Archiv


Lückenfüller in der Stromerzeugung

Reicht der Ökostrom, den wir künftig aus Erneuerbaren beziehen, mal nicht aus, werden vorzugsweise Gaskraftwerke zugeschaltet, um die Lücke zu füllen. Das ist die landläufige Vorstellung über die Energiewende. Doch geht diese Vorstellung auf?

Von Dieter Nürnberger |
    Brauchen wir neue Kraftwerke, und wenn ja: wie viele? Dieter Nürnberger in Berlin: Genau darauf haben heute die kleinen Stromanbieter, die das Salz in der Suppe sind, weil sie für Wettbewerb sorgen, eine Antwort gegeben – wie fiel sie aus?

    Der Begriff, um den es hier geht, heißt Kapazitätsmarkt. Dieser Begriff wird nun nach und nach auch in der politischen Diskussion immer mehr verwendet. Bislang gibt es ja den Strommarkt in Deutschland, der die tatsächlich produzierten Mengen abdeckt. Ein Kapazitätsmarkt wäre somit eine neue, eigenständige Größe neben dem bisherigen Markt. Und im Detail geht es hierbei um einen Neubau von flexiblen Kraftwerken, die allein die Funktion haben sollen, mögliche Engpässe in die Versorgung aufzufangen. Unter derzeitigen Marktbedingungen rechnet sich ein solches Modell allerdings für Unternehmen oder Investoren nicht, denn wer baut schon ein Kraftwerk, welches nur im Notfall hochgefahren wird und dann Strom produzieren soll? Deshalb also ein Kapazitätsmarkt – und bei der heute vorgestellten Studie werden vor allem Gas-Kraftwerke als intelligente Lösung für dieses Ziel ausgemacht. Robert Busch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes neuer Energieanbieter.

    "Nach derzeitigen Erkenntnissen sind das Gaskraftwerke, weil man technisch eine schnelle Regelbarkeit benötigt. Gasturbinen bieten diese Möglichkeit. Es kommt hierbei auf die Ausgestaltung dessen an, was an Kapazität bestellt wird. Und je nachdem, was benötigt wird, muss man schauen, wer dies technisch leisten kann."

    Zwar gelten Gaskraftwerke als relativ teuer, doch sei deren Flexibilität das ausschlaggebende Argument. Sie sind zudem eine deutlich klimafreundlichere Variante als beispielsweise Kohlekraftwerke.

    In der Studie geht es also um eine künftig passgenaue Bereitstellung von Stromkapazitäten. Die Idee eines solchen Marktes müsse so flexibel wie möglich sein, man sei somit offen für neue Speichertechnologien, und natürlich generell auch für dezentrale Lösungen. Verfasst hat die Studie Dominic Naillis vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung in Aachen.

    "Der Markt, den wir hier beschrieben, blickt etwa fünf Jahre in die Zukunft. Fünf Jahre, weil dies der Zeitraum ist, den man so ungefähr braucht, um ein Kraftwerk fertigzustellen oder auch neu zu bauen. Das heißt, es muss eine Instanz geben, die sich längerfristig Gedanken macht, wie viel Kapazität brauchen wir? Dadurch wird dann ein Bedarf ausgemacht und dieser wird dann ausgeschrieben. Die Marktteilnehmer können sich dann mit einem entsprechenden Angebot darauf bewerben, um diese Kapazität bereitstellen zu dürfen."

    Viele Fragen sind somit noch offen – natürlich die Frage der einmal konkret benötigten Kapazitäten, das hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom konkreten Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und das ist ja ein dynamischer, ein sich stets verändernder Prozess. Offen ist auch noch, wer diesen Kapazitätsmarkt koordinieren soll – das könnte nach den Vorstellungen des Autors der Studie möglicherweise die Bundesnetzagentur sein. Die Kosten müssten sicherlich die Verbraucher tragen, allerdings konnten heute noch keine konkreten Angaben über Cent oder Euro gemacht werden.

    Fest steht aber, durch die politisch propagierte Energiewende gebe es hier einen Handlungsbedarf, einen Handlungsdruck. Der Bundesverband Neuer Energieanbieter hält aber die Energiewende in Deutschland - also den Zubau erneuerbarer Energien und auch den beschlossenen, mittelfristigen Ausstieg aus der Atomkraft - auf jeden Fall für möglich und durchführbar, wenn denn alle Marktteilnehmer auch flexibel und intelligent agieren. Würde schon heute die Voraussetzungen für einen solchen Kapazitätsmarkt geschaffen, dann müssten auch keine Blackouts im Markt befürchtet werden. Aber ohne Investitionen in die Netze und auch in neue, flexible Kraftwerke gehe es eben auch nicht.

    Spätestens ab 2022 müsste das Konzept eines Kapazitätsmarktes dann aber auch verankert sein.