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Luxemburg
Heimarbeit statt Auto

Stoßstange an Stoßstange. Wenn sich die Pendler auf den Weg machen, dann steht der Verkehr in Luxemburg still. Die luxemburgische Regierung will daran etwas ändern und hat erste Ideen.

Von Tonia Koch |
    Blick auf die Altstadt von Luxemburg. Im Vordergrund rechts Straßenschilder, die in verschiedene Richtungen weisen - aufgenommen im August 2017
    Pendler aus Belgien, Frankreich oder Deutschland versteuern ihre Löhne und Gehälter in Luxemburg, am Arbeitsort. (AFP/Ludovic Marin)
    Auf der Autobahn rund um Luxemburg ruht der Verkehr. Nur auf der parallel verlaufenden Auffahrt dürfen die Autofahrer noch mal Gas geben. Das Hinweisschild über der Autobahn zeigt an: Frankreich, 40 Minuten. So lange wird es also mindestens dauern, bis die Autofahrer die 10 Kilometer bis zur luxemburgisch-französischen Grenze zurückgelegt haben.
    Alltag für 180.000 Pendler aus Frankreich, Belgien und Deutschland und für die einheimische Bevölkerung, die ebenfalls nicht mehr vom Fleck kommt. Für Jean-Claude Juchem, Direktor des luxemburgischen Automobilclubs, ist die Zumutbarkeitsgrenze längst überschritten: "Wir können nicht jeden Tag im Fahrzeug stehen. Das Fahrzeug ist da, um zu fahren, aber wir stehen. Für 15 Kilometer, die ich täglich fahre, von zu Hause zur Arbeit, brauche ich 1 Stunde 15 Minuten, das ist Wahnsinn."
    Luxemburg investiert in die Infrastruktur
    Luxemburg investiert Milliarden in die Infrastruktur. Busse fahren im Minutentakt, ebenso die Züge, die allerdings wie die Busse zu Stoßzeiten immer überfüllt sind. In den vergangenen zehn Jahren ist das Fahrgastaufkommen der luxemburgischen Bahn um über 60 Prozent gewachsen. Luxemburg sucht also nach Alternativen.
    Eine Standseilbahn und eine Straßenbahn sind noch im Testbetrieb. Sie werden Mitte Dezember eingeweiht und sollen dann dazu beitragen, das alltägliche Verkehrschaos zu entzerren. Aber der luxemburgische Wirtschaftsminister Etienne Schneider zweifelt daran, dass die Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur die Situation tatsächlich zum Besseren wenden können: "Das Wirtschaftswachstum führt dazu, dass diese Maßnahmen, die wir treffen, immer wieder aufgefressen werden von dem Rush auf dem Wirtschaftsstandort Luxemburg."
    Heimarbeit als Alternative für Pendler
    Die luxemburgische Wirtschaft wächst jährlich um vier bis fünf Prozent. Es seien daher andere Lösungsansätze nötig, um der wachsenden Verkehrsprobleme Herr zu werden. Heimarbeit statt Auto, lautet sein Vorschlag:
    "Wenn sie sich vorstellen, dass vielleicht jeder Mitarbeiter einen einzigen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten würde - neben dem Effekt, dass es ihm auch sein Privatleben erleichtern würde, würde es dazu führen, dass 20 Prozent des Verkehrs einfach so verschwinden würde. Von daher denke ich, dass wir diese Diskussion intensiv führen sollen."
    Allein am luxemburgischen Finanzplatz arbeiten 45.000 Menschen, etwa die Hälfte davon Pendler. In vielen Fällen wäre Telearbeit mit heutigen technischen Mitteln sicher realisierbar und als ein Baustein zur Lösung der Verkehrsproblematik auch der richtige Ansatz, glaubt der luxemburgische Unternehmerverband.
    Auf einmal gäbe es ein Steuerproblem
    Die eigentliche Problematik des Vorschlages aber liegt in der Steuerfrage: Die Pendler aus Belgien, Frankreich oder Deutschland versteuern ihre Löhne und Gehälter in Luxemburg, also am Arbeitsort. Wenn sie zeitweilig zu Hause arbeiten, müsste sich daran etwas ändern, das weiß auch Etienne Schneider:
    "Wenn wir da eine Lösung finden würden, indem wir die Mitarbeiter nach Luxemburger Recht besteuern würden und dann diese Steuereinnahmen für die Tage, wo halt Heimarbeit gemacht wird, aufteilen zwischen den Staaten - dass man da viel mehr erreichen könnte als mit den Milliardeninvestitionen in den Straßenbau, den Schienenbau und den öffentlichen Personennahverkehr zu investieren."
    Das Saarland reibt sich schon die Hände
    Der saarländische Finanzminister Stephan Toscani hätte nichts dagegen, wenn er steuerlich ein wenig vom luxemburgischen Wirtschaftsboom profitieren könnte: "Wenn die Luxemburger Seite dazu bereit ist, sozusagen ein Stück weit mehr an die Partner abzugeben, ist das natürlich ein Punkt, bei dem wir als Partner, als Nachbarn, nicht nein sagen."
    Solche Lösungen aber sieht das geltende Doppelbesteuerungsabkommen nicht vor. Das zu verhandeln, wäre dann Sache der Bundesregierung.