Archiv

Maaßen als Staatssekretär
"Seehofer arbeitet permanent mit Provokationen"

Horst Seehofer habe mit seiner Entscheidung, Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär zu machen, deutlich Stellung gegen die Bundeskanzlerin bezogen, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Dlf. Das belaste das Koalitionsklima. Dem Minister sei anscheinend sein Gespür für richtige Entscheidungen verloren gelangen.

Lars Klingbeil im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprechend an einem Mikrophon vor rotem Hintergrund
    Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil: Konflikt zwischen CDU und CSU schwelt weiter (picture alliance / dpa / Christoph Schmidt)
    Tobias Armbrüster: Hans-Georg Maaßen wird Staatssekretär im Innenministerium. Das war die Entscheidung der Koalitionsspitzen gestern Abend in Berlin. Aber für viele geht der ganze Streit damit jetzt nur in eine weitere Runde. Vor allem in der SPD hagelt es Kritik, denn Hans-Georg Maaßen wird eigentlich nur befördert. Er bekommt künftig noch einmal 2000 Euro mehr im Monat. Wir haben gerade schon die Einschätzung von Juso-Chef Kevin Kühnert gehört: Der nennt das Ganze einen Schlag ins Gesicht. – Am Telefon hier bei uns im Deutschlandfunk jetzt Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD. Schönen guten Morgen.
    Lars Klingbeil: Guten Morgen.
    Armbrüster: Herr Klingbeil, wie faul ist dieser Kompromiss?
    Klingbeil: Es sind ja zwei Entscheidungen getroffen worden gestern. Das muss man, glaube ich, noch mal ein Stück weit auseinanderhalten, auch wenn sie in der öffentlichen Debatte zusammengeworfen werden. Das eine, das war für uns sehr wichtig, dass Herr Maaßen zukünftig nicht mehr Chef des Bundesverfassungsschutzes, nicht mehr Präsident des Bundesverfassungsschutzes ist. Da war er für uns nicht mehr tragbar. Wenn man sich anschaut, wie er sich nach Chemnitz geäußert hat, wie er in Frage gestellt hat, dass es dort Hetzjagden gab, dass dieses Video in Frage gestellt wurde, er unterstellt hat, dass dort Ablenkungsmanöver stattfinden, er ja auch die Autorität der Kanzlerin damit angekratzt hat, dann war klar, auch nach den Verfahren im Parlament, in den Gremien des Parlaments, er ist nicht mehr tragbar. Diese Punkt haben wir sehr hart gestellt und haben auch in der Koalition deutlich gemacht, dass die SPD nicht mehr bereit ist, Herrn Maaßen zu tragen. Und das ist eine richtige Entscheidung, dass gestern sich die Koalition da geeint hat, dass Herr Maaßen künftig nicht mehr Chef und Präsident des Bundesverfassungsschutzes sein wird.
    Seehofer wollte an Maaßen festhalten
    Armbrüster: Heißt das, Herr Klingbeil, da wurde gestern im Kanzleramt nur entschieden, dass Herr Maaßen nicht mehr im Bundesverfassungsschutz arbeitet, und danach war dann Schluss? Und dann hat die CSU selber entschieden, dann holen wir ihn ins Innenministerium?
    Klingbeil: Nein. Es gab eine zweite Entscheidung, die auch öffentlich jetzt in der Kritik steht, dass Herr Seehofer gestern deutlich gemacht hat, dass er an Herrn Maaßen festhält. Wir haben das ja in den letzten Tagen schon erlebt, dass Herr Seehofer eigentlich nicht bereit war, Herrn Maaßen als Präsident des Bundesverfassungsschutzes abzulösen. Das war ein harter Konflikt. Auch die Kanzlerin ist ja dann in den letzten Tagen – das war öffentlich nachzulesen – von Herrn Maaßen abgerückt. Aber Herr Seehofer hat gestern deutlich gemacht, dass er an Herrn Maaßen festhält und ihn als Beamten in sein Ministerium holen wird. Jetzt ist es so, dass im Koalitionsvertrag geregelt ist, wer welches Ministerium hat, wer welche Zuständigkeit hat, und es ist üblich in der Bundesrepublik, dass jeder Minister seine Staatssekretäre selbst holt, selbst entscheidet, wer Staatssekretär wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Bei einem SPD-Bundesinnenminister hätte es eine solche Entscheidung nicht gegeben.
    Armbrüster: Aber ich nehme mal an, Frau Nahles wurde bei diesem Treffen auch gefragt, ob sie mit dieser Lösung einverstanden ist.
