Egal, wie man beginnt. Ob Hannah eines ihrer selbstverfassten Gedichte rezitiert:
"Ich hab nen Bruder,
der benutzt kein Puder,
mich ärgern tut er.
Er benutzt auch kein After scheif
und sein Name ist Dave.
Bruder Nummer zwei
isst gern Suppe und Brei.
Er schreit laut in die Welt hinein.
Ich wollt, er könnte leiser sein."
der benutzt kein Puder,
mich ärgern tut er.
Er benutzt auch kein After scheif
und sein Name ist Dave.
Bruder Nummer zwei
isst gern Suppe und Brei.
Er schreit laut in die Welt hinein.
Ich wollt, er könnte leiser sein."
Oder ob Josefine nur Quatsch im Kopf hat:
"Die Katze klettert hoch in 'n Baum,
und plumpst kopfüber in den Badeschaum."
"Die Katze klettert hoch in 'n Baum,
und plumpst kopfüber in den Badeschaum."
Egal, wie man einen Beitrag über neue Lyrikbände für Kinder beginnt, und egal, wie alt der Mensch ist, der sich an Gedichten erfreut: Es macht sich nicht selten ein Lust an Reim und Rhythmus breit, an Sinn und Hintersinn und Nonsens, am Nicht-Wissen, wie das alles endet, am Experimentieren und Jonglieren mit Worten, die einem aus dem Kopf purzeln und von den Bücherseiten.
Das Wörterchaos
Ein hervorragendes Beispiel für die lustvolle Verknüpfung von Wort und Bild, für den gemeinsamen Tanz, ist das Bilderbuch "Pandazamba" aus dem Carlsen Verlag. Das Buch liest sich wie die lyrische Gebrauchsanweisung eines Zoobesuchs. Die gereimte Erzählung des australischen Autors Chris Owen ist eine Hymne an das (beherrschbare) Chaos, mit seelenverwandten Bildern von Chris Nixon und in einer wundervollen Übersetzung. Susan Kreller spielt fröhlich mit der Ironie des Originals und kommt ihm damit näher als manch allzu respektvolles Bemühen um Korrektheit:
"Da bist du ja endlich!
Willkommen im Zoo.
Famoser als hier ist es nirgendwo.
Komm rein. Schau dich um in der wilden Idylle,
hier drin warten Tiere in Hülle und Fülle,
die kannst du besuchen, beeil dich, lauf
… doch: Vorsicht, weck niemals den Panda auf."
Willkommen im Zoo.
Famoser als hier ist es nirgendwo.
Komm rein. Schau dich um in der wilden Idylle,
hier drin warten Tiere in Hülle und Fülle,
die kannst du besuchen, beeil dich, lauf
… doch: Vorsicht, weck niemals den Panda auf."
Wecke nie einen Panda
Die Stimmung, die in diesem Buch zum Leben erweckt wird, erinnert ein bisschen an Kinderträume, in denen man mit einer Mischung aus bauchkribbelnder Angst und unbändiger Neugierde schlafende Gespenster weckte, um sogleich mit Geschrei vor ihnen zu fliehen. - Verlockender könnten jungen Weltentdeckern die Früchte im unendlich große Garten der Lyrik nicht schmackhaft gemacht werden. Ein wohliger Schauer läuft ihnen über den Rücken, allein in Anbetracht der Möglichkeit, den Panda im eigenen Kopf schon mal zu wecken, trotz Warnung:
"Denn weckst du den Panda,
dann wird er sehr quenglich.
Die Nilpferde drüben, die macht das ganz bänglich
und bängliche Nilpferde hopsen
und sind dann sehr schwer nur zu stoppsen.
Sie hopsen mit tosendem Nilpferdgeschnauf
… drum Vorsicht, weck niemals den Panda auf."
"Denn weckst du den Panda,
dann wird er sehr quenglich.
Die Nilpferde drüben, die macht das ganz bänglich
und bängliche Nilpferde hopsen
und sind dann sehr schwer nur zu stoppsen.
Sie hopsen mit tosendem Nilpferdgeschnauf
… drum Vorsicht, weck niemals den Panda auf."
