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Luftiges Theater mit Längen

Das diesjährige Jenaer Open-Air-Festival wurde mit einer Bühnenversion von Michail Bulgakows "Meister und Margarita" eröffnet. Der Versuch, ein zugleich philosophisches wie unterhaltendes Freilichttheater der bunten Effekte zu bieten, ist nur partiell geglückt, meint unser Rezensent.

Von Hartmut Krug |
    Das Spektrum der Themen und Titel beim alljährlichen Freiluft-Sommerspektakel des Theaterhauses Jena ist weit. Mal ging es um Gangster, mal um Hauptmanns Weber, und letztes Jahr kam Frankenstein auf die Freifläche vor der Theaterfront. Immer aber sind es engagiert ins Zeitgenössische verlängerte Interpretationen, die ihren besonderen Charme aus dem Zusammenspiel von Laien aus der Region und dem knappen Dutzend Schauspieler des Jenaer Ensembles zogen.

    Auch bei dem diesjährigen Versuch, Bulgakows kompliziert ausufernden Roman "Der Meister und Margarita" für das Spiel vor dem Theater einzurichten, sind neben zehn Schauspielern und vier Musikern 60 Laien beteiligt. Doch diesmal, das erzwingen Bulgakows Dialoge, in denen um den Sinn der moralischen Existenz des Menschen gerungen wird, bleibt die Statistenschar vor allem attraktive Füllmasse. In fantasievollen Kostümen überflutet sie immer mal wieder die Bühne oder tobt sich in einem der seitlichen, verglasten Verkaufs- und Gesellschaftsräume aus, die die Spielfläche begrenzen.

    Zwar prangt von einer Projektionswand ein Zwiebelturm-Kirchenensemble, doch Verkaufswerbungen, Öffnungszeiten auf Deutsch, aber auch kyrillische Buchstaben und das internationale "Sale" zeigen, dass es in der Bulgakow-Version des jungen Regieduos Moritz Schönecker und Johanna Wehner nicht mehr nur um das alte stalinistische Russland geht. Hier wird über die alten Fragen von heute verhandelt, - und um die Vorstellungen und Bilder, die wir uns von einst und von heute machen.

    Auseinandersetzung mit dem Stalinismus
    Bulgakows Roman, 1940 geschrieben, aber erst 1966 zur Veröffentlichung zugelassen, ist von philosophischen Streitdialogen bestimmt. In Jena verknüpft eine Erzählerin die vielen Erzähl- und Bedeutungsebenen. Während sich die Inszenierung daran versucht, dem Zuschauer die vielen figurenreichen Handlungsstränge zu entwirren. Bulgakows Text bietet eine Auseinandersetzung mit dem Stalinismus, poetische, philosophische und religiöse Diskurse, eine Liebesgeschichte, eine Künstlertragödie und, so würde man neudeutsch sagen, - viel mehr.

    Die an Goethes Faust orientierte Geschichte lässt den als ausländischen Magier im Moskau der 30er-Jahre auftauchenden Teufel eine spießige Szene aus Literaten und Spekulanten durcheinanderwirbeln. Zu Beginn diskutieren der Literaturfunktionär Berlioz und der Lyriker Iwan über dessen Jesus-Poem mit dem ihnen als solchen nicht bewussten Teufel:

    "Wenn ich mich nicht verhört habe, geruhten Sie zu sagen, dass Jesus überhaupt nicht auf der Welt war?"

    "Ja, ganz recht. Genau das habe ich gesagt (...)"

    "Frappierend. Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit, aber habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie auch nicht an Gott glauben? Ich schwöre Ihnen, dass ich's niemandem sagen werde!"

    "Ganz recht, wir glauben nicht an Gott aber darüber kann man ganz frei sprechen."

    "Sie sind Atheisten? Oh, wie entzückend ..."

    ... amüsiert sich der Teufel und führt den beiden Atheisten die wahre Geschichte von Pontius Pilatus in Spielszenen vor, die immer wieder zwischen die Moskauer Handlung geschnitten werden. Derweil verliert der Funktionär seinen Kopf nach Vorhersage des Teufels unter einer Straßenbahn. Sie wird in Jena als Pappmodel hereingetragen.

    Eine Fülle medialen Assoziationsmaterials
    Der Lyriker, der den Teufel verhaften lassen will, kommt in die Irrenanstalt, - was mit herrlich ironischen Behandlungsszenen als Film gezeigt wird. Auch Iwans Gespräche in der Anstalt mit dem Meister genannten Iwan, dessen Pilatus-Roman politisch abgelehnt wurde, sind meist im Film zu sehen. Später springen Figuren aus dem Film hinein in Bühnenszenen und zurück. Es gibt eine Fülle medialen Assoziationsmaterials in der zweieinhalbstündigen Aufführung. Mal toben Disney-Figuren, mal wird ein Ulbricht-Bild animiert, und eine dreiköpfige Band begleitet die wandlungsfähige Schauspielerin und Sängerin Natalie Hünig bei ihren schrecklich kitschig-schönen Liedern:

    "Tausend Fragen ohne Antwort ..."

    Die Aufführung besitzt viele schöne, fantasievolle Szenen und prunkt mit Einfällen und durchweg intensiven Schauspielern. Für Komik sorgen die Begleiter des Teufels, sein dicklich-rotziger und bösartiger Kater und sein hässlich-fröhlicher Gehilfe Korowjew.

    Der Versuch des kleinen Theaterhauses Jena, mit Bulgakows Roman ein zugleich philosophisches wie unterhaltendes Freilichttheater der bunten Effekte zu bieten, ist leider nur partiell gelungen. Denn der Inszenierung mangelt es öfter an einem Gefühl für die Länge der Szenen und das konkrete Spannungspotential des Geschehens. Ellenlang das Hin- und Hertelefonieren auf der Suche nach einem vom Teufel nach Jalta Gezauberten, viel zu ausufernd die magische Demonstration des Teufels und seiner Gehilfen, gezeigt als Fernsehshow. Und so hängt das Szenen- und Themengewirr immer wieder durch und der erschöpfte Zuschauer erreicht Mitternacht zwar mit Respekt, aber auch mit Müh.