    Klingbeil: Es hat ein Dreiertreffen gestern gegeben. Aber trotzdem ist es üblich, dass die Minister selbst entscheiden, wer Staatssekretär ist. Noch mal: Ich will diese Entscheidung nicht rechtfertigen, ich will sie nicht gutheißen. Es spielt sich ja hier etwas ab, was man auch …
    Armbrüster: Herr Klingbeil! Nur, weil das, glaube ich, etwas durcheinanderkommt. Wurde Andrea Nahles gefragt, ob das für sie in Ordnung ist?
    Klingbeil: Erst mal ging es um die Frage, wer Präsident des Bundesverfassungsschutzes ist und ob Herr Maaßen das bleibt. Da haben wir uns gegen Herrn Seehofer durchgesetzt und dann hat er mitgeteilt, dass Herr Maaßen jetzt Staatssekretär bei ihm im Ministerium sein wird. Ich will aber einen anderen Punkt an dieser Stelle …
    Armbrüster: Nur ganz kurz! Wir können dann gleich weiter zu dem nächsten Punkt kommen, weil das ist ja wichtig. Wurde Andrea Nahles da um ihre Zustimmung gebeten?
    Klingbeil: Wir sind in einer Koalition. Aber es ist üblich, noch mal, dass ein Minister selbst entscheidet, wer bei ihm Staatssekretär ist. Das, was der Vorgang ist – und den muss man einfach mal benennen -, ist, dass Herr Seehofer permanent mit Provokationen arbeitet, und das setzt sich jetzt gerade fort. Die Bundeskanzlerin hat öffentlich – das hat man in den Zeitungsartikeln lesen können – auch die Kritik an Herrn Maaßen geteilt, hat sich auch distanziert, und jetzt holt Herr Seehofer Herrn Maaßen in sein Ministerium. Das ist ein Vorgang, der zeigt, dass zwischen CDU und CSU, dass zwischen Merkel und Seehofer der Konflikt weiter schwelt. Das ist insgesamt kein guter Zustand für diese Koalition und das belastet auch das Koalitionsklima. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.
    "Da haben wir uns durchgesetzt"
    Armbrüster: Herr Klingbeil, die Frage haben Sie jetzt immer noch nicht beantwortet. Wurde Andrea Nahles gefragt?
    Klingbeil: Ich habe dreimal jetzt gesagt, dass es ein Treffen war der drei Parteivorsitzenden. Dort sind gestern Entscheidungen getroffen worden. Zwei, nämlich die Frage, ob Herr Maaßen Präsident des Bundesverfassungsschutzes bleibt, und danach gab es eine Neubesetzung auch der Staatssekretärsstelle im Bundesinnenministerium.
    Armbrüster: Herr Klingbeil, diese Frage kann man aber ganz leicht mit Ja oder Nein beantworten. Wurde sie gefragt? Wurde Andrea Nahles gefragt?
    Klingbeil: Ich war bei dem Gespräch nicht dabei. Aber es ist ein gemeinsames Ergebnis dieser Koalition.
    Armbrüster: Dann können wir festhalten: Die SPD hat zumindest in diesem Treffen diesen Kompromiss mitgetragen?
    Klingbeil: Ja! Und trotzdem habe ich meine Kritik als Generalsekretär, die ich an der Entscheidung von Herrn Seehofer hier auch öffentlich äußere.
    Armbrüster: Wie soll das Ganze jetzt bei SPD-Wählern ankommen, auch bei Ihren Mitgliedern vor allem? Werden die das verstehen, wenn Sie jetzt sagen, das eine haben wir entschieden, wir als SPD, und das andere war dann eher Sache von der CSU, da haben wir im Grunde nicht viel zu sagen?
    Klingbeil: Nein, man muss deutlich benennen, wie Verfahren sind. Wir hatten einen Streitpunkt in der Koalition um die Frage, ob Herr Maaßen Präsident des Bundesverfassungsschutzes bleiben kann. Da haben wir uns durchgesetzt. Da haben wir auch unsere Linie entschieden. Und das ist auch richtig, dass er nicht mehr Präsident ist. Es ist üblich in Koalitionen, dass Minister entscheiden, wer Staatssekretär in der Regierung ist. Und trotzdem ist das ein sehr schwieriger Vorgang, weil es wieder eine Provokation in der Regierung ist, weil es wieder ein deutliches Statement auch von Herrn Seehofer gegen die Kanzlerin ist und weil es das Koalitionsklima auch weiter belastet. Ich sage Ihnen, ich habe für diese Koalition geworben, ich wollte da rein. Die Grundlage dafür war der Koalitionsvertrag. Deswegen gibt es jetzt sehr entscheidende Wochen noch in der Koalition, in denen wir zeigen müssen, dass wir Inhalte umsetzen, dass wir wegkommen von diesen ewigen Streitereien, von der permanenten Krise, in der sich diese Regierung befindet, und ich verstehe auch, dass bei vielen in der SPD die Ungeduld mit dieser Regierung wächst.
