Sie schufteten in Berliner Flugzeug-Reparaturwerkstätten, am heutigen Flughafen Halle/Leipzig oder in Stuttgart: rund 10.000 Zwangsarbeiterinnen und Arbeiter der Lufthansa während des Zweiten Weltkriegs. In München übergab die Lufthansa ungarische Zwangsarbeiter, die sich trauten, gegen die Arbeitsbedingungen zu protestierten, der Gestapo. Jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter, die für das Unternehmen auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof Flugzeuge flickten, wurden 1942 in die Vernichtungslager deportiert. Im Gegensatz zu anderen Berliner Unternehmen, die gegen die Deportationen ihrer Zwangsarbeiter - allerdings vergeblich - protestierten, ist die Lufthansa nicht auf der Liste der Unternehmen zu finden, die diesen Protest gegenüber den Nazis artikulierten.
Studie des Bochumer Historikers Lutz Budrass
All das ist in einer Studie des Bochumer Historikers Lutz Budrass zu lesen, die dieser vor 15 Jahren im Auftrag der Lufthansa über die Zwangsarbeit im Dritten Reich verfasst hat. Diese wissenschaftliche Arbeit erschien allerdings nie als eigenständiges Buch, wie es der Konzern dem Historiker einst zugesagt hatte. Andreas Bartels, Sprecher der Lufthansa AG, begründet das heute so:
"Ja, es gab ursprünglich den Plan, sie zu drucken als Buch, letztlich hat man sich dann aber 2001 entschieden, sie herauszugeben an die, die daran interessiert sind, kostenfrei. Sie ist verschickt worden, in hundertfacher Ausführung an sehr viele Interessierte. Die Entscheidung ist damals so gefallen, weil es eben kein Publikumswerk im eigentlichen Sinne ist, sondern eher eine wissenschaftliche Abhandlung."
Jedoch genau diese wissenschaftliche Abhandlung gibt die Lufthanse ab sofort offiziell heraus - als Beilage zu einer eher populär gehaltenen und bebilderten Publikation über die Firmengeschichte. Der Grund liegt wohl darin, dass in 14 Tagen im Münchener Blessing-Verlag eine neue, umfangreiche Studie des Bochumer Historikers Lutz Budrass erscheinen wird. Die trägt den Titel: "Adler und Kranich. Die Lufthansa und ihre Geschichte 1926-1955". Der Verlag kündigt das Buch als "die erste umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Lufthansa-Geschichte" an. Die Darstellung reiche "von der geheimen Aufrüstung in der Weimarer Republik über den Einsatz von Zwangsarbeitern im NS-Regime bis zum ersten Flug" nach der Wiedergründung des Unternehmens im Jahr 1955. Budrass´ Studie, so der Verlag, mache deutlich, "warum der Lufthansa-Konzern in der Bundesrepublik nicht ohne die Brücke zur Vorgeschichte in der Weimarer Republik verstanden werden kann".
Warum aber unterstützt der Lufthansa-Konzern diese Arbeit des Historikers nicht, den sie noch vor 15 Jahren selbst mit der Aufarbeitung von NS-Verbrechen beauftragt hatte? Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels begründet das damit, dass doch schon vieles gesagt worden sei:
"Na ja, wir haben einen Historiker beauftragt, nämlich Herrn Dr. Budrass, der genau das getan hat vor 15 Jahren, was jetzt von ihm selbst wohl als Defizit beklagt wird, nämlich sich mit der Geschichte der Lufthansa befasst. Natürlich mit dem Aspekt der Zwangsarbeit insbesondere, aber das ist ein sehr zentraler Punkt, wenn der Zusammenhang der Lufthansa mit dem Dritten Reich zu betrachten ist."
Darüber kann man sicher diskutieren. Der Historiker Lutz Budrass war heute für den DLF nicht zu erreichen.
Darstellung der Lufthansa auf Unternehmenswebsite
Nicht verständlich ist allerdings, warum die heutige Lufthansa auf ihrer aktuellen Homepage ihre Vorgeschichte lediglich mit zwei Sätzen in einem kurzen Film erwähnt:
"1945 – Deutschland lag in Trümmern. Die vier Besatzungsmächte untersagten den Deutschen jede Art von Flugbetrieb. Das Ende auch für die erste deutsche Lufthansa, die 1926 in Berlin gegründet worden war."
Dann geht es weiter mit der amerikanischen Besatzungsmacht. Wie auch immer man den öffentlichen Zwist zwischen dem Konzern und dem Historiker zum Umgang mit der Veröffentlichung seiner Studie bewertet: Die Nazi-Zeit im Internet komplett auszusparen, bestärkt diejenigen, die bei der Lufthansa einen merkwürdigen Umgang mit den dunkelsten Kapiteln ihrer Vergangenheit feststellen.