Erste Flugurlauber sind heute wieder gestartet, aber die Corona-Pandemie hat die internationale Luftfahrt in eine große Krise gestürzt. In Montreal beraten Mitglieder der Internationalen Zivil-Luftfahrtorganisation seit voriger Woche deshalb über Lockerungen der Klimaschutzauflagen. Wegen des Geschäftseinbruchs in diesem Jahr wollen sie den Bezugszeitraum ändern, auf dessen Grundlage die Menge der Kompensationen berechnet werden sollen. Damit stehe der Klimaschutz im Flugverkehr auf der Kippe, heißt es in einem Report, den Lambert Schneider vom Öko-Institut verfasst hat. Im Interview erklärt er, warum er den Klimaschutz in Gefahr sieht.
Lambert Schneider: Es gibt ein neues Abkommen, dieses Abkommen Corsia, und darunter müssen bis 2035 die Airlines ja ihre Emissionen kompensieren, einen Teil ihrer Emissionen, genauer gesagt. Und mit den Beschlüssen, die jetzt aufgrund der Corona-Krise getroffen werden sollen, müssten sie nur noch halb so viel Klimaschutz in etwa machen.
Was ist Corsia?
Corsia steht für "Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation", eine Vereinbarung der Mitgliedsländer der UN-Luftfahrtorganisation ICAO über ein globales CO2-Kompensationssystem für den Luftverkehr: Wachsende Emissionen sollen durch CO2-Emissionszertifikate ausgeglichen werden. Deren Kauf soll an anderer Stelle das Klima verbessern, etwa durch die Förderung klimaneutraler Energiegewinnung oder Verkehrsmittel.
Angesichts der Coronakrise der Luftfahrtbranche plant die ICAO, Corsia später als bisher geplant und mit veränderter Berechnungsgrundlage umzusetzen.
Corsia steht für "Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation", eine Vereinbarung der Mitgliedsländer der UN-Luftfahrtorganisation ICAO über ein globales CO2-Kompensationssystem für den Luftverkehr: Wachsende Emissionen sollen durch CO2-Emissionszertifikate ausgeglichen werden. Deren Kauf soll an anderer Stelle das Klima verbessern, etwa durch die Förderung klimaneutraler Energiegewinnung oder Verkehrsmittel.
Angesichts der Coronakrise der Luftfahrtbranche plant die ICAO, Corsia später als bisher geplant und mit veränderter Berechnungsgrundlage umzusetzen.
Susanne Kuhlmann: Der Einbruch beim Flugverkehr – Sie haben ihn gerade angesprochen – im vergangenen Vierteljahr hat die Emissionen ja insgesamt gesenkt, weil kaum ein Flugzeug flog. Und die Fluglinien befürchten nun, künftige Referenzwerte würden ihnen mehr Kompensation in Form von Emissionszertifikaten abverlangen als geplant, also alles teurer machen. Warum stimmt das Ihrer Ansicht nach nicht?
Schneider: Ja, wir haben uns das genauer angeschaut und nachgerechnet. Im Prinzip müssen die Airlines gar nicht mehr machen, wenn die Regeln so bleiben, wie sie jetzt sind. Das liegt daran, dass nicht nur in 2020 weniger Emissionen da sein werden, sondern auch in den ganzen nächsten Jahren. Wir haben einfach die Zahlen der Airline-Industrie genommen und genau nachgerechnet und gefunden, dass ohne eine Änderung die Airlines etwa gleich viel Klimaschutz machen müssten. Sie haben aber behauptet, sie würden dadurch viel stärker belastet werden.
"Klimaschutz um Jahre verzögert"
Kuhlmann: Steht dieser Konflikt jetzt auch bei der Konferenz der UN-Luftfahrtorganisation in Montreal zur Debatte?
Schneider: Ja, ganz genau. Die Airline hat dort vorgeschlagen, die Regeln zu ändern, zu verwässern, und leider sieht es relativ schlecht aus. Viele Staaten haben bereits Zustimmung zu dieser Regeländerung signalisiert. Ich finde es wirklich traurig, dass jetzt ein Klimaschutz-Instrument, das ohnehin schon relativ schwach in seiner ganzen Ausdehnung war, jetzt in seiner Wirkung noch mal halbiert wird und der Klimaschutz um Jahre verzögert wird im Luftverkehr.
Kuhlmann: Welche Positionen nimmt die EU bei dieser Angelegenheit ein?
Schneider: Die EU ist da leider auch eingeknickt. Sie sagt ja immer, wir sind für Klimaschutz insbesondere auch im Luftverkehr. Aber an dieser Stelle haben sich wohl die Verkehrsministerien gegenüber den Umweltministerien durchgesetzt und die EU wird vermutlich, so hört man aus Verhandlerkreisen, bis auf Schweden dem Vorschlag der Luftfahrtindustrie zustimmen.
Gleiche Voraussetzungen für verschiedene Verkehrsträger
Kuhlmann: Was sollte die EU denn tun?
Schneider: Insgesamt wäre es jetzt wichtig, die EU-Klimapolitik zum Luftverkehr zu stärken. Der Flugverkehr wird ja immer noch erheblich subventioniert. Es gibt auf internationale Flüge keine Mehrwertsteuer. Es gibt keine Steuer auf den Brennstoff im Vergleich zum Zugverkehr oder zum Autoverkehr. Und es wäre eigentlich jetzt an der Zeit, eine Kerosin-Steuer für Flugverkehr einzuführen und da ein Level Playing Field, die gleichen Voraussetzungen für verschiedene Verkehrsträger zu schaffen.
Kuhlmann: Sehen Sie, dass sich das verwirklichen könnte?
Schneider: Es gab einen Vorschlag, tatsächlich eine Kerosin-Steuer einzuführen. Ob es jetzt dafür Mehrheiten gibt, das muss gesehen werden. Es gibt einzelne Staaten, die das unterstützen. Wir würden das sehr begrüßen, wenn das kommen würde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.