    "Es muss jetzt um die Inhalte gehen"
    Armbrüster: Wie kann das denn anders werden nach diesem Tag? Das muss ja eigentlich wachsen, wenn man sich diese Personalentscheidung ansieht. Eine Beförderung, 2000 Euro im Monat mehr, das ist das, was viele Leute ganz normal als Einkommen haben.
    Klingbeil: Ich glaube, dass Herr Seehofer früher ein richtiges Gespür für Entscheidungen hatte, und das ist ihm anscheinend verloren gegangen. Jetzt gibt es doch den Eindruck – und das teilen ja auch viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen heute, wenn man sich die Presse anschaut -, dass es wieder darum geht, die Autorität der Kanzlerin anzukratzen, dass es wieder darum geht, in der Regierung zu provozieren. Wenn wir uns in einem solchen Dauerzustand befinden, dann verstehe ich auch, dass viele die Ungeduld verlieren. Es muss jetzt um die Inhalte gehen. Wir haben heute im Kabinett das gute Kita-Gesetz. Das ist sehr wichtig. Wir werden über das Thema Pflege reden, wir haben diese Woche den Mietengipfel, der für viele ja das Thema Nummer eins ist. Wir sind in der Rentenpolitik jetzt ein Stück weit vorangekommen, haben aber als SPD in der Koalition noch viel vor, und wir müssen jetzt den Schalter umlegen von dauerhaften Querelen, die vor allem immer wieder Herr Seehofer auslöst in der Regierung, hin zu Sacharbeit. Nur so können wir Vertrauen wirklich in der Bevölkerung zurückgewinnen.
    Armbrüster: Herr Klingbeil, ich kann Sie zumindest in diesem Punkt beruhigen. Das sind alles Themen, die Sie da nennen, die wir zum Teil heute Morgen auch schon in der Sendung im Programm hatten, die wir natürlich auch weiter verfolgen. Ich will noch mal zurückkommen auf diesen Streit und vor allen Dingen, was Andrea Nahles da in den vergangenen Tagen, Ihre Parteichefin, immer wieder gesagt hat. Da war der entscheidende Satz immer: Maaßen muss gehen! – Hat sie da vielleicht eigentlich gemeint, Maaßen muss befördert werden, er muss mehr Geld bekommen?
    Klingbeil: Nein. Sie hat deutlich gemacht, dass er nicht Präsident des Bundesverfassungsschutzes bleiben kann, und diese Entscheidung ist gestern getroffen worden.
    "Unter direkter Aufsicht von Herrn Seehofer"
    Armbrüster: Und wie wollen Sie sicherstellen, dass es nicht zu weiteren, sagen wir mal, Zwischenfällen, wie das mit dem "Bild"-Interview geschehen ist, kommt, wenn Herr Maaßen jetzt an entscheidender Stelle im Innenministerium arbeitet?
    Klingbeil: Erst mal ist Herr Maaßen jetzt unter direkter Aufsicht von Herrn Seehofer. Er hat auch nicht mehr die Freiheiten, die er als Präsident des Bundesverfassungsschutzes hätte. Aber es ist klar: Die direkte Verantwortung, die persönliche Verantwortung auch mit aller Konsequenz für Herrn Maaßen trägt jetzt Herr Seehofer. Herr Seehofer wollte unbedingt an Herrn Maaßen festhalten. Dort scheint es ja ein sehr enges Vertrauensverhältnis auch zu geben. Aber das liegt jetzt in der direkten Verantwortung des Bundesinnenministers.
    Armbrüster: Sind Sie zuversichtlich, dass Herr Seehofer diese Kontrolle über Herrn Maaßen leisten kann?
    Klingbeil: Ich habe die Erwartung ganz klar an Herrn Seehofer. Aber ich sage Ihnen auch: Wenn ich mir die letzten Wochen, die Phase vor der Sommerpause angucke, dann ist die Rolle von Herrn Seehofer in dieser Regierung sehr umstritten.
    Armbrüster: Wie nah am Ende ist diese Große Koalition jetzt?
    Klingbeil: Das Klima ist belastet, aber trotzdem ist die SPD in diese Regierung gegangen, um Dinge durchzusetzen, das Alltagsleben von Menschen zu verbessern. Sie wissen das: Wir haben uns das nicht leicht gemacht als SPD, in diese Regierung zu gehen. Deswegen steht die Koalition jetzt vor einer sehr entscheidenden Phase.
    Armbrüster: Hier bei uns live in den "Informationen am Morgen" war das Lars Klingbeil, der Generalsekretär der SPD. Ich danke Ihnen vielmals für das Interview.
    Klingbeil: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.