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Luftfahrtgipfel
"System schon vor Air-Berlin-Pleite auf Kante genäht"

Das Chaos im Sommer auf den Flughäfen hatte vielfältige strukturelle Gründe. Auf dem Luftfahrtgipfel mit dem Bundesverkehrsminister und Spitzenvertretern der Branche ist nicht mit schnellen Lösungen zu rechnen, vor allem nicht bei zentralen Fragen wie Personalmangel und schlechten Arbeitsbedingungen.

Silke Hahne im Wirtschaftsgespräch mit Jasper Barenberg | 05.10.2018
    Anzeige mit gestrichenen Flügen am Flughafen München
    Anzeige mit gestrichenen Flügen: Vielfältige strukturelle Probleme (dpa / picture alliance / Nicolas Armer)
    Jasper Barenberg: Die Debatte über den Diesel-Gipfel ist noch in vollem Gange, da eilt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer schon zum nächsten Spitzentreffen - heute mit der Luftfahrt-Branche. Silke Hahne aus der Wirtschaftsredaktion, dass es im Sommer viele Ausfälle und Verspätungen gab, haben viele mitbekommen, womöglich am eigenen Leib erlebt. Aber erfordert dies wirklich einen Luftfahrtgipfel?
    Silke Hahne: Ja und nein - wenn man sich die Ursachen für das Chaos in diesem Sommer anschaut, dann hatte es auf der einen Seite vielfältige strukturelle Gründe. Obendrauf kamen dann aber noch Besonderheiten, wie die Pleite von Air Berlin. Daraufhin kauften andere Airlines die Start- und Landerechte, um der Konkurrenz Marktanteile abzutrotzen. Doch, wie Kritiker meinen, viele Fluglinien konnten die Maschinen und das Personal dafür nicht so schnell in den Himmel bringen, sodass mehr Flüge angeboten wurden als durchgeführt werden konnten.
    Streiks, Air-Berlin-Pleite und Personalprobleme
    Dazu kamen dann beispielsweise noch Streiks in mehreren Gewerken der Branche und quer durch Europa. Dass dies nun aber zu einem solchen Chaos führen konnte, lag daran, dass das System schon vorher auf Kante genäht war. Straffe Zeitpläne, knappe Personalplanung – dazu ein Arbeitsmarkt in Europa, auf dem qualifiziertes Personal sowieso schon nicht leicht zu finden ist, weil die Wirtschaft gut läuft.
    Außerdem zeigte sich in Deutschland , dass die Infrastruktur Schwächen hat, etwa Sicherheitstechnik veraltet ist und daher die Kontrollen nicht effizient sind.
    Jasper Barenberg: Bessere Technik und mehr Personal, ist das also Teil einer möglichen Lösung?
    Silke Hahne: Es wird immer wieder das System kritisiert, über das die Personalplanung und das Budget für die Flugsicherung läuft: Die EU gibt Schätzwerte für einen Zeitraum von fünf Jahren vor und entsprechend wird geplant. In den letzten Jahren haben sich die Passagierzahlen aber viel schneller in die Höhe geschraubt, als erwartet - in der Folge gibt es nun Engpässe. Hier könnte die Bundesregierung auf EU-Ebene auf Änderungen dringen. Wie das Handelsblatt heute berichtet, sollen außerdem Fluglotsen grenzüberschreitend eingesetzt werden - bisher haben sie bestimmte Lufträume, auf die sie beschränkt sind.
    Entgegengesetzte Interessen zwischen Airlines und Flughäfen
    Aber auch die Industrie soll etwas beitragen, so verlautet es. Plausibel wäre es etwa, die Zeitpläne zu entzerren, bei der Abfertigung, oder auch mehr Flugzeuge vorzuhalten, damit bei Verspätungen nicht auch die nächsten und übernächsten Flüge ausfallen. Bei einem Thema aber stehen sich die Interessen von Flughäfen und Fluggesellschaften diametral entgegen, da würde ich nicht mit einer Einigung rechnen: Das ist die Anzahl der Starts- und Landungen und die Rechte dafür. Die Flughäfen wollen so viele sogenannte Slots verkaufen, wie sie nur können, um Geld zu machen. Die Airlines müssen diese quasi kaufen, um nicht Marktanteile einzubüßen - es wäre aber für sie effizienter, etwas seltener und dafür mit besser ausgelasteten Maschinen zu fliegen. Eigentlich ein zentrales Thema, es wird aber wohl ausgeklammert.
    Arbeitnehmervertreter beim Gipfel nicht dabei
    Jasper Barenberg: Das klingt nicht nach dem großen Wurf.
    Silke Hahne: Mit kurzfristigen Lösungen ist also nicht zu rechnen. Das ganze System ist dafür auch zu komplex und mehr Personal auszubilden, dauert. Beim Thema Personal hat der Gipfel obendrein eine Schwachstelle: Ein Teil des Personalmangels ist auf schlechte Arbeitsbedingungen in der Branche zurückzuführen, etwa schwere körperliche Arbeit in der Abfertigung. Auch Fluglotsen, Kabinenpersonal und Piloten haben in diesem Sommer mit zahlreichen Streiks verdeutlicht, dass sie den ökonomischen Druck der Airlines nicht länger abfedern wollen. Ein Problem, dass die Branche lösen muss - doch Arbeitnehmervertreter sitzen heute nicht mit am Verhandlungstisch.