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Lyrik mal anders
Poesie in Dosen

Gedichte schreiben – das machen viele. Aber Gedichte auch verkaufen? Dieser Versuch endet oft in der berühmten brotlosen Kunst. Dass es auch anders gehen kann, beweist die Kölnerin Sarah Moujtahid. Sie hat einen außergewöhnlichen Weg gefunden, ihre Gedichte an den Mann zu bringen.

Von Julia Batist |
    Eine alte Spitzfeder liegt auf einem Schreibheft.
    Gedichte auf Papier schreiben ist das eine, sie aber in einer Dose als Kunst zu verkaufen, dazu gehört Kreativität und Überzeugungskraft. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul )
    "Der Freigeist lebt. Über den Dächern der Stadt. Der Freigeist schwebt. Er hat kein Ziel noch Ausgangspunkt. Ist in der Masse und allein. Will einzig bloß nicht artig sein."
    Clueso liest den "Freigeist", ein Gedicht von Sarah Moujtahid. Das hätte sich die 35-Jährige vor ein paar Jahren nicht träumen lassen. Gedichte schreibt sie schon seit sie 18 ist. Vor drei Jahren hat sie sie zum ersten Mal im Modeladen einer Freundin einem Publikum vorgelesen.
    "Es war unglaublich. Die Stimmung in dem Raum einfach, das hat mich total begeistert und die Leute hat es auch begeistert. Es waren auch ein paar Künstler mit im Publikum, die dann gesagt haben, das war echt inspirierend für mich. Das merkt man zum Beispiel auch dadurch, dass sie ruhig und nachdenklich sind."
    Beginn einer Erfolgsgeschichte
    Bei einem Städtetrip in Dresden nahm die Erfolgsidee von Sarah Moujtahid ihren Anfang.
    "Ich war alleine unterwegs und bin ein bisschen durch die Stadt gelaufen und zu so nem Flohmarkt gekommen. Und dort hab ich diese schönen Dosen gesehen, dann hab ich einfach mal gekauft und hab dann ganz schönes Büttenpapier gefunden. Und hab angefangen, dieses Büttenpapier mit Auszügen von Gedichten von mir zu beschriften.
    Die Dosen lagen direkt daneben, dann dachte ich, pack ich's mal erst da rein. Und als ich dann zu Hause war habe ich gesehen, wie schön das eigentlich zusammen aussieht."
    In filigraner Handschrift schreibt die Dichterin seither ihre Gedichte auf Büttenpapier, verpackt sie in Blechdosen. Die Tabak- und Zigarillodosen sind zwischen 40 und 100 Jahre alt. Orientalische Motive oder ganz in Gold.
    Nachdem Sarah Moujtahid die Dosen sogar in einem kleinen Saisongeschäft verkauft hat, kommt sie kaum mit der Produktion nach.
    "Da kamen Leute extra hingefahren. Dann hab ich auch über E-Mail Anfragen bekommen, zum Beispiel eine Frau, die mir aus Italien geschrieben hat, eine aus Flensburg, dann war noch jemand aus Hessen – es scheint anzukommen und das überall."
    Beste Freundin der VIPs
    Selbst in VIP-Kreisen. Sarah teilt einen Freundeskreis mit Clueso. Sie hat ihn gezielt gefragt, ob er ein Gedicht lesen wolle.
    "Der Freigeist steckt mir in den Knochen. Hab versucht ihn rauszutanzen. Es will mir nicht gelingen."
    "Ich kenn Sarah schon länger. Wobei ich sagen muss, dass wenn mir ihre Gedichte nicht gefallen hätten, ich ihr den Gefallen nicht getan hätte. Ich find das gute Werke und ich hab mir eins raus gesucht, dass ich fühle. Und fand das ne schöne Idee."
    "Wenn man schöne Sachen hat, muss man sich nen Kopf machen, wie man die an den Mann bringt. Ich kenn viele Leute, die Gedichte schreiben und kann jedem ans Herz legen sich was einfallen zu lassen. Weil ich es schöner finde, wenn Leute darüber kommunizieren oder sich in Gedichten wieder erkennen."
    Mittlerweile hat auch Curse ein Gedicht gelesen und Sarah Moujtahid ist mit weiteren Künstlern im Gespräch. Während viele Dichter eher introvertiert vor sich hin schreiben, ihre Gefühle für sich selbst zu Papier bringen, geht sie bewusst an die Öffentlichkeit.
    "Ich hatte einfach das Bedürfnis mich damit zu zeigen und hab gemerkt das kommt irgendwie total gut an, es berührt die Leute. Und das ist das, wo ich meine Erfüllung sehe, wenn ich sehe, dass ich andere Menschen genauso berühren kann wie mich."
    Sarah Moujtahid dichtet unterwegs oder in der Natur. Auf einer Parkbank sortiert sie ein paar Dosen, eine junge Passantin schaut interessiert. Spontan liest die Dichterin vor:
    "Das Gedicht heißt 'Neue Segel':
    Komm zur Ruh, Du närrisch Kind. Hör auf zu laufen und nimm den Wind, der die neuen Segel trägt. Erheb dich fort an einen Ort, der dir bekannt, sagt dein Verstand, dein Herz weiß, dass es ist geboren, hinter diesen Himmelstoren."
    Immer wieder überraschend
    Poesie in Dosen – der Erfolg des Konzeptes überrascht selbst die Künstlerin immer aufs Neue.
    "Für mich war es unglaublich, weil ich ja gar nicht damit gerechnet habe. Es hat mich auf jeden Fall motiviert, weiter zu machen, Ideen weiter zu spinnen. Selbst wenn ich das Gefühl habe, das ist jetzt nichts womit man Geld verdienen kann aber irgendwie hat mir der Laden schon das Gegenteil bewiesen."