Archiv


Luftröhren als bodengestützte Klimaanlagen

Erneuerbare Energien. - Wind, Sonne und Biomasse sind nach übereinstimmendem Urteil von Experten auf der Bonner Weltkonferenz "Erneuerbare Energien" eine riesige Zukunftschance und echte Alternative zu den begrenzten Ölreserven. Die Investitionen in erneuerbare Energien könnten nach einer Studie der Vereinten Nationen in den nächsten 15 Jahren zwei Billionen betragen. Die Bonner Konferenz mit mehr als 3000 Teilnehmern aus über 150 Ländern soll bis Freitag die Weichen für eine Wende weg von Öl, Kohle und Gas und hin zu erneuerbaren Energien stellen. Dass und wie diese Wende möglich ist, zeigt ein Bürogebäude am Flughafen Köln-Bonn. Dort sorgt ein so genannter Luft-Erdwärme-Tauscher für gleich bleibende Temperaturen in den Räumen.

Von Volker Mrasek |
    Wer am Köln-Bonner Flughafen eines der großen Parkhäuser ansteuert - das mit dem Buchstaben C -, der hat wohl kaum Augen für das Gebäude auf der anderen Straßenseite. Es ist auch nicht sonderlich auffällig. Ein Allerweltsbau, so scheint es, wie man ihn in jedem Gewerbegebiet antrifft. Hier sitzt eine Tochterfirma der Lufthansa: die LSG Sky Chefs.

    Man könnte auch von der "Himmelsküche der Lufthansa" sprechen. Die LSG sorgt für das leibliche Wohl der Fluggäste. Am Boden stellt sie Bord-Snacks und Getränke zusammen, die später in 10.000 Metern Höhe serviert werden.

    Nicht am Boden, sondern im Boden steckt dagegen, was den neuen Großküchen-Bau von anderen abhebt: Es ist die raffinierte Klimaanlage. Keine herkömmliche, sondern eine, die mit Erdwärme arbeitet, die ihre Heiz- und Kühlenergie aus dem Baugrund zieht. Ihr Herzstück ist zwei Meter tief in der Erde vergraben. Daher könne man es leider niemandem mehr vorführen, bedauert der Umweltbeauftragte der LSG, Walter Vreden, beim Ortstermin am Flughafen:

    Wir würden ein ungefähr vier Kilometer langes Rohrnetz sehen aus schwarzen Kunststoffrohren mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern, die ungefähr alle 50 Meter in ein großes Sammelrohr münden von etwa 70 Zentimetern Durchmesser, wo man auch durchkriechen kann. Das heißt, die Anlage ist begehbar.

    Fünf Dutzend Rohre sind unter dem Gebäude verlegt, streng parallel zueinander. Jedes von ihnen misst 70 Meter. Die Experten sprechen von Rohr-Registern. Drinnen ist es sehr ungemütlich ...

    ... weil es ja ständig von einem kalten Luftstrom, der auch relativ trocken ist, durchweht wird, mit relativ hoher Geschwindigkeit.

    L-EWT, Luft-Erdwärmetauscher - so heißt das technische Konzept. Heimlich und leise zieht es Kreise in Deutschland. Immer mehr große Gewerbe- und Bürobauten werden mit Luft-Erdwärmetauschern zur Haus-Klimatisierung ausgerüstet. Denn sie sparen Energie und vermeiden klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen.

    Im Keller ist es im Sommer kühler als in den oberen Stockwerken oder auf der Veranda. Diese Erfahrung hat jeder schon einmal gemacht. Zwar heizt die Sonne auch den Boden auf. Doch der gibt einen Teil der eingestrahlten Energie wieder ab: an die Atmosphäre und an tiefere Bodenschichten. Im Vergleich zur Außenluft ist das Erdreich also ein Kälte-Akku, könnte man sagen. Im Sommer jedenfalls. Im Winter kehrt sich die Situation um. Da kühlt die dünne Atmosphäre rasch aus, der Boden aber mit seiner großen thermischen Masse speichert noch lange die Hitze der Vormonate. Jetzt verhält er sich also wie ein Wärme-Akku.

    Man kann sich das so vorstellen: Über das Jahr ist die Umgebungsluft-Temperatur eine Schwingung. Und diese Lufttemperatur-Schwingung, die im Sommer den Höhepunkt hat und im Winter den niedrigsten Punkt, findet sich auch im Erdreich wieder, aber stark gedämpft. Und wenn Sie jetzt an einem kalten Tag mit diesem Rohr-Register die Luft durch dieses Register leiten, dann versucht die Luft in dem Register, die Bodentemperatur anzunehmen, das heißt bei minus 15 Grad versucht die Luft, auf zum Beispiel plus acht Grad zu kommen. Und im Sommer versucht die 34 Grad warme Außenluft auf zum Beispiel 12 oder 15 Grad abzukühlen.