Fast glaubt man, im wohlgeordneten Chaos der Bilderwelt ein ganzes Tohuwabohu-Orchester vor sich spielen zu hören und zu sehen:
"Es grunzt und es grummelt, es pustet und plärrt,
es springt und es späht, es zischt und es zerrt,
es quietscht und es quatscht, es schnarcht und es schnurrt,
es heult und es hallt, es knirscht und es knurrt."
es springt und es späht, es zischt und es zerrt,
es quietscht und es quatscht, es schnarcht und es schnurrt,
es heult und es hallt, es knirscht und es knurrt."
Vorsicht im Wörterzoo
Ja, so sollte es sein, wenn sich Kinder auf Expedition durch den wilden Wörterzoo begeben. Ist der Panda erst geweckt und das Abenteuer genossen und heil überstanden, kann man in einer kurzen Verschnaufpause mit Christian Morgenstern feststellen, wie alt und gleichzeitig wie gegenwärtig solche Forschungsreisen sind:
"Der Flügelflagel gaustert
durchs Wiruwaruwolz
die rote Fingur plaustert
und grausig gutzt der Golz."
durchs Wiruwaruwolz
die rote Fingur plaustert
und grausig gutzt der Golz."
"Gruselett", ein Vierzeiler, den Morgenstern vor über einhundert Jahren schrieb, und der mit 23 anderen Gedichten und traumverlorenen, ganzseitig farbigen Illustrationen von Elinor Weise im Leipziger leiv-Verlag unter dem Titel "Gruselett und Lalula" erschienen ist. Es gibt Trost und Hoffnung, dass das wilde Wesen von Wortspielereien, jenseits von Moden und Zeitgeistern, zur Grundausstattung des Menschen gehört, jedenfalls seit Beginn der Entdeckung der Kindheit im 19. Jahrhundert. - Als Teil einer Überlebensstrategie, die furchtbarer Wichtigtuerei und angsterregendem Konformitätsdruck lustvoll, couragiert und hintergründig eine lange Nase zeigt. Damals wie heute. Und dabei ausprobiert, welch wundervoll wilde Worte sich im Kopf verstecken. Man muss sie nur hervorkitzeln, wie das Christian Morgenstern auch im "Großen Lalula" tut:
"Kroklokwafzi? Semememi!
Seiokronto – prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulalemi:
quasti basti bo …
Lalu lalu lalu lalu la!"
Seiokronto – prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulalemi:
quasti basti bo …
Lalu lalu lalu lalu la!"
Und wie es Arne Rautenberg heute ganz im Sinne Christian Morgensterns in "Kuddelmuddel Remmidemmi Schnickschnack", erschienen im Peter Hammer Verlag, mit Lust und Laune darbietet:
"in deinem kopf
da ist ein ort
in dem versteckt sich wort für wort.
Ich habe diesen ort
entdeckt den ort in dem
der wortschatz steckt
und wenn du sprichst
hör ich dir zu
denn wunderworte
zauberst du."
da ist ein ort
in dem versteckt sich wort für wort.
Ich habe diesen ort
entdeckt den ort in dem
der wortschatz steckt
und wenn du sprichst
hör ich dir zu
denn wunderworte
zauberst du."
Golbert und die Poesie
Arne Rautenberg nutzt diese unbändige Lust, mit Fantasie und Sprache zu spielen. Und Nadia Budde lässt dazu – wie schon Chris Nixon in "Pandazamba" - die versammelte Tierwelt tanzen: Rabe, Tarantel, Elefant, Schnecke, Nilpferd und was da sonst noch zwischen Himmel und Erde kreucht und fleucht. Selbst das Pinselohrschwein ist dabei, das einem den schönsten Text bekleckst – und dadurch fast noch schöner macht.
Bei weitem nicht so wild wie Nixons oder Buddes Bestiarium erscheinen auf den ersten Blick Katharina Greves Geschöpfe, die Nils Mohls Gedichte in "König der Kinder" (erschienen bei Mixtvision) illustrieren. Vielleicht ist die Zivilisiertheit von Löwe, Schmetterdonnerling, Zirpe, Ferkelchen, Krake und Qualle den ganz jungen Leserinnen und Lesern geschuldet. Diese sanftere Bebilderung ungestümer Poesie richtet das Augenmerk jedenfalls mehr auf die Wortzaubereien als auf die präsentierte Bilderwelt. Zu Mohls Kreaturen gehört schließlich auch der Golbert:
"wer grabunkelt durchs unterschrümm?
