Über 100 Menschen sind allein am Sonntag in der Lombardei, der Region rund um Mailand herum, am Coronavirus gestorben. Und zudem ist die Sterblichkeitsrate der Infizierten relativ hoch. Global liegt sie zwischen 0,5 oder 0,7 Prozent über alle Personengruppen und bei bis zu 15 Prozent für Risikogruppen wie krankheits- oder altersbedingt stark vorbelastete Patienten. In Italien hingegen sind drei Prozent der als infiziert gemeldeten Personen gestorben. Drastische Maßnahmen gelten unter Experten als angemessen. Für das konsequente Durchgreifen bekommt die italienische Regierung da viel Zustimmung.
Es gibt nach wie vor rote Zonen, also komplett abgeriegelte Gemeinden. Und das wird an den Straßen, die in diese Orte führen auch kontrolliert. Dazu kommen jetzt auch orangene Zonen hinzu. Darunter fällt zum Beispiel die Millionenstadt Mailand. Hier ist die Bewegungs-Freiheit deutlich eingeschränkt, aber nicht komplett untersagt. Laut Dekret dürfen die Menschen aus diesem Gebiet nur aus "schwerwiegenden und unaufschiebbaren Gründen" – zum Beispiel familiären und beruflichen – raus- oder reinfahren. Die Behörden kontrollieren das stichprobenhaft, auch das Militär wird dazu eingesetzt.
Innerhalb der Zonen dürfen sich die Menschen aber weiter bewegen, in den Supermarkt gehen oder zur Arbeit. Das öffentliche Leben ist aber deutlich reduziert: Kindergärten und Schulen bleiben geschlossen, Museen und andere kulturelle Einrichtungen müssen jetzt schließen, auch Ski-Gebiete, Konzerte sind verboten – genau wie Sport-Wettbewerbe, sofern keine Abstände von mindestens einem Meter zwischen den Zuschauern garantiert werden können. Selbst Kirchen müssen die Abstands-Regeln einhalten oder Messen absagen. Auch Bars und Restaurants müssen nach 18 Uhr schließen. Dass sie am Tag geöffnet haben, ist wichtig, weil viele Arbeiter und Angestellte sich dort kurz ihr Mittagessen holen. Da gilt das Risiko als geringer als am Abend, wenn sich die Menschen zum Essen zusammen setzen.
Dass die Maßnahmen so drastisch sind, macht den Menschen den Ernst der Lage klar. Und das wirkt. In der Metro und auf den Straßen sieht man viel weniger Menschen. Und auch der Aufruf, mindestens einen Meter Abstand zu Mitmenschen zu halten, wird ernst genommen.
Die Verbreitung des Virus soll so eingedämmt oder mindestens verlangsamt werden. Denn aktuell ist das Gesundheitssystem in Norditalien überlastet, die Notaufnahmen sind voll – auch die Intensiv-Betreuung ist teilweise ausgereizt. Schon eine Verlangsamung der Ausbreitung kann enorm helfen, um hier keine dramatischen Engpässe entstehen zu lassen und Betroffene weiterhin angemessen versorgen zu können.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat bereits empfohlen, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen. Fußballspiele zum Beispiel ohne Publikum stattfinden zu lassen. Doch Durchregieren kann er da nicht, denn im deutschen Föderalismus sind die Länder zuständig. Das muss aber kein Nachteil sein: Bekommen diese klare Leitlinien aus Berlin, zum Beispiel von den Experten des Robert-Koch-Instituts und auch starke politische Empfehlungen wie von Jens Spahn, können dezentrale Entscheidungen ein Vorteil sein.
Denn die Fälle werden vermutlich nicht überall gleichmäßig auftreten. Es kann zum Beispiel gehäufte Fälle in einer Region geben, während die Verbreitung in einer anderen Region gerade abnimmt. Und in einer dritten Region beginnt die Verbreitung vielleicht gerade erst. Das kann sich über viele Wochen so hinziehen – auch bei Corona. Und da bringt es vermutlich weniger, in ganz Deutschland zum Beispiel die Schulen gleichzeitig zu schließen. Es kann aber sehr sinnvoll sein, in den einzelnen Regionen entsprechend zu reagieren, um die akute Verbreitung zu verzögern.
Verzögerung ist auch für Deutschland das entscheidende Ziel. Denn es wird wohl nicht gelingen, die Verbreitung komplett zu stoppen. Aber jede Verzögerung entlastet das Gesundheitssystem und hilft dann dabei, dass jedem einzelnen Betroffenen auch wirklich geholfen werden kann.