Luis de Guindos ist relativ klein und von kompakter Statur. Stets korrekt gekleidet, mit Anzug und Krawatte. Im Januar wurde er 58 Jahre alt. Doch seht mehr als zehn Jahren schon hat er kaum mehr Haare auf dem Kopf: Die vordere Hälfte seines Schädels ist kahl, nur am Hinterkopf ist ein Haarkranz übrig geblieben. De Guindos tritt seriös, kompetent und freundlich auf. Als Wirtschaftsminister ist er der Mann der Zahlen und betont gerne, dass Spanien sich während seiner Amtszeit von der schweren Wirtschaftskrise erholt hat.
"In Spanien geht es seit 2013 wieder bergauf. Seitdem sind etwa eine Million, sechshunderttausend Jobs entstanden. Wir kehren auf das Vorkrisen-Niveau zurück. Allerdings fehlen immer noch etwa anderthalb Millionen Arbeitsplätze, um auf dem Stand zu sein, den wir zu Beginn der Krise 2008 hatten."
Ehemaliger Spanien-Chef der Lehman Brothers
Luis de Guindos ist studierter Wirtschafts- und Betriebswissenschaftler. Mitte der 90er Jahre ging de Guindos in die Politik, arbeitete unter dem konservativen Regierungschef Aznar im Wirtschaftsministerium und stieg dort bis zum Staatssekretär auf. Als 2004 die Sozialisten die spanische Parlamentswahl gewannen, wechselte de Guindos in die Wirtschaft. Er wurde Spanien-Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers, deren Untergang als Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise gilt.
"Das war eine schwierige Erfahrung für mich. Einige meiner Leute in Spanien, die mit der globalen Situation auf den Finanzmärkten nichts zu tun hatten, ging es auf einmal sehr schlecht. Für sie war ich verantwortlich und habe mich mit ihnen solidarisiert."
Anfang Februar von der spanischen Regierung nominiert
2015 bewarb sich de Guindos um den Vorsitz der Eurogruppe. Doch er fiel durch; der Niederländer Dijsselbloem machte das Rennen. Nun also der nächste Anlauf für einen Top-Posten auf europäischer Ebene. Als die spanische Regierung de Guindos Anfang des Monats für das Amt des EZB-Vize nominierte, stellte er eines in den Vordergrund: Die Europäische Zentralbank müsse ihre Unabhängigkeit und ihre Professionalität bewahren.
"Alle Entscheidungsgremien der EZB müssen ebenso unabhängig bleiben. Wenn ich gewählt, werde ich genau das verteidigen - mit all meinen Möglichkeiten und all meiner Überzeugung."
Jens Weidmann als Nachfolger von Mario Draghi?
De Guindos gibt sich siegessicher; er wäre der erste Spanier seit sechs Jahren, der im Führungsgremium der EZB vertreten wäre. Antonio López-Istúriz hofft, dass es so kommt. Der Politiker sitzt für die konservative Volkspartei Spaniens im Europaparlament.
"De Guindos blieb in den sehr komplizierten Jahren der spanischen Wirtschaftskrise absolut standhaft. Und das hat ihm Vertrauen eingebracht. Er hat sich bewiesen - in guten und in schlechten Zeiten. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der europäischen Regierungen seine Kandidatur unterstützt."
Sollte es so kommen, der Südeuropäer de Guindos also auf den EZB-Vize-Vorsitz rücken, könnte das Auswirkungen auf die Zukunft von Bundesbank-Chef Weidmann haben. Beobachter halten es für möglich, dass er als Nordeuropäer dann gute Chance auf die Nachfolge von EZB-Chef Draghi hätte.