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Luther, Copernicus, Narren

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Martin Luther sei ein entschiedener Gegner der Lehre des Copernicus gewesen, nach der nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum des Planetensystems steht.

Von Dirk Lorenzen | 31.10.2012
    "Dieser Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren", soll Luther bei Tische gepoltert haben. Und weiter: "Aber Josua hieß die Sonne stillzustehen und nicht das Erdreich."

    Damit ist die Bibelstelle gemeint, nach der die Sonne und der Mond stillstanden, bis das Volk Rache an seinen Feinden genommen hatte. Offenbar bewegte sich die Sonne sonst - ein Widerspruch zu Copernicus.

    Allerdings gibt es keine Belege für diese Äußerungen. Im umfangreichen Werk des Theologen gibt es überhaupt nur diese eine Stelle, die sich auf Copernicus und das heliozentrische Weltbild beziehen soll.

    Besagte Tischrede ist von 1539, wurde aber erst Jahrzehnte später gedruckt - und zwar von jemandem, der nicht selbst dabei gewesen ist. Im Tagebuch des damaligen Luther-Vertrauten Anton Lauterbach findet sich hingegen kein Hinweis auf eine solche Äußerung.

    Der Physiker und Wissenschaftshistoriker Andreas Kleinert von der Universität Halle sieht in den Luther zugeschriebenen Bemerkungen eine "handgreifliche Geschichtslüge".

    Kleinert weist nach, dass Luther erst im 19. Jahrhundert von zwei katholischen Historikern zum Anti-Copernicaner gemacht worden ist - während des Kulturkampfes zwischen Kaiserreich und katholischer Kirche.

    Einen Narren hat der Reformator Copernicus offenbar nicht genannt. Er scheint sich für das neue Weltmodell gar nicht interessiert zu haben.

    Fachveröffentlichung von Andreas Kleinert

    De revolutionibus, das Hauptwerk von Nicolaus Copernicus