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Luftverschmutzung in London
Höhere City-Maut statt Fahrverbote

London hat sich im Kampf gegen die Luftverschmutzung für eine Gebühr entschieden. Autofahrer, die unter der Woche in die Innenstadt fahren wollen, müssen pro Tag rund 14 Euro bezahlen. Jetzt hat der Bürgermeister eine "Ultra Low Emission Zone" ausgerufen. Ab kommender Woche soll es noch teurer werden.

Von Sandra Pfister |
Londoner Cab in der Oxford Street.
Nur Black Cabs dürfen weiterhin kostenlos in der Londoner City fahren (picture alliance / dpa / Daniel Kalker)
Eine Grundschule im Ostlondoner Stadtteil Eltham. Die Kinder hüpfen in blau-grauen Schuluniformen über den Schulhof, aber eigentlich, findet die Schulleiterin Kate Barnes, dürften sie gar nicht so viel rausgehen hier, denn die Luft sei schlecht: "Viele der Kinder hier haben Asthma, und einige der Lehrerinnen hier haben über die Jahre Asthma entwickelt. Wir sind an drei Seiten von sehr belebten Straßen umgeben. Und wir sind einfach oft draußen, im Sportunterricht, in den Pausen, beim Mittagessen. Und das ist die Luft, die wir einatmen." Einige Schüler gesellen sich hinzu: "Wenn ich mit meiner Mama die Straße runtergehe, und da steht ein Auto, das den Motor laufen hat, dann fange ich an zu husten und kann nicht mehr aufhören." "Wir versuchen, möglichst viele Pflanzen um die Schule herum zu haben, damit die Luft ein bisschen besser wird." Die Schule hat aber auch eine Art Auto-Bann für Eltern verhängt: Die dürfen ihre Kinder nicht mehr mit dem Auto zur Schule bringen und auch nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad abholen.
Londoner Bürgermeister: "Luft in London ist ein Killer"
Was diese Grundschule ihren Eltern abverlangt, könnte bald viele Eltern in London treffen – wie überhaupt alle, die mit dem Auto in die Stadt wollen. Bürgermeister Sadiq Kahn von der Labour Party spricht Klartext: "Wir haben in London einen Gesundheitsnotstand. Tausende von Leuten sterben hier wegen der schlechten Luftqualität. Als direkte Konsequenz daraus erleben wir hier Kinder, deren Lungen unterentwickelt sind. Erwachsene mit Asthma, Demenz, Herzerkrankungen, die unmittelbar auf die Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Die Luft in unserer Stadt ist ein Killer."
Londons Luft gilt als so belastet wie in keiner anderen europäischen Großstadt. Deshalb hatte die Stadt bereits vor 13 Jahren die "Congestion Charge" eingeführt, die jeder Autofahrer entrichten muss, der an Werktagen in die City will. Sie liegt bei umgerechnet rund 14 Euro. Wer in die Stadt reinfährt, dessen Nummernschild wird von Kameras fotografiert, und anschließend erhält er eine Zahlungsaufforderung.
Mehr als zwei Millionen Fahrzeuge betroffen
Jetzt legt die Stadt noch eins drauf. Sie führt nun eine so genannte "Ultra Low Emission Zone" für die City ein. Alle Fahrzeuge mit höheren Emissionen müssen zusätzlich rund 14 Euro pro Tag drauflegen – auch samstags und sonntags sowie rund um die Uhr. Grob gesagt, müssen alle blechen, die mit einem Diesel nach London reinfahren, der älter als Baujahr 2015 ist. Dabei wird die Euro 6 Norm zugrunde gelegt. Auch wer einen Benziner fährt, der vor 2006 gebaut wurde, zahlt. "Transport for London", die Londoner Verkehrsbetriebe, glauben, dass insgesamt 1,5 Millionen Diesel Autos und eine halbe Million Benziner betroffen sein werden, außerdem 400.000 Kleintransporter und 10.000 Busse. Ausgenommen davon sind die 21.000 "Black Cabs", die berühmten Londoner Taxis. Deren Interessenvertreter haben offenbar erfolgreich Druck gemacht beim Bürgermeister, dabei gelten sie als besonders große Dreckschleudern.
Kritik: City-Maut belastet die Ärmsten und Kleinbetriebe
Die Londoner-Umwelt-Maut könnte gerade die besonders hart treffen, die sich kein neues, emissionsärmeres Auto kaufen können. Auch dieser Kleinunternehmer, der in New Cross südöstlich von London Kleintransporter vermietet, sieht schwarz: "Als Folge davon hat sich der Wert meiner Autos jetzt halbiert. Ich brauche jetzt neue Autos, kann mir die alten nicht mehr leisten. Das ist eine Steuer für die Ärmsten, sie belastet Kleinbetriebe. Das wurde alles heimtückisch eingefädelt, die Beratungen darüber sind ganz im Verborgenen abgelaufen."
Die Stadt London hat 23 Millionen Euro als Verschrottungsprämien für Kleinunternehmer wie ihn ausgelobt, die auf ihre Transporter angewiesen sind. Der Londoner Bürgermeister Khan hält seinen Kritikern außerdem das entgegen: "In den ärmsten Teilen Londons ist die Luft am schlechtesten, zugleich sind aber auch die ärmeren Londoner diejenigen, die eher keine Autos besitzen. Es gibt Beweise, dass diese neuen Regeln insbesondere die Luft in den ärmeren Stadtteilen verbessern wird." In zweieinhalb Jahren übrigens, ab Oktober 2021, wird die Londoner "Niedrigemissionszone" dann noch mal deutlich erweitert, so dass sie auch die äußeren Stadtbezirke umfasst – und damit 18 Mal so groß ist wie jetzt.