Wer tumtelt und schorkelt zur humpfe hin?
Wer züstert bei fröck im ompengrund rum?
Wer tulupinnzt ürzens beim prumautorium?
Wer bunzelt den schorkel-schni?
Wer knützt braörkeligst grukirr-grukie?
Wer tumtelt und schorkelt zur humpfe hin?
Wer züstert bei fröck im ompengrund rum?
Wer tulupinnzt ürzens beim prumautorium?
Wer bunzelt den schorkel-schni?
Wer knützt braörkeligst grukirr-grukie?
Pass ja auf … begegne dem golbert besser nie!"
Poesie, Poedu
Das rät der Dichter Nils Mohl. - Zum letzten Buch auf dieser kurzen Reise durch poetische Landschaften. Erst einmal glaubt sich am falschen Ort, wer in "Poedu" blättert – einem 180seitigen Poesiebuch von Kindern für Kinder, herausgegeben von der Schriftstellerin Kathrin Schadt. Nach der stets überschau- und begreifbaren Liaison von Wort und Bild in den bisher besprochenen Büchern, vermutet man auf den ersten Blick ein Kompendium oder einen Werkstattbericht fürs Literaturstudium. Doch dann führen die, den umfangreichen Textseiten zwischengestreuten farbigen Fabeltiere des Illustrators Petrus Akkordeon auf die richtige Spur. Die Herausgeberin dieses Lyriksammelbandes lebte zu Beginn der Pandemie mit ihrer siebenjährigen Tochter in Portugal und gründete – aus der Not heraus – eine Poesiewerkstatt, an der sich mit der Zeit viele namhafte Poetinnen und Poeten aus dem deutschsprachigen Raum online beteiligten. Das Projekt nannte man POEDU – sozusagen die Vertrauen erweckende Duzform von POESIE. Da Kathrin Schadt unbedingt Kinder für ihre Idee begeistern wollte, durfte jede und jeder mitmachen. Und so stellten von März bis Weihnachten 2020 die erwachsenen Profis interessierten Kindern eine Poesieaufgabe. Insgesamt 25 Streiche, so etwa …
"Corona-Gedicht: Schreibe in 7 Zeilen ein Gedicht an das Coronavirus. Geige ihm so schön deine Meinung!"
"du olle Qualle!
du Quarkgesicht!
du quatschiger Lumpen!
du Quellenlatscher!
du unbequemer Quieker!
SCHIMPFQUADRAT!
blöder Virus"
du Quarkgesicht!
du quatschiger Lumpen!
du Quellenlatscher!
du unbequemer Quieker!
SCHIMPFQUADRAT!
blöder Virus"
Anarchie und Chili-Schoten
Auf einer öffentlichen Facebookseite und auf einer Lyrik-Webseite wurden die jeweils neuesten Beiträge der Kinder veröffentlicht. Schließlich entstand das gebundene Werk mit zahlreichen Gedichten von 56 Kindern und den Anregungen von 27 erwachsenen Dichtern und Dichterinnen. - Wenn die bisher vorgestellten Bücher überschaubare kleine Oasen der Poesie sind, dann ist "Poedu" ein ganzer Dschungel aus blühenden Poesiegewächsen, der nicht auf vorgegebenen Pfaden durchforscht werden muss, sondern jederzeit Eskapaden nach Lust und Laune ermöglicht. Junge Künstler können sogar zu den jeweiligen Themen eigene Gedichte und Illustrationen auf freigestellten Seiten anfügen. Jedenfalls atmet man nach der Lektüre befreit auf. Egal, wie groß oder klein die Nischen der Poesie in diesem Land auch sein mögen: der Strom aus Inspiration und Fantasie versiegt nie. Jedenfalls, wie Arne Rautenberg betont, "solange das anarchische Potential von Kindern noch nicht völlig eingeknechtet ist in ein System der Vergleich- und Bewertbarkeit"
"Mein Gedicht ist wie ein scheues Tier,
es kommt zu dir, zu mir, wann es möchte.
Gib ihm auf keinen Fall Erbsen und auch kein Eis,
es mag es nicht kalt, mag es nicht heiß.
Du musst es locken mit einer Chili-Schote, würzig und scharf,
dann reicht es dir seine Pfote.
