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Lunge aus dem Labor

Medizintechnik. – Eine Lungenerkrankung im Endstadium ist für die Patienten eine Tortur, ein paar Schritte lassen sie nach Atem ringen, manchmal bekommen sie sogar im Sitzen nicht genug Luft. Mit einer Lungentransplantation können sie geheilt werde. Aber dafür gibt es nicht genug Organe und die notwendige Unterdrückung der Abstoßungsreaktion ist gerade bei der Lungentransplantation mit starken Nebenwirkungen verbunden. Alternativen werden also dringend benötigt. In der Zeitschrift „Nature Medicine“ berichten Forscher der Harvard Medical School nun von allerersten Schritten hin zur Zucht von Lungen im Bioreaktor.

Von Volkart Wildermuth |
    Gewebe im Labor zu züchten, das ist heute schon bei der Haut Realität, es gibt auch vielversprechende Versuche mit Leberzellen und erste Anwendungen mit künstlichen Harnblasen. Probleme bereiten der regenerativen Medizin aber große Organe, so Harald Ott vom Massachusetts General Hospital in Boston.

    „Die Lunge hat eine sehr komplexe Architektur. Sie muss schließlich den Gasaustausch an einer sehr großen Oberfläche erlauben. Es ist fast unmöglich ein Organ nachzubauen, dass die Fläche eines Fußballfeldes in die Brusthöhle verpackt und es dem Patienten erlaubt, sie komplett mit Luft zu beatmen. Unsere Idee ist deshalb, die natürliche Struktur zu nutzen.“

    Letztlich will der Chirurg eine alte Lunge nehmen, um daraus eine neue Lunge zu bilden. Manchmal ist die Lunge eines Organspenders schon geschädigt, sodass sie sich nicht transplantieren lässt. Harald Ott hofft, solche Organe sozusagen runderneuern zu können, sie für eine Transplantation fit zu machen. Diesen Ansatz hat er jetzt an Ratten erprobt. Schritt eins besteht darin, eine Rattenlunge zu präparieren.

    „Wer nehmen die Lungen und durchströmen sie in einer Kammer mit einer Waschlösung, letztlich mit Seife. So waschen wir innerhalb von ein paar Tagen alle Zellen weg. Zurückbleibt ein Gerüst aus Kollagen und Elastin, das nicht abgestoßen werden sollte, wenn man es mit den Zellen des Patienten besiedelt.“

    Bis auf die blasse Farbe sieht das Gerüst aus, wie die ursprüngliche Rattenlunge. Mikroskopische Aufnahmen zeigen, dass die großen Adern und die Luftwege aber auch die feinen Kapillaren und die Lungenbläschen noch intakt sind. Dieses Gerüst kommt in Schritt zwei in einen Bioreaktor. Der lässt Nährflüssigkeit und Lungenzellen aus Rattenfeten sowohl durch die Blutgefäße wie durch die Luftwege strömen. Wichtig ist, dass der Bioreaktor die mechanischen Belastungen des Pulsschlags und der Atembewegung mit Pumpen nachstellt. Nach und nach siedeln sich die Zellen an. Chemische Signale aus dem Lungengerüst und die mechanischen Reize bringen sie dazu, sich weiter zu entwickeln, die verschiedenen Aufgaben des Lungengewebes zu übernehmen. Im Verlauf von fünf bis neun Tagen entsteht so aus dem nackten Gerüst der Rattenlungen wieder ein Organ. Es ist nicht perfekt, so fehlen zum Beispiel Lymphgefäße und auch die feinen Flimmerhärchen, die Staub aus der Lunge transportieren. Aber zumindest die alles entscheidende dünne Grenzfläche für den Gasaustausch sieht aus wie im Original. Und sie funktioniert auch in den Rattenlungen aus dem Labor.

    „Die Leistung des Organs war verblüffend hoch verglichen mit anderen Geweben. Die Lunge scheint sich besonders für diese Technik zu eignen. In der Petrischale war der Gasaustausch für kurze Zeit so gut, wie in normalen Lungen. Und als wir die Laborlungen in Ratten transplantierten, konnten die Tiere damit für etwa sechs Stunden atmen. Dann sammelte sich Flüssigkeit in der Lunge.“

    Harald Ott ist klar, dass die Lunge aus dem Labor noch nicht perfekt ist. Selbst in den ersten sechs Stunden brachte sie nur die halbe Leistung einer normalen Lunge. Menschlichen Patienten wäre damit nicht geholfen. Aber es ging dem Lungenchirurgen erst einmal darum, zu zeigen, dass es überhaupt möglich ist, eine Lunge im Labor nachzubilden. Er hofft, dass sich nach diesem ersten Schritt viele andere Forscher daran beteiligen, die Methoden zu optimieren. Vielleicht eignen sich andre Zelltypen besser, vielleicht muss das Organ länger im Bioreaktor reifen, vielleicht kommt es drauf an, die Bildung von Lymphgefäßen anzuregen, um Flüssigkeit abzutransportieren. Es gibt viele Ansätze, deshalb ist Harald Ott optimistisch, dass es einmal möglich sein wird, tatsächlich eine Lunge im Labor zu züchten. Allerdings hat die Methode einen Haken. Man braucht immer eine alte Lunge, um eine neue Lunge herzustellen. Der Organmangel wird also nicht grundsätzlich behoben. Langfristig möchte Harald Ott deshalb einen ganz anderen Weg gehen. Er will Lungen von Tieren im Bioreaktor zuzusagen vermenschlichen.

    „Wir haben schon Lungen von Schafen und Schweinen von Zellen befreit. Ein solches Gerüst könnte man dann mit Zellen eines menschlichen Patienten regenerieren. Ganz ähnlich wird das ja heute schon mit Herzklappen vom Schwein gemacht. Auf lange Sicht könnte man also unabhängig von menschlichen Organspendern werden, in dem man das Gerüst von Organen aus dem Tier mit humanen Zellen besiedelt und so menschliche Lungen regeneriert.“