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Luxemburg
Strategien eines Fußballzwergs

Zwischen 1973 und 1995 gelang der luxemburgischen Nationalmannschaft kein einziger Pflichtspielsieg - doch diese düsteren Zeiten sind längst vorbei. Jetzt will das kleine Großherzogtum mit seinen gerade einmal 500.000 Einwohnern den nächsten Schritt folgen lassen. Spieler gibt es genug, doch die besten werden gerne abgeworben.

Dorian Aust und Philip Wegmann |
    Die Fußballnationalspieler Luxemburgs beim Training
    Die Fußballnationalspieler Luxemburgs beim Training (Dorian Aust / deutschlandradio)
    Ordentlich liegen sie da, die frisch gewaschenen Trainingsklamotten diverser luxemburgischer Nachwuchsmannschaften. Gedankenverloren steht Reinhold Breu, Sportlicher Leiter des Centre National de Football, kurz CNF, in einer der Kabinen.
    Seit gut fünf Jahren leitet der gebürtige Bayer die Geschicke des einzigen Nachwuchsleistungszentrums des Landes, 20 Autominuten entfernt von der Hauptstadt. "Wir haben a) ein Ziel die Talente so auszubilden, dass sie wirklich auch herausragende Spielerpersönlichkeiten werden, die in der Lage sind auch bei Profiklubs im Ausland zu spielen, das ist das Hauptziel. Das Zweite ist, dass sie A-Nationalspieler werden. Und natürlich auch, dass unsere Nationalmannschaften auch international konkurrenzfähig sind, um bei den Wettbewerben gute Resultate zu erzielen und natürlich auch dauerhaft dazu beitragen den nationalen Fußball zu verbessern."
    Die Politik hilft mit
    Diese Ziele möchte auch die Politik in Luxemburg unterstützen. Jährlich finanziert die Regierung den Sport mit rund 40 Millionen Euro. Trotz der größeren Erfolge im Radsport gilt der Fußball als die Nummer 1 im Land. Dabei ist die erste luxemburgische Liga eine reine Amateurliga. Romain Schneider, Minister für Sport und Entwicklungshilfe: "Wir haben jetzt einige Spieler die in Frankreich, in Belgien, in Deutschland auch aktiv sind. Und das wird mit Sicherheit helfen, dass die Struktur der Nationalmannschaft eine Gute wird. Die Mannschaft besteht nicht nur aus 16 Spielern, sondern man findet auch 25 Spieler, die irgendwie auf einer breiten Basis das Niveau haben auch international ihre Anfänge zu tätigen."
    Auch dazu wurde bereits 2002 das CNF gegründet. Seit dem wächst die Zahl der entdeckten Talente und Auswahlspieler stetig. Aktuell werden 300 Kinder und Jugendliche fußballerisch gefördert, dazu kommen vier im Land verteilte Stützpunkte. Für Breu ist die die Einstellung mit das Wichtigste. "Das Wichtigste ist, dass man die Talente so ausbildet, dass sie eine Qualität haben, auch eine Mentalität haben, wo man sagt 'okay, das ist eine Siegermentalität'. Man muss ja auch sagen, dass wir schon auch das Hauptziel haben, dass die Jungs hier in Luxemburg lernen Spiele zu gewinnen. Also das ist man nicht so gewöhnt gewesen in den letzten 40 Jahren, man hat halt einfach nicht so viele Spiele gewonnen. Da haben wir jetzt begonnen die Hebel anzusetzen, dass man in ein Spiel geht und sagt, aufgrund unserer Fähigkeiten sind wir in der Lage mitzuspielen und auch Spiele zu gewinnen."
    Luxemburgs Spieler werden gerne abgeworben
    Allerdings hat der luxemburgische Fußball ein Problem: 90 Prozent der Jugendspieler im CNF verfügen über eine doppelte Staatsbürgerschaft und werden in den letzten Jahren immer häufiger abgeworben. Prominentestes Beispiel: Miralem Pjanic vom AS Rom. Der gebürtige Bosnier durchlief die Nachwuchsmannschaften der U-17 und U-19, um sich dann 2008 für die Bosnische Auswahl zu entscheiden. Elf Spieler aus dem aktuellen A-Kader sind als Profis in fünf ausländischen Ligen aktiv. Darunter auch Chris Philipps in Münster und Maurice Deville beim 1. FC Kaiserslautern.
    "Jeder hat seine eigene Meinung über sowas. Jetzt jemand der für Frankreich spielen könnte und die wollen den haben, dann denkt der natürlich dreimal drüber nach, weil wenn er bei Frankreich spielt, ist er so gut wie immer bei der WM dabei, bei der EM dabei. In Luxemburg weiß er, das wird eher schwer so was zu erreichen. Deswegen muss man das auf der einen Seite verstehen, aber auf der anderen Seite finde ich das auch nicht so toll, weil wenn alle bleiben würden, dann wären wir natürlich auch schon in einer anderen Liga."
    EM-Teilnehmer Island hat noch weniger Einwohner
    Meistens spielt die sportliche Perspektive dabei die entscheidende Rolle. Für die Nationalmannschaft kann das ein Teufelskreis sein - denn Erfolge motivieren Jungprofis zur Entscheidung "Pro Luxemburg".
    Dass Erfolg nichts mit der Bevölkerungszahl zu tun hat, sieht man am Beispiel Islands - trotz noch weniger Einwohner qualifizierte man sich für die Europameisterschaft 2016. Von einer Vorbildrolle möchte Reinhold Breu aber nicht sprechen: "Was bei ihnen extremst wichtig ist, sie haben eine Mentalität, das sind Typen, die Isländer. Und haben natürlich auch eine sportliche Qualität dadurch, dass sie ganzjährig trainieren, haben gute hochqualifizierte Trainer und haben natürlich auch die physischen Voraussetzungen, um auf extremst hohem Niveau zu spielen. Kann man aber nicht vergleichen mit Luxemburg, wir haben eine andere Herausforderung. Deswegen schaun wir da mal drauf, vielleicht können wir uns das eine oder andere abschauen, aber wir nehmen das nicht als Vorbild."
    2014 ein Remis gegen Italien, im November sogar ein Sieg gegen Griechenland. Die nächsten Ziele sind schon gesteckt: Stadion-Neubau bis 2019, Verdopplung der Kapazitäten des CNF, sowie die Etablierung der Nachwuchsmannschaften in Europa. Eins ist klar: In den kommenden fünf Jahren soll es mehr als sieben Siege geben – so viele waren es nämlich in den vergangenen fünf.