Hör ihm gut zu, schmier ihm Honig um den Bart,
dann erst kommt es so richtig in Fahrt!"
es kommt zu dir, zu mir, wann es möchte.
Gib ihm auf keinen Fall Erbsen und auch kein Eis,
es mag es nicht kalt, mag es nicht heiß.
Du musst es locken mit einer Chili-Schote, würzig und scharf,
dann reicht es dir seine Pfote.
Hör ihm gut zu, schmier ihm Honig um den Bart,
dann erst kommt es so richtig in Fahrt!"
VORGESTELLTE LITERATUR
Chris Owen, Chris Nixon (Illustrationen): Pandazamba
Aus dem australischen Englisch von Susan Kreller
Carlsen Verlag, Hamburg 2021, o.P., 15 Euro, ab 5
Aus dem australischen Englisch von Susan Kreller
Carlsen Verlag, Hamburg 2021, o.P., 15 Euro, ab 5
Christian Morgenstern: Gruselett und Lalula. Gedichte
Illustrationen von Elinor Weise
Leiv Kinderbuchverlag, Leipzig 2021, 52 Seiten, 12,90 Euro, ab 6
Illustrationen von Elinor Weise
Leiv Kinderbuchverlag, Leipzig 2021, 52 Seiten, 12,90 Euro, ab 6
Arne Rautenberg: Kuddelmuddel Remmidemmi Schnickschnack. Gedichte für alle
Mit Bildern von Nadia Budde
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2020, 48Seiten, 14 Euro, ab 5
Mit Bildern von Nadia Budde
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2020, 48Seiten, 14 Euro, ab 5
Nils Mohl: König der Kinder. Gedichte
Illustriert von Katharina Greve
Mixtvision Verlag, München 2020. 64 Seiten, 16 Euro, ab 7
Illustriert von Katharina Greve
Mixtvision Verlag, München 2020. 64 Seiten, 16 Euro, ab 7
Kathrin Schadt (Hrg.): POEDU. Poesie von Kindern für Kinder
Mit Illustrationen von Petrus Akkordeon
Elif Verlag, Nettetal 2021, 180 Seiten, 18,00 Euro, ab 8
Mit Illustrationen von Petrus Akkordeon
Elif Verlag, Nettetal 2021, 180 Seiten, 18,00 Euro, ab 8
WEITERE LYRIKEMPFEHLUNGEN FÜR KINDER
Der Kinderkalender 2021
Herausgegeben und ausgewählt von der Internationalen Jugendbibliothek, edition momente, München 2021, 60 Blätter, 22 Euro, ab 4
Herausgegeben und ausgewählt von der Internationalen Jugendbibliothek, edition momente, München 2021, 60 Blätter, 22 Euro, ab 4
Sabi Kasper: Nach Flandern wandern. Fünf Gedichte
Mit Bildern verschiedener Illustratoren
Kunstanstifter, Mannheim 2020, 56 Seiten, 22 Euro; ab 6
Mit Bildern verschiedener Illustratoren
Kunstanstifter, Mannheim 2020, 56 Seiten, 22 Euro; ab 6
Rotraut Susanne Berner: Einhorn, Bär und Nachtigall tanzen auf dem Maskenball
Verlag Antje Kunstmann, München 2021, 48 Seiten, 12 Euro, ab 4
Verlag Antje Kunstmann, München 2021, 48 Seiten, 12 Euro, ab 4
Ulrich Maske, Annette Swoboda (Ill.): Kommt ein Traum zu dir. Poesie zur guten Nacht
JUMBO, Hamburg 2020, 92 Seiten, 18 Euro , ab 6
JUMBO, Hamburg 2020, 92 Seiten, 18 Euro , ab 6
Manfred Schlüter: Guriku Gugukuru. Gedichte für Kinder und andere Menschen
Bibliothek der Provinz, Wien 2020, 80 Seiten, 18 Euro, ab 10
Bibliothek der Provinz, Wien 2020, 80 Seiten, 18 Euro, ab 10
Nils Mohl, Katharina Greve (Ill.): Tänze der Untertanen. Gedichte
Mixtvision Verlag, München 2020, 64 Seiten, 16 Euro ab 12
Mixtvision Verlag, München 2020, 64 Seiten, 16 Euro ab 12