Archiv

Luxemburg
Presseförderung nach qualitativen statt quantitativen Kriterien

Fünf Tageszeitungen für 350.000 Leser: Die luxemburgische Presselandschaft ist enorm vielfältig - auch wegen öffentlicher Subventionen. Dennoch befindet sich der Printmarkt im Land in einer strukturellen Krise. Die Regierung will die Pressehilfe nun neugestalten und dabei verstärkt auf qualitative Kriterien setzen.

Von Tonia Koch |
Der Schriftzug vom "Luxemburger Wort" am 15.09.2018, am Redaktionsgebäude in Luxemburg-Stadt
Die auflagenstärkste Tageszeitung Luxemburgs, das "Luxemburger Wort", hat gerade ihren Besitzer gewechselt (imago stock&people)
Die Regierung reagiert auf die Marktumbrüche mit Reformen. Sie will die sogenannte Pressehilfe neugestalten. Ein entsprechendes Gesetz zur Umbildung der staatlichen Beihilfen wird derzeit diskutiert. Auch die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll noch bis Ende des Jahres per Gesetz - mit einer Art Staatsvertrag - abgesichert werden. Das hat Premierminister Xavier Bettel vor wenigen Tagen im Parlament angekündigt.
Es ginge darum, so Bettel, die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu garantieren. Auch alle anderen Maßnahmen, die von der Regierung im Rahmen der Pressehilfe ergriffen würden, verfolgten dieses Ziel.
Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel am 16. Juli 2014 bei seiner Ankunft zu einem Treffen des Europäischen Rates. 
Premierminister Xavier Bettel ist auch Medienminister von Luxemburg (AFP / GEORGES GOBET)
Als Premier- und gleichzeitig Medienminister sei es ihm wichtig, eine starke, professionell arbeitende Presse in Luxemburg zu haben. Die Pressehilfe werde deshalb vermehrt an qualitativen und nicht länger an quantitativen Kriterien ausgerichtet.
Fünf Tageszeitungen für 350.000 Leser
Bislang waren die staatlichen Subventionen zum großen Teil an die Anzahl der redaktionellen Seiten der Zeitungen geknüpft. Künftig soll hingegen jede Redakteursstelle mit jährlich 30.000 – 55.000 Euro bezuschusst werden. Im Grundsatz eine gute Idee, sagt Jean-Lou Siweck, Präsident des Luxemburger Presserates. Der Vereinigung gehören sowohl Journalisten als auch Verleger an.
"Das Gesetz an sich wird sicherlich keine Qualität sichern können, es wird allerdings in meinen Augen jenen Verlegern und Journalisten helfen, die auf Qualität setzten wollen, weil es eben die Möglichkeit eröffnet, ohne an die Einkommensseite denken zu müssen, die Wahl zu treffen vielleicht eine dünnere Zeitung oder eine Website mit weniger Artikeln aber dafür mit hochwertigeren Inhalten zu produzieren."
Heiko Maas und Jean Asselborn stehen auf einer Brücke der deutsch-luxemburgischen Grenze und halten als symbolische Geste eine Corona-Gesichtsmaske mit dem Wappen der Europäischen Union.
Saarland, Frankreich, Luxemburg - eine Region fast ohne Grenzen
Lange galt die Region rund um Luxemburg als "europäischer Zankapfel". Heute arbeiten die Länder zusammen, auch wenn die unterschiedlichen Verwaltungen es nicht immer einfach machen.
Die strukturelle Krise, in der sich insbesondere die luxemburgische Print-Presse befindet, könne der Reformansatz allerdings nicht abwenden. Allein fünf Tageszeitungen bemühten sich um etwa 350.000 Leserinnen und Leser.
"Das sind sehr, sehr wenig, wenn man darüber Medien finanzieren soll. Und es ist daher schon ein kleines Wunder, dass es überhaupt so viele Medien in Luxemburg gibt." Dieses Modell komme an seine Grenzen, fürchtet Siweck.
Auflagenstärkste Tageszeitung mit neuem Verleger
Auch in Luxemburg sinkt - wie überall - die Zahl der Abonnenten, und die potenziellen Anzeigenkunden haben längst andere Werbemöglichkeiten für sich entdeckt.
Das bekommt auch die bis dato auflagenstärkste Tageszeitung im Land, das "Luxemburger Wort", zu spüren. Der Marktführer - bis dahin im Besitz der katholischen Kirche - wurde im Frühjahr von einem belgischen Medienkonzern übernommen.
Für viele Leser ist das eine Art Tabubruch. Nicht jedoch für den ehemaligen Chefredakteur des "Luxemburger Wortes" Jean-Lou Siweck: "Warum nicht? Das ist keine erstaunliche Entwicklung. Ungewohnt in Luxemburg ist, dass es einen Verkäufer gab."
Mit dieser Entscheidung des Erzbistums Luxemburgs hatte wohl kaum jemand gerechnet, am wenigsten die Mitarbeiter. Diese werden sich, das haben die neuen belgischen Eigner angekündigt, darauf einstellen müssen, dass bis zu einem Viertel der insgesamt 340 Arbeitsplätze wegfallen werden.
"Auch 'Content' muss eine gewisse Qualität haben"
Neue Wege geht ab Januar auch das "Letzebuerger Journal". Nach 70 Jahren stellt das liberale Blatt die gedruckte Ausgabe ein und erscheint nur noch online, sagt Chefredakteur Claude Karger: "Die Gesellschaft wird sich nicht zurückdrehen auf Print. Weder die Leser noch die Anzeigenkunden werden noch länger in Print bleiben, das ist ein Trend den wir seit Jahren sehen."
Zeitungen liegen in einem Ständer vor einem Einzelhandelsgeschäft
Zeitungen in der Coronakrise - Hoffen auf Digitalabos
Mehr zu tun und viel Zuspruch, aber weniger Erlöse in der Krise: Die Corona-Pandemie setzt Zeitungsverlagen in besonderer Weise zu. Ein möglicher Ausweg könnte im digitalen Geschäft liegen.
Dass die Regierung die finanzielle Unterstützung für Online-Strategien geöffnet hat, begrüßt der Macher des Journals, das einer liberal ausgerichteten politischen Stiftung gehört.
"Ich halte das grundsätzlich für richtig, dass man auf Qualitätsjournalismus setzt. Wir sprechen ja in der digitalen Welt nicht mehr von Seiten oder Artikeln, sondern wir sprechen von 'Content'. Und dieser 'Content' muss eine gewisse Qualität haben, um herauszustechen, natürlich."
Bis Ende des Jahres will Karger die verbliebeben 3.000 Abonnement-Kunden überzeugen, der digitalen Variante des Journals treu zu bleiben.
Lange Zeit dominierten gesellschaftliche Akteure, die neben anderen Dingen eben auch Zeitungen machten, den Luxemburgische Zeitungsmarkt. Das galt für das "Luxemburger Wort" und das "Journal" und gilt ebenso für das "Tageblatt", wo sich die Gewerkschaften engagieren und auch für die kommunistische Zeitung "Vum Letzebuerger Vollek". Mit dem Einstieg privatwirtschaftlicher Verleger in den luxemburgischen Printmarkt – wie beim "Wort"- hat jedoch ein Wandel mit offenem Ende eingesetzt.