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Luftqualität in deutschen Innenstädten
Beschlossene Maßnahmen reichen nicht aus

Vor drei Jahren wurde bekannt, dass der VW-Konzern bei Dieselmodellen falsche Angaben zu Stickoxiden gemacht hatte. Auch wenn sich die Luftqualität etwas verbessert habe, lägen immer noch 65 Städte über dem Stickoxidgrenzwert, sagte Martin Schmied vom Umweltbundesamt. Deshalb müsse man an die alten Fahrzeuge heran.

Martin Schmied im Gespräch mit Georg Ehring |
    Dicke Luft überm Stuttgarter Kessel. Seit Tagen gilt Feinstaubalarm, doch die Werte gehen nicht zurueck. Autofahrer werden weiterhin gebeten, freiwillig auf OePNV umzusteigen. Zudem soll auf Komfortkamine verzichtet werden.
    Martin Schmied vom Umweltbundesamt forderte im Dlf, Euro-fünf-Fahrzeuge nachzurüsten, um dauerhaft die Luftqualität in deutschen Innenstädten zu v erbessern (imago / Arnulf Hettrich)
    Georg Ehring: Vor genau drei Jahren wurde es bekannt, zunächst in den USA. Der VW-Konzern hat bei vielen Dieselmodellen falsche Angaben zu Stickoxiden im Abgas gemacht. Illegale Abschalteinrichtungen sorgten dafür, dass der Katalysator nur auf dem Prüfstand funktionierte und nicht im realen Verkehr.
    Auch in Deutschland übrigens, und Umweltschützer wurden nach und nach auch bei Messungen von Fahrzeugen anderer Hersteller fündig.
    Drei Jahre hatten Politik und Gerichte Zeit zu reagieren, und es stellt sich die Frage, ob unsere Luft seitdem eigentlich besser geworden ist. Experte dafür ist Martin Schmied. Er ist beim Umweltbundesamt Leiter der Abteilung für Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung. Guten Tag, Herr Schmied!
    Martin Schmied: Hallo!
    Ehring: Herr Schmied, ist die Luft heute weniger mit Stickoxiden belastet als vor drei Jahren
    Schmied: Ja, die ist tatsächlich etwas sauberer geworden. Allerdings liegen immer noch 65 Städte über dem Grenzwert für Stickstoffdioxid, der von der EU vorgegeben ist. Daher ist immer noch keine Entwarnung zu geben.
    Ehring: Es gibt ja Fahrzeuge, die noch immer nicht mit besseren Katalysatoren ausgerüstet sind. Es gibt bei einigen Fahrzeugen Software-Updates. Meinen Sie, dass die Verbesserung der Fahrzeugtechnik dazu beigetragen hat, dass die Luft wenigstens etwas sauberer geworden ist?
    Schmied: Nur zum Teil. Es ist etwas komplizierter, weil nämlich teilweise auch die Witterung dazu beiträgt. Das heißt, wenn wir jetzt eine Verbesserung zum Beispiel zwischen 2016 und 2017 haben, ist es teilweise die Witterung. Zum Teil ist es, dass neue Fahrzeuge in den Markt kommen, die tatsächlich ein bisschen weniger emittieren.
    Es ist auch teilweise natürlich, dass Maßnahmen von den Städten ergriffen wurden. Teilweise sind ja auch Fahrbeschränkungen eingeführt worden, Fahrspuren verengt worden, teilweise auch Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt worden. Das alles zusammen hat letztendlich zu einer Minderung geführt.
    Allerdings geht die Minderung viel zu langsam voran. Wir müssen ja eigentlich heute schon die Grenzwerte in allen Städten einhalten; das tun wir aber nicht.
    Ehring: Wenn man das Soll mit dem Ist mal vergleicht, so zusammengefasst, wo wollten wir stehen und wo stehen wir?
    Schmied: Normalerweise sollten alle Städte einen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter einhalten im Jahresmittel bei Stickstoffdioxid. Und wie gesagt: Wir haben 65 Städte, die teilweise deutlich über dem Grenzwert liegen. Es gibt Spitzenreiter wie München und Stuttgart, die bei 78 oder 73 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen und damit natürlich weit weg von dem Wert, der gesundheitlich zumindest einigermaßen unbedenklich ist.
    Bereits beschlossene Maßnahmen reichen nciht aus, um Grenzwerte einzuhalten
    Ehring: Von der Politik ist ja immer wieder zu hören, ein bisschen Geduld, dann wird das schon alles. Was meinen Sie bei der derzeitigen Politik, wann die Grenzwerte eingehalten werden?
    Schmied: Wir haben Modellrechnungen durchgeführt, die davon ausgehen, da kommen immer neuere Fahrzeuge in den Markt. Es werden ja jedes Jahr dreieinhalb Millionen neue Fahrzeuge angemeldet. Wenn man jetzt praktisch auf die Zeit hofft, dann muss man ganz klar sagen, dass die hoch belasteten Standorte frühestens 2025 den Grenzwert einhalten. Und wie gesagt, der gilt ja heute schon. Der müsste eigentlich heute eingehalten werden.
    Bei mittelbelasteten Standorten wie beispielsweise Mainz, die noch um 50 Mikrogramm herum liegen, könnte das knapp noch 2020 der Fall sein. Da sind allerdings schon die Maßnahmen eingerechnet, die die Politik beschlossen hat. Die Software-Updates sind dort schon eingerechnet in unsere Modellrechnungen. Es sind teilweise die Umtauschprämien schon eingerechnet, die nur zum Teil von den Bürgern angenommen wurden. Das heißt, wir haben auch ein Aktionsprogramm saubere Luft, wo ja die Bundesregierung eine Milliarde Euro den Städten zur Verfügung stellt. Auch die haben wir dort schon eingerechnet.
    Das zeigt relativ klar, dass die bisher beschlossenen Maßnahmen jedenfalls nicht ausreichend sind, um schnell genug die Grenzwerte einzuhalten.
    Euro-5-Fahrzeuge müssten nachgerüstet werden
    Ehring: Was müsste denn passieren, damit die gesetzlich vorgeschriebenen Werte schneller erreicht werden?
    Schmied: Unserer Meinung nach geht das nur, wenn man tatsächlich an die alten Fahrzeuge oder älteren Fahrzeuge herangeht. Das Hauptproblem sind zum Beispiel die Euro-5-Fahrzeuge. Die sind noch bis 2015 zugelassen worden, emittieren aber über 900 Milligramm NOX pro Kilometer im realen Fahrbetrieb. Der Grenzwert ist bei 180 Milligramm NOX pro Kilometer. Bisher sind nur für diese Fahrzeuge Software-Updates eingeführt worden. Die reduzieren die ein bisschen. Es gibt bisher noch gar keine belastbaren Zahlen, aber es wird vermutet, um 20, 30 Prozent. Das ist aber nicht ausreichend.
    Wenn man wirklich die Grenzwerte, die Luftqualitätsgrenzwerte einhalten möchte, dann müsste man genau an diese Euro-fünf-Fahrzeuge heran und die technisch nachrüsten, nicht nur Software-Updates draufspielen, sondern wirklich eine neue Abgasreinigung einbauen. Die Technik ist verfügbar, das sind sogenannte SCR-Katalysatoren, die selektiv tatsächlich die NOX-Emissionen mindern können. Die müssten nachträglich eingebaut werden.
    Ehring: Ist es eigentlich richtig, nur auf den Diesel zu schauen, oder gibt es noch weitere Verursacher?
    Schmied: Man hat tatsächlich mit den Diesel-Pkw schon den Hauptverursacher im Fokus. Es sind etwa, wenn Sie jetzt die Belastungen in einer Stadt sich anschauen, 60 Prozent der Belastung auf den Verkehr zurückzuführen. Innerhalb des Verkehrs sind rund 73 Prozent verursacht durch den Diesel-Pkw.
    Daran merken Sie natürlich, dass es sicher auch sinnvoll ist, an das andere Viertel irgendwie heranzugehen, Busse, Lkw, leichte Nutzfahrzeuge, aber allein mit denen werden Sie, wenn Sie dort was machen, nicht die Grenzwerte einhalten. Es gibt sicher einzelne Messstationen, wo der Bus einen hohen Einfluss hat. Da hilft vielleicht dann tatsächlich auch eine Busnachrüstung. Aber im Großen und Ganzen hilft eigentlich nur, wenn Sie wirklich was am Diesel-Pkw machen.
    Ehring: Martin Schmied, beim Umweltbundesamt zuständig für Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung. Wir sprachen über die Luftqualität, drei Jahre nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.