Im Stuttgarter Rathaus sei man von der Entscheidung überrascht, sagt Sven Matis. Er ist Sprecher der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt. Stuttgart gehört zu den Städten, in denen die von der EU festgelegten Grenzwerte für Stickoxide in der Vergangenheit deutlich überschritten wurden. Dieses Jahr nur an einem Mess-Punkt, dem Neckartor, doch auch dort habe die Stadt durch verschiedene Maßnahmen für Verbesserungen gesorgt, sagt Matis. Dennoch hätte die blaue Plakette ein weiteres sinnvolles Konzept sein können, um einer Stadt wie Stuttgart beim Kampf gegen überhöhte Schadstoffwerte in der Luft zu helfen.
"Wir sind erstaunt, dass es jetzt ganz offensichtlich vom Tisch ist, ohne dass der Bund uns sofort eine neue Option auf den Tisch legt. Dabei brauchen Städte dringend Optionen, wie sie die Belastung der Luft verringern können. Die City-Maut oder die Nahverkehrsabgabe, die können wir nicht einführen. Daher erwarten wir vom Bund, vor allem vom Bundesverkehrsministerium mehr Engagement."
Entscheidung im Umweltministerium
Getroffen hat die Entscheidung, die blaue Plakette auf Eis zu legen, zwar das Bundesumweltministerium, doch aus dem Haus von CSU-Minister Alexander Dobrindt kam immer großer Widerstand seit die Umweltminister der Länder im April um eine solche zusätzliche Plakette gebeten hatten, um Fahrzeuge mit hohem Stickoxidausstoß – vor allem Dieselfahrzeuge – aus stark belasteten Bereichen fernzuhalten.
Kritik an der Entscheidung kommt auch von der Opposition in Berlin und Umweltverbänden. Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion, nennt sie "fahrlässig". Jürgen Resch, der Chef der Deutschen Umwelthilfe beklagt, dass sich die Autokonzerne beim Thema Luftreinhaltung einmal mehr durchsetzten. BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg zeigt sich enttäuscht, dass das Bundesumweltministerium dem Druck der Autolobby nachgeben wolle.
Der Grund für die Entscheidung sei ein anderer, erklärte Ministeriumssprecher Stephan Gabriel Haufe am Mittag in Berlin, die Diskussion habe sich zu sehr auf die Plakette eingeschossen. "So als wäre sie das einzige Mittel, was genutzt werden kann gegen das Problem. Und es war wichtig, das Zeichen zu geben, dass wir die Diskussion wieder darauf bringen müssen, worum es eigentlich geht, nämlich die Luftqualität in den Städten zu verbessern und die Stickoxidwerte zu senken."
ADAC nicht unglücklich über Entscheidung
Eine Argumentation, die Andree Böhling, Verkehrsexperte bei Greenpeace, verwundert, "weil allen Experten klar ist, dass kurzfristig ohne Fahreinschränkungen für schmutzige Dieselfahrzeuge, und das sollte ja die blaue Plakette umsetzen, wir zu keiner Verbesserung bei der Situation der Luftschadstoffe in den deutschen Städten kommen können."
Nun sollen Umwelt- und Verkehrsminister das Thema gemeinsam besprechen. Zunächst sollten die Beschlüsse der Verkehrsminister von Bund und Ländern abgewartet werden, die im Oktober das nächste Mal tagen. Beim ADAC ist man nicht unglücklich über die Entscheidung, sagt Johannes Boos: "Wir haben ja immer gesagt, eine weitere Verschärfung der Fahrverbote wäre ungerecht, damit hätte man ja einseitig die Autofahrer benachteiligt."
Gegen die blaue Plakette hatten sich insbesondere Vertreter der Wirtschaft ausgesprochen. Hans-Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, hatte erst vor wenigen Tagen erklärt, käme die Plakette, bekämen Handwerksbetriebe mit Dieselnutzfahrzeugen Probleme, weil sie dann nicht mehr in die Innenstädte einfahren könnten.