Silvia Engels: In Hamburg kommen heute Verkehrsminister Scheuer, Flughafenbetreiber und auch die Vertreter großer Airlines zusammen. Sie ziehen Bilanz nach einem Sommer, bei dem sich in Deutschland, aber auch in ganz Europa die Flugausfälle und Verspätungen häuften. Die Pressekonferenz in Hamburg soll in diesen Minuten beginnen.
Mitgehört hat Stefan Gelbhaar. Er ist Obmann der Grünen im Verkehrsausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Gelbhaar.
Stefan Gelbhaar: Schönen guten Tag.
Engels: Wenn Sie hören, weniger Kurzstreckenflüge, müsste doch das grüne Herz bei Ihnen jubeln, oder?
Gelbhaar: Ja! Ich höre die Worte; allein mir fehlt noch der Glaube. Solange wir bei den Inlandsflügen zum Beispiel das Kerosin, den Kraftstoff noch nicht besteuern, stattdessen aber bei der Schiene jeden Meter Trasse mit einem Preis belegen, solange scheint mir, bei der Bundesregierung schon verbal was zu passieren, aber tatsächlich im politischen Handeln bleibt es bei Gipfeldiplomatien. Das ist, glaube ich, der fünfte, sechste, siebte Gipfel nach Dieselgipfel und so weiter, eine Art Gebirgspolitik. Es fehlt ein bisschen nach der Verlautbarung dann die Durchsetzung, und das ist ja etwas, was wir häufiger sehen, dass wir kein Erkenntnisdefizit haben. Wir haben alle den Sommer gesehen. Wir haben alle auch schon mal gesehen, wie das auf den deutschen Flughäfen aussieht. Aber daraus dann die Folge, daraus das Handeln, das fehlt, und das fehlt sowohl beim Verkehrsminister als auch bei Frau Barley.
"Das reine Wunschzettel schreiben reicht nicht"
Engels: Was fordern Sie denn an gesetzlichen Maßnahmen? Denn ich höre ja daraus, dass Sie an freiwillige Zugeständnisse der Airlines und der Flughafenbetreiber nicht glauben.
Gelbhaar: Man muss sehen, dass die Airlines insbesondere natürlich in einem massiven Wettbewerb untereinander sind. Das heißt, da wird jetzt nicht eine Airline rausgehen und sagen, wir machen jetzt mal alles schön, weil das würde ja Geld kosten und dann setzen die sich in einen Wettbewerbsnachteil. Das heißt, es ist da ganz normal der Staat gefragt, zu regulieren und zu sagen, so soll es sein. Nehmen wir zum Beispiel mal die Verbraucherschutz-Situation, die Verbraucherrechte. Wenn da Frau Barley sagt, das soll besser werden – ja, das unterschriebe ich sofort. Aber da muss man, wenn man da A sagt, auch B sagen. Das reine Wunschzettel schreiben reicht da nicht. Das heißt, sie müsste vorgeben, am besten mit einer Verordnung oder, wenn das nicht reicht, mit einem Gesetz zu sagen, okay, wie sollen die Airlines erreichbar sein. Wenn so eine App gewünscht ist, dann schreibt man vor, dass das digital passieren soll. Man muss aber erst mal den Informationsfluss dort sichern. Viele Kunden wissen gar nicht, warum ein Flug ausgefallen ist, ob da die Crew gefehlt hat, ob das Flugzeug nicht betankt war, was auch immer, und deswegen ist teilweise unklar, ob man überhaupt einen Anspruch hat. Bei höherer Gewalt ist das ja in Frage. Das heißt, die Politik muss hier ganz klare Ansagen machen, und dann werden die Fluggesellschaften das umsetzen. Dass man da allein auf die Fluggesellschaften setzt und da irgendwelche Verabredungen trifft, das wird schwierig, weil das wird dann immer der Minimalkonsens.
"Inlandsflüge mehr auf die Schiene verlagern"
Engels: Da können wir noch mal kurz die Forderung von Frau Barley zusammenfassen. Die Airlines sollen mehr Reserven vorhalten, um ausfallende Flüge zu puffern, die Fluggäste schneller informieren, von sich aus Entschädigungen anbieten. Da kann man sich ja die Argumentation der Airlines in der Tat vorstellen, im Kostendruck würde das zu hohen Kosten führen und dementsprechend die Wettbewerbssituation verschlechtern. Nun stehen die ja nicht nur im nationalen Wettbewerb, für den man Maßnahmen regeln kann, sondern im internationalen. Heißt, man nimmt den deutschen Mitbewerbern da alle Möglichkeiten zu bestehen?
Gelbhaar: Ich finde, man kann nur ansetzen bei den Inlandsflügen, so die immer noch da sind. Erster Grundsatz: Inlandsflüge, wenn man gerade einen überfüllten Luftraum hat, mehr auf die Schiene verlagern. Aber zweiter Punkt, wo das noch nicht passiert oder passieren kann, aus welchen Gründen auch immer, dann dort genau diese Vorgaben machen.
Engels: Das heißt auch für internationale Airlines, die hierzulande Inlandsflüge anbieten?
Gelbhaar: Ja, natürlich! Das, glaube ich, ist auch rechtlich kein Problem. Wer hier im Inland Geschäfte macht und machen will, der muss sich dann an die entsprechende rechtliche Situation halten. Der zweite Punkt: Die meisten oder eine ganz überwiegende Anzahl der Flüge passiert ja innerhalb Europas, auch innerhalb der EU. Da sollte man sich sehr schnell dann innerhalb der EU auch als Bundesregierung dafür stark machen, dass da die gleichen Regeln gelten. Auch das ist ja kein Zauberwerk; das ist ja an vielen, vielen anderen Stellen im Mobilitätsbereich auch passiert. Warum sollte das jetzt für den Flugverkehr völlig ausgeschlossen sein.
Engels: Andererseits ist es ja im Interesse der Verbraucher, den Wettbewerb im Billigflug-Sektor eher zu stärken, um preiswerte Flüge zu haben. Sie wollen mit all diesen Maßnahmen Flüge teurer machen. Richtig?
Gelbhaar: Ich will sie sicherer machen im Sinne von ich weiß, wann mein Flug geht. Wenn 28 Prozent, war es, glaube ich, dieses Jahr, der Flüge verspätet oder gar ausgefallen daherkommen, dann hat man auch nichts davon, wenn der Flug total billig war. Im Übrigen ist es schon fragwürdig, dass der eine oder andere Flug manchmal an die Kosten eines ÖPNV-Tickets herankommt, aber das ist noch mal eine Zusatzfrage. Erst mal zurück zum ersten Punkt: Die Flüge müssen stattfinden, sie müssen verlässlich stattfinden, und dafür muss eine Bundesregierung auch mit den Fluggesellschaften und den Flughäfen sorgen. Wenn es da einen Wettbewerb gegeben hat, der dazu geführt hat, dass alles besonders billig ist, aber überhaupt nicht mehr zuverlässig, dann ist dieser Wettbewerb an der Stelle fehlgelaufen. Dann muss man da nachjustieren.
"Wir sagen ganz klar, dass Inlandsflüge explizit in der Regel völlig unsinnig sind"
Engels: Dann stelle ich jetzt die Zusatzfrage. Die Grünen wollen ja eigentlich weniger Flüge. Das heißt, müssen Sie da den Verbrauchern nicht ganz klar sagen, jawohl, wir wollen, dass es diese Billigflüge auch gar nicht mehr gibt, auch möglicherweise zum Preis, dass Arbeitsplätze bei Billig-Airlines wegfallen?
Gelbhaar: Wir sagen ganz klar, dass Inlandsflüge explizit in der Regel völlig unsinnig sind und dass wir das auf die Schiene bringen wollen. Das wird an der einen Stelle Arbeitsplätze mutmaßlich kosten, an einer anderen welche bringen, weil diese Mobilitätsbedürfnisse ja trotzdem da sein werden und trotzdem auch bedient werden, aber nur anders. Das ist jetzt nicht nur wirtschaftlich darstellbar; es ist auch klimapolitisch und auch übrigens sozialpolitisch hoch geboten, weil wir alle wissen, dieser Sommer 2018 soll sich nicht nur wegen der vielen Flugausfälle nicht wiederholen, sondern diese Dürre haben wir alle beobachten können. Das war am Strand nett, aber wir wissen auch alle, dass es klimapolitisch Folgen hat, und wir wollen auch in ein paar Jahren noch hier gut und gerne leben, um da mal einen Slogan zu zitieren, und dafür muss man was tun.
Engels: Perspektiven fürs Fliegen – wir sprachen mit Stefan Gelbhaar. Er gehört Bündnis 90/Den Grünen an und sitzt für sie im Verkehrsausschuss des Bundestages. Vielen Dank!
Gelbhaar: Gerne! Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.