Juncker war wegen der umstrittenen Steuerabsprachen mit Großkonzernen während seiner Zeit als Regierungschef Luxemburgs in die Kritik geraten. Das gelte selbst für den Fall, dass die EU gewährte Steuervergünstigungen seines Heimatlandes als unerlaubte Beihilfen einstufe, sagte Juncker in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Mittwoch.
"Ist jemals ein Regierungsmitglied zurückgetreten, weil Europa Beihilfen für unzulässig erklärt hat?" Er sehe seine Glaubwürdigkeit nicht als beschädigt an. "Aber sie hat in der öffentlichen Wahrnehmung durch die Publikationen gelitten", räumte er ein.
Juncker fordert "Steuerharmonisierung"
Juncker verteidigt die Absprachen mit dem Argument, Unternehmen und Steuerbehörden hätten in der Vergangenheit Spielräume zur Steuervermeidung nicht nur in Luxemburg, sondern in 24 EU-Ländern genutzt. "Wir brauchen eine Flurbereinigung", forderte er nun mit Blick auf die Steuerharmonisierung in der EU und verwies auf den von ihm geforderten automatischen Informationsaustausch zu solchen Vorabsprachen ("tax rulings").
Das Luxemburger Finanzministerium erklärte unterdessen, Einzelheiten der Steuervereinbarungen mit internationalen Firmen offenlegen zu wollen. Wenn Regierungen danach fragten, würden ihnen die Details der jeweiligen Übereinkommen zugänglich gemacht. Zugleich nannte das Ministerium die Veröffentlichungen "höchst fragwürdig".
35 Unternehmen profitierten von der Steueroase Luxemburg
Zuvor hatten neue Enthüllungen des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten (ICIJ) weitere Großkonzerne in den Steuerskandal gezogen. Dazu gehören demnach der US-Unterhaltungskonzern Disney und der US-Mischkonzern Koch Industries. Sie hätten zwischen 2009 und 2013 Hunderte Millionen Dollar Gewinn durch in Luxemburg ansässige Tochterunternehmen geschleust, für die Steuersätze von weniger als einem Prozent gegolten hätten.
Getting up to speed with #LuxLeaks? Check out stories from our partners around the world: http://t.co/Na67Zyfzhl pic.twitter.com/FCmVeRU0LI— ICIJ (@ICIJorg) 8. November 2014
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete zudem, dass auch der Internet-Telefondienst Skype und der britische Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser hätten sich in Luxemburg lukrative Steuervereinbarungen gesichert. Skype bekam demnach seit dem Jahr 2005 einen Steuerrabatt von bis zu 95 Prozent auf Lizenzeinnahmen. Laut "SZ" sind in den Dokumenten rund 50 Sonderregelungen mit 35 Unternehmen zu finden.
Zudem hätten fast alle großen Beraterfirmen wie Deloitte, Ernst & Young und KPMG mit der Luxemburger Verwaltung kooperiert. Bisher war nur PricewaterhouseCoopers ins Visier geraten. Sämtliche von der "SZ" genannten Unternehmen erklärten der Zeitung zufolge, sie hielten sich an die geltenden Gesetze.
(nch/vic)