Die zu hohe Luftverschmutzung in Europa gefährdet besonders Kinder und Jugendliche. Das geht aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Demnach sterben jedes Jahr schätzungsweise mehr als 1.200 Minderjährige an den Folgen schlechter Luftqualität.
Die EEA-Untersuchungen fanden in mehr als 30 Ländern statt: Neben den 27 EU-Staaten gehören dazu die Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein und die Türkei. Es gibt große regionale Unterschiede. Erstmals konzentrierte sich die EEA in ihrer Studie auf Kinder. Warum sind die Gesundheitsrisiken für sie so hoch?
- Welche gesundheitlichen Folgen hat schlechte Luftqualität?
- Warum sind Kinder auf besondere Weise gefährdet?
- Was sind Quellen von Luftverschmutzung?
- In welchen Ländern in Europa ist das Risiko am größten?
- Wie steht es um die Luftverschmutzung in Deutschland?
- Welche Empfehlungen gibt die Europäische Umweltagentur?
Welche gesundheitlichen Folgen hat schlechte Luftqualität?
Luftverschmutzung hat weltweit gravierende Folgen: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben dadurch jährlich rund sieben Millionen Menschen vorzeitig. Für die EU gab die Europäische Umweltagentur zuletzt knapp 240.000 Todesfälle im Jahr 2020 an.
Wie bei Erwachsenen sei die Luftverschmutzung auch bei Minderjährigen das größte Umweltrisiko für die Gesundheit und verkürze deren Lebenserwartung, betont die EEA. Mediziner wie der Berliner Lungenarzt Christian Gogoll bestätigen die Zusammenhänge: „Wir sehen in Umgebungen, die schadstoffexponiert sind, deutlich höhere Raten an Verschlechterung, zum Beispiel des Asthmas.“
Allein Feinstaub kann vielfältige Krankheitsbilder nach sich ziehen oder verschärfen, von Bronchitis bis hin zu Lungentumoren. Doch es sind auch mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein steigendes Schlaganfallrisiko zu beobachten. Dazu kommen Allergien. Bei Frauen kann eine verkürzte Schwangerschaft, bei Babys ein geringeres Geburtsgewicht auftreten.
Bereits jetzt litten neun Prozent der Minderjährigen in Europa unter chronischem Asthma, so die Umweltagentur. Kinder seien vom Mutterleib an belastet. Im Erwachsenenalter hätten sie dann ein erheblich höheres Risiko für chronische Krankheiten.
Es gebe zudem immer mehr Hinweise darauf, dass Luftverschmutzung die Entwicklung des Gehirns beeinflusse, zu kognitiven Beeinträchtigungen beitrage und eine Rolle bei Autismus spielen könnte. Einige Studien hätten auch einen Zusammenhang zwischen hoher Verkehrsbelastung und Leukämie bei Kindern festgestellt.
Warum sind Kinder auf besondere Weise gefährdet?
Luftverschmutzung betrifft zwar alle Menschen, aber Kinder und Jugendliche sind auf besondere Weise gefährdet, weil sich ihr Körper, ihre Organe und ihr Immunsystem noch entwickeln, schreibt die in Kopenhagen ansässige EU-Behörde in ihrem Bericht.
Zur hohen Anfälligkeit von Kindern tragen demnach viele Faktoren bei: Ihre Atemfrequenz ist höher als die von Erwachsenen, sie nehmen zudem mehr Luft pro Kilogramm Körpergewicht auf. Weil sie kleiner sind, atmen sie eher Luft in Bodennähe ein. Dort konzentrieren sich aber auch Schadstoffe, insbesondere aus Verkehrsabgasen.
Weil Kinder schneller atmen und oft körperlich aktiv sind, nehmen sie eine höhere Schadstoffdosis auf. Außerdem atmen Kinder einen größeren Teil der Luft durch den Mund ein als Erwachsene. Aufgrund dieser vermehrten Mundatmung dringt die Verschmutzung tief in die unteren Atemwege ein, die auch noch durchlässiger sind.
Was sind Quellen von Luftverschmutzung?
Trotz der Fortschritte bei der Luftqualität in den vergangenen Jahren werden die zulässigen Schadstoffwerte in der gesamten EU häufig überschritten, teilt die EEA in einer weiteren Studie mit. Die Konzentrationen lägen „weit über den neuesten WHO-Empfehlungen“, kritisiert sie.
Die schlimmste Luftverschmutzung geht der EEA zufolge von Feinstaub aus, gefolgt von Stickstoffdioxid und Ozon. Im Jahr 2021 waren demnach 97 % der Stadtbevölkerung einer Feinstaubkonzentration ausgesetzt, die über dem von der WHO festgelegten Richtwert lag.
In welchen Ländern in Europa ist das Risiko am größten?
Nach Angaben der EEA verzeichnen Mittelosteuropa und Italien die höchsten Feinstaubkonzentrationen, was in erster Linie an der Verbrennung fester Brennstoffe beim Heizen und deren Verwendung in der Industrie liegt.
Konzentration von PM10-Feinstaub 2021 und 2022 in Bezug auf den EU-Tagesgrenzwert
Die EU hat sich vorgenommen, bis 2030 die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Feinstaub um mindestens 55 Prozent zu senken – im Vergleich zum Jahr 2005.
Wie steht es um die Luftverschmutzung in Deutschland?
Die Grenzwerte für gute Luftqualität in Deutschland wurden 2022 das fünfte Jahr in Folge nahezu durchgehend eingehalten, bescheinigt das Umweltbundesamt. Das gelte vor allem für den Feinstaub. Bei Stickstoffdioxid gab es demnach zwei Überschreitungen in München und Essen. Allerdings seien die Grenzwerte vor mehr als zwanzig Jahren festgelegt worden und entsprächen nicht den aktuellen Erkenntnissen zu den gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung, heißt es.
Welche Empfehlungen gibt die Europäische Umweltagentur?
Verkehr, Heizungen und Industrie sind laut EEA die Hauptverursacher der Luftverschmutzung in Europa. Nach Angaben der Experten ist es am sinnvollsten, die Luftverschmutzung direkt an der jeweiligen Quelle zu vermindern. Doch die Behörde schlägt auch vor, die Luftqualität gezielt rund um Schulen und Kitas und bei Aktivitäten wie dem Sport zu verbessen – zum Beispiel durch mehr Grün.
Die Autoren der Studie weisen nachdrücklich darauf hin, dass Kinder noch nichts in diesem Bereich entscheiden dürften. Dies müssten Erwachsene für sie tun.
Quellen: Europäische Umweltagentur, Umweltbundesamt, Dlf, dpa, afp, bth