist viele Monate her. Ich war seinerzeit überhaupt nicht in der Lage, das, was sich an Kommentaren abgespielt hat, wirklich zu bearbeiten, da wenige Tage zuvor mein Mann beerdigt worden ist.
Aber unabhängig davon kann ich nur eines sagen: Für einen Kommentar ist immer derjenige verantwortlich, der ihn abgibt. Und in der Vergangenheit habe ich immer wieder zum Beispiel Helmut Schmidt zitiert, der sich kritisch zur Migrationsfrage geäußert hat, dem früheren SPD-Bundeskanzler. Ich habe mich immer wieder kritisch zu Angela Merkel geäußert, deren Politik ich für verheerend für dieses Land halte. Ich wiederhole auch Dinge immer wieder, um in Erinnerung zu rufen, warum dieses Land in eine solche Situation geraten ist, wie wir sie heute vorfinden, nämlich in eine Situation, in der wirklich von den Regierenden alles, was nicht deren Meinung ist, stigmatisiert werden soll.
"Dieser Mord an Herrn Lübcke wird instrumentalisiert"
Münchenberg: Aber Frau Steinbach, das waren ja trotzdem faktisch auch Mordaufrufe im Netz, die da Menschen quasi zu ihrem Posting kommentiert haben. Hätten Sie sich da nicht aktiv dagegenstellen müssen?
Steinbach: Ich habe den Mord an Herrn Lübcke verurteilt, und das hat offenkundig manchen nicht gepasst, dass ich den Mord an Herrn Lübcke verurteilt habe, den ich ja noch als CDU-Mitglied auch mal persönlich kennengelernt habe, als einen freundlichen Menschen. Allerdings seine politische Aussage, die er seinerzeit gemacht hat, dass Deutsche, denen die Migrationspolitik der Bundesregierung nicht passt, ja auswandern könnten, hielt ich und halte ich für verkehrt, aber nichts, was jemand sagt, rechtfertigt einen Mord, und dazu habe ich eine eindeutige Meinung, und die habe ich auch geäußert.
Wenn mir jetzt jemand in die Schuhe schieben will, ich sei dafür mitverantwortlich … Es wird zurzeit, das ist deutlich erkennbar, alles instrumentalisiert, dieser Mord an Herrn Lübcke wird instrumentalisiert, um politische Kräfte, die in Panik sind wegen der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, in Thüringen und in Brandenburg, erkennbar in Panik sind, um dort zu stigmatisieren. Das ist eine Entwicklung in Deutschland, die brandgefährlich ist.
Münchenberg: Aber Frau Steinbach, noch mal: Sie haben auf Facebook 40.000 Follower, auf Twitter sind das 80.000. Das heißt doch schon angesichts von solchen Zahlen sollten Sie doch genau wissen eigentlich, was da an Kommentaren auch geschrieben wird zu Ihren Postings.
Steinbach: Ich kann die Kommentare gar nicht bearbeiten, weil es so viele sind.
Münchenberg: Sie können Sie auf Facebook zum Beispiel blockieren.
Steinbach: Deshalb habe ich zum Beispiel auf Facebook meinen Tweet gelöscht auf Facebook, wo ich mein Beileid über den Mord und meine Verabscheuung über den Mord an Herrn Lübcke gepostet habe, weil da so unsägliche Kommentare gewesen sind, die sich auch darüber gefreut haben, die ich nicht mehr löschen konnte, weil es einfach zu viele waren. Dann habe ich das Ganze sogar herausgenommen.
Das mache ich natürlich jetzt nicht ständig, aber in diesem Falle, wo es um den Mord an Herrn Lübcke ging und ich sagte, es ist unverantwortlich, und Rechtsextrem und Linksextreme muss man beide gleichermaßen dann also auch beobachten, und dieses Mitgefühl und diese Verurteilung des Mordes, die war wirklich mit extremen Kommentaren bestückt, und deshalb habe ich alles herausgenommen, weil ich die Kommentare gar nicht mehr bearbeiten konnte. Das waren viel zu viele.
"Ich habe die Debatte nicht befeuert"
Münchenberg: Frau Steinbach, lassen Sie uns noch mal auf die zeitliche Abfolge schauen. Es geht ja hier um einen Vorgang 2015, da hatte Lübcke bei einer Versammlung gesagt, jeder, der nicht für Werte eintritt, der könne ja das Land verlassen. Das hat dann damals eine große Empörungswelle gerade bei Rechten ausgelöst, und jetzt im Februar 2019, also drei Jahre später, wird das wieder, man muss sagen: völlig zusammenhanglos aufgegriffen unter anderem auch von Ihnen. Warum?
Steinbach: Ich greife immer wieder Aussagen von Politikern auf. Ich greife Aussagen von Helmut Schmidt aus dem Jahre 1990, wo er bereits vor zu starker Migration nach Deutschland gewarnt hat, greife ich immer wieder auf. Ich greife immer wieder auf Aussagen der Bundeskanzlerin, die sie vor ihrer Kanzlerschaft zur Migrationsfrage gesagt hat, und diese Aussagen mache ich deutlich, um die Diskrepanz von der Oppositions-CDU-Frau bis hin zur Regierungschefin gemacht hat.
Münchenberg: Aber der Vorwurf steht ja …
Steinbach: Also diese Dinge, das mache ich immer wieder. Das habe ich nicht nur beim Herrn Lübcke gemacht, sondern ich erinnere daran, dass die Grünen Pädophilie rechtsmäßig machen wollten, dass sie das Recht auf Sex mit Kindern als unstrafbares Handeln deutlich machen wollten. Also bei mir ist das eine Strategie, die ich ganz gezielt auch mache.
Münchenberg: Lassen Sie uns trotzdem beim Fall Lübcke bleiben. Diese Blogs, die da jetzt neu veröffentlicht worden sind, haben ja eine neue Wut und Empörung ausgelöst, und Sie haben ja Lübcke erneut zur Zielscheibe auch von Hass gemacht. Wie gesagt, ein Vorgang, der lange, lange zurückgeht. Da kann man doch schon sagen, Sie haben natürlich auch diese Debatte befeuert, ob gewollt oder nicht.
Steinbach: Ich habe die Debatte nicht befeuert. Ich habe einen Artikel wieder in die Öffentlichkeit gebracht, in dem dieser Sachverhalt dargestellt ist, das, was er selber gesagt hat und die Reaktion …
Münchenberg: Aber mit welcher Zielsetzung?
Steinbach: Weil ich das verurteile, ganz einfach. Weil ich das damals für falsch gehalten habe und weil ich auch immer wieder mal daran erinnern will, welche absurden Ideen Politiker haben, wenn es um Sachverhalte geht, über die sie eigentlich gar nicht diskutieren wollen. Und dass jetzt insbesondere die CDU und die Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, die also AfD-Wähler praktisch zu Ratten erklärt hat, solche Aussagen …
Münchenberg: Zu Ratten, das hat sie so nicht gesagt. Das stimmt nicht.
Steinbach: Doch, sie hat gesagt, man soll diesen Rattenfängern – das ist die AfD – nicht folgen, also sind diejenigen, die folgen, die Ratten.
"Da muss man sich schon zurückversetzt fühlen in die DDR"
Münchenberg: Nicht zwingend.
Steinbach: Ja, und diese Art der Stigmatisierung von einem erheblichen Teil von Wählern hier im Lande, das ist auch unerträglich, und das, was von Seiten der CDU, jetzt von Herrn Tauber deutlich gemacht wurde, das heißt, man will im Grunde genommen sich der Methoden bedienen wie die DDR. Also alles, was nicht passt, soll mundtot gemacht werden, soll stigmatisiert werden. Also diese Forderung von Herrn Tauber, den Artikel 18 zum Zuge kommen zu lassen, da muss man sich schon zurückversetzt fühlen in die DDR. Also schlimmer ging es da auch nicht zu.
Münchenberg: Lassen Sie uns noch kurz bei dem Vorwurf bleiben, die AfD sei letztlich geistiger Brandstifter hier im Land. Nun ist ja ständig von der AfD auch zu hören, von Widerstand, Diktatur, Lügenpresse – sorgt das nicht natürlich auch für eine Absenkung der Hemmschwelle und löst bei bestimmten gewaltbereiten Rechtsextremen auch einen gewissen Impuls aus, die dann in schlimmen Taten auch enden können?
Steinbach: Also die Hemmschwellen werden von anderer Seite durchlöchert. Wissen Sie, vom Bundeskriminalamt gibt es ja Daten, die jetzt gerade von der Bundesregierung veröffentlicht werden …
Münchenberg: Zum Beispiel der "Vogelschiss der Geschichte", den Herr Gauland zitiert hat in seiner …
Steinbach: Dafür hat er sich ja doch längt entschuldigt, –
Münchenberg: Aber er hat es in die Welt gesetzt.
Steinbach: – dass er das für falsch gehalten hat. Er ist falsch verstanden worden und er würde es so auch nicht wiederholen.
Münchenberg: "Mahnmal der Schande" von Björn Höcke hatte er so bezeichnet, das Holocaust-Mahnmal.
Steinbach: Nein, Sie haben jetzt von dem Vogelschiss gesprochen, und dafür hat Herr Gauland sich entschuldigt und hat gesagt, das ist auch missverstanden worden, aber deshalb würde es so nicht mehr formulieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.