    Gerd Dibowski ist ein direkter Nachbar des Köln-Bonner Flughafens. Der Ingenieur arbeitet beim DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dessen Experten begleiten nicht nur aktuelle Mars- und Kometen-Missionen; sie betreiben auch Energieforschung. So läuft schon seit Jahren unter einem Gebäude auf dem DLR-Gelände ein Erdwärmetauscher im Testbetrieb. Und das äußerst zuverlässig, sagt Dibowski:

    Wir kommen komplett ohne Klimaanlage aus. Und das Gute an dieser Anlage ist auch, dass die Luftvorwärmung im Winter so gut funktioniert, dass nur ein Rest an Wärme noch konventionell zugeführt werden muss. Es gibt eigentlich aus meinem Wissen kein anderes alternatives oder regeneratives System, das so gute Leistungszahlen aufweist wie Luft-Erdwärmetauscher.

    Vier Kilometer Rohre durchströmt die Luft und nimmt dabei die Temperatur des Erdreichs an. Dann geht es nach oben ins Catering-Gebäude, wo überall klobige schwarze Lüftungskanäle unter der Decke verlaufen. Rittersberger:

    Ich habe das nicht versucht, die Tür jetzt zu öffnen. Da könnte man ja eingesaugt werden.

    Eduard Rittersberger übertreibt ein bisschen. Doch der Strömungsdruck in den Klimaschächten ist schon enorm. Deswegen öffnet der Haustechniker der LSG die kleine Eingriffsluke auch lieber nur einen winzigen Spalt breit. Das reicht völlig! Man spürt sofort, mit welcher Kraft der kühle Wind durch die Anlage fegt. Die ist schließlich auch ziemlich groß dimensioniert.

    Das Gesamtvolumen liegt bei 71.000 Kubikmeter pro Stunde im Maximum. Das ist eine Menge. Sie müssen sich vorstellen: Bei einem Passivhaus zum Beispiel ist der normale Volumenstrom 150 Kubikmeter pro Stunde. Und wenn Sie jetzt hier sehen, dass hier 70.000 Kubikmeter pro Stunde bewegt werden, und das für Erdwärmetauscher noch lange nicht das Maximum darstellt, sondern durchaus auch sechsstellige Beträge in der Diskussion sind, können Sie sich vorstellen, welche Dimensionen so eine Anlage annehmen kann.

    Der Flughafengrund liefert oder entzieht Wärme, je nach Jahreszeit. Laut Dibowski ersetzt der Energiespeicher Erde große Mengen fossiler Brennstoffe - wenn man unterstellt, dass für den Betrieb herkömmlicher Klima- und Heizungsanlagen Erdöl oder Erdgas verbraucht wird. Bei den Luftröhren unter der LSG-Küche komme jedes Jahr ein Betrag von mehr als 100.000 Kilowattstunden zusammen. Entsprechend stark wird das Klima entlastet. Denn der Erdwärmetauscher läuft praktisch abgasfrei. Die Anlage benötigt selbst nur wenig Strom - für mehrere Ventilatoren im Rohrnetz, die die Luft durch Reinigungsfilter drücken.

    Die günstige Energie- und CO2-Bilanz ist auch der Grund für den heimlichen Siegeszug der Erdwärme-Röhren. Weit über 100 seien in Deutschland heute verlegt, sagt Gerd Dibowski:

    Es sind mehr, als man so allgemein denkt.

    Beflügelt wird die Technologie auch durch ein Demonstrations-Projekt des Bundesforschungsministeriums.

    Dort werden zur Zeit 25 Bürogebäude gebaut, um zu sehen, welche innovativen Techniken sich in Zukunft für diesen Gebäudetyp etablieren werden. Und dort zeigt sich, dass 90 Prozent dieser Gebäude einen Erdwärmetauscher haben.

    Der am Köln-Bonner Flughafen hat die Erwartungen bisher übertroffen, freut sich Walter Vreden:

    Die Temperaturausbeute ist doch größer, als wir zuerst dachten. Wir haben erfahren, dass es bis zu 16 Grad im Winter sein können, die man also praktisch aus dem Boden herausholen kann.

    Und auch im letzten Rekordsommer, als Klimaanlagen andernorts zuhauf versagten, seien die Mitarbeiter sehr froh gewesen, dass man diese Anlage installiert hatte.

    Der Köln-Bonner Flughafen ist zur Zeit ständig in den Schlagzeilen, als neues Drehkreuz der Billigfluglinien. Doch von hier gehen noch ganz andere Bewegungen aus. Die Lufthansa-Tochter LSG erwägt inzwischen, Erdwärmetauscher auch an anderen Flughäfen einzusetzen. Und Umweltexperte Vreden sieht die Klima schonende Technologie sogar vor einer Welt-Karriere:

    Wenn sich herausstellt, dass sich das zum Standard entwickelt und dass das einfach zur Gebäudetechnik dazugehört, wie heutzutage schon eine Klimaanlage dazugehört, dann bin ich sicher, dann springt die ganze Welt